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Erfolgsfaktoren beim China-Sourcing

Betrachtet man die Kosten, ist China dank gestiegener Löhne, nicht unerheblicher Zölle und hoher Transportkosten nicht mehr das Best-Cost-Country. Das war einmal. Daran ändert auch die jüngste Renmin­bi-Abwertung nichts. Osteuropa (Qua­lität, räumliche Nähe, attraktives Lohnniveau) und andere asiatische Beschaffungsmärkte wie Vietnam, Thailand und Indonesien haben dem Reich der Mitte als verlängerte Werkbank den Rang abgelaufen. Interessant ist China jedoch für den Einkauf von Komponenten und höherwertigeren Technologien. Und natürlich für die Bestückung lokaler Produktionsstätten. „Region for Region“, das geht in China für die meisten Materialgruppen auf und ist für Automobilhersteller und Zulieferer sowieso unabdingbar.

Heterogenität beim China-Sourcing

Doch die Lieferantenlandschaft in China ist heterogen. Auf der einen Seite Hightech-Anbieter mit hochautomatisierter Fertigung, erfahrenem Management und effizienten Prozessen. Wer hier ordert, wird selten enttäuscht. Auf der anderen Seite eine Unzahl von Unternehmen, die den riesigen lokalen Markt bedienen und vom europäischen Qualitätsanspruch zum Teil weit entfernt sind. Wer in China als Neuling unterwegs ist, zahlt deshalb nach wie vor Lehrgeld. Außer er hat sich umfassend mit dem Markt befasst und/oder sich vor Ort profund beraten lassen.

Die Situation bestätigt eine Untersuchung der Unternehmensberatung Inverto, einer Full-Service Agentur für Einkauf und SCM mit Stützpunkt in China, gemeinsam mit der WHU, Otto Beisheim School of Management: „Chinesische Lieferanten erweisen erhebliche Leistungs- und Kostenunterschiede auf. Die Identifikation geeigneter Lieferanten stellt daher einen Schlüsselfaktor da“, heißt es im Management-Summary der Studie.

Private Anbieter zuverlässiger

Dennoch bewerteten die Befragten (30 % aus dem Bereich Konsumgüter, 10 % Handel, 14 % Automotive, 10 % Elektronik plus Maschinenbau) die Performance ihrer chinesischen Lieferanten in Bezug auf Qualität und Liefertreue aktuell mit gut bis sehr gut. Inverto befragte fast ausnahmslos China-erfahrene Einkäufer: 35 % ordert dort seit mehr als 12 Jahren, 57 % seit mindestens vier Jahren. Und die Unternehmen arbeiten zu fast 90 % mit privaten Lieferanten, deren Performance im Allgemeinen besser bewertet wird als jene staatlicher Unternehmen oder die von Joint Ventures. Ihre Erfahrungen haben die Firmen also gemacht und die richtigen Schlüsse daraus gezogen.

Der Grund für China-Sourcing liegt in den Kosten: 72 % der Studienteilnehmer erzielt in China durchschnittliche Einsparungen von mehr als 15 %. „Wir sehen in den vergangenen zwei Jahren eine klare Tendenz, dass sich Einkäufer aus dem Industriebereich immer mehr für den chinesischen Lieferantenmarkt interessieren“, fasst Minrui Ji, China-Geschäftsführerin von Inverto, die aktuelle Befindlichkeit zusammen.

Qualität wird unterschiedlich bewertet

Nicht ganz so positiv sind die Ergebnisse einer weiteren, aktuellen China-Studie. Die Unternehmensberatung MSG befragte mittelständische Unternehmen nach ihren Erfahrungen. 75 % davon setzen in ihrem Lieferantenmix auf eine kleine, konstante Anzahl chinesischer Lieferanten. Rund 60 % beziehen Komponenten. Die Unternehmen kaufen zu über 50 % elektronische, elektrische und mechanische Produkte. Mehr als die Hälfte bezieht seit mehr als zehn Jahren chinesische Waren, nur zwölf Prozent nutzt den Markt erst seit Kurzem.

Vor allem die Lieferfristen sind ein Problem. Nur 9 % stellten in den letzten drei Jahren eine Verbesserung fest. 95 % sind unzufrieden mit der Fertigungsqualität und/oder der Qualität der Rohmaterialien (65 % stellten in den vergangenen drei Jahren keine Verbesserung oder eine Verschlechterung fest, gut ein Drittel berichtet über eine Qualitätsverbesserung). Auch der Mittelstand kauft vor allem wegen der niedrigen Kosten in China. Allerdings sind die Prognosen verhalten und spiegeln die allgemeine Kostenentwicklung im Land wieder: Für 2017 erwarten 10 % der Firmen Einsparungen zwischen 20–30 % (2014 erreichen noch 20 % diesen Wert), 45 % rechnen mit Savings zwischen 10% und 20 % (heute erzielen 30 % diese Einsparungen) und 45 % rechnen mit maximal 10 % Kostenvorteil (heute sind dies 50 %).

„Viele Unternehmen haben die Beschaffung aus China als eine Strategie für Wettbewerbsvorteile angenommen“, zieht Stephan Willigens, Vice President für SCM bei MSG, sein Fazit der Studie. Das spiegelt sich in der Organisation. Rund ein Drittel organisiert die Beschaffung mittlerweile über eine eigene Einkaufsabteilung in China (International Purchasing Office). 26 % steuern ihre Beschaffungsaktivitäten über den Zentraleinkauf und 22 % nutzen die Einkäufer ihrer chinesischen Produktionsstätten.

Fokus Gesamtkosten

Sinkende Kostenvorteile zwingen zum Umdenken: Wer mit Komponenten aus China sparen will, kommt um eine TCO-Betrachtung nicht herum.

1. Präsenz vor Ort: Da die Lieferantenperformance nicht nur für neue Lieferanten und China-Neulinge nach wie vor Thema ist, sollte der Einkauf die Lieferantenbe­wertung nicht allein Dienstleistern vor Ort überlassen. China ist ein dynamisches Land, das Personal wechselt mitunter über Nacht und Lieferanten brechen Geschäftsbeziehungen schon mal ad hoc ab. Auch deshalb ist eine regelmäßige Präsenz wichtig. Kalkulieren Sie Reisekosten und den damit verbundenen zeitlichen Aufwand in Ihre Betrachtung ein.

2. Zusatzkosten beachten: Frachtkosten, Zölle und Bestandskosten (wo lagern Sicherheitsbestände, sind Konsignationsläger eine Alternative?) haben signifikanten Einfluss auf Einkaufsentscheidungen. Zusatzkosten zwischen sieben und 15 Prozent sind keine Seltenheit. Da sind die Materialkostenvorteile schnell aufgebraucht. Vor allem bei großen Vergaben muss exakt kalkuliert werden.

3. Lange Lieferketten: Für die Serie sind Transportkosten und Zeiten ausschlaggebend. Wer aufgrund enger Timeslots oder kurzfristiger Nachbestellungen vom Schiff auf den Flieger umsteigen muss, zahlt sehr viel obendrauf!

Foto: Verticalarray/Shutterstock.com

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