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Erdöl ist für viele Anwendungen ein wichtiger Rohstoff. Seine Förderung liegt in wenigern Ländern. (Bild: Pixabay-CMorrison)

Einst waren sie die Jäger, heute wird die OPEC selbst gejagt. Wenn die 13 Mitgliedsstaaten des Kartells früher beschlossen, weniger Öl zu fördern, schoss der Preis für den  Rohstoff Erdöl weltweit in die Höhe.

Im Juli 2017 jedoch kostet ein Barrel (159 Liter) Erdöl nach wie vor so viel wie vor drei Jahren, obwohl sich die OPEC-Staaten mit elf weiteren Förderländern im Mai 2017 bereits zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres darauf einigten, noch bis wenigstens 2018 etwa 1,8 Millionen Barrel weniger Öl pro Tag zu fördern. Die 24 Staaten hatten sich zuvor bereits im Dezember 2016 auf eine entsprechende Maßnahme verständigt.

Doch obwohl sich bislang alle Unterzeichner an die Abmachung halten, ist nicht nur der Preis für den schwarzen Rohstoff zwischen Mai und Juli 2017 um gut elf Prozent gesunken. Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet sogar, dass in den kommenden zwölf Monaten das Angebot auf dem Ölmarkt die Nachfrage weit übersteigen wird.

OPEC beißt sich am Ölpreis die Zähne aus

Die Entwicklung lässt darauf schließen, dass die OPEC-Staaten nie wieder so viel Einfluss auf den Ölpreis werden nehmen können, wie ihnen dies jahrzehntelang möglich war. Da 54 Prozent der globalen Ölreserven in der Region zwischen Nordafrika und dem Mittleren Osten lagern, in der auch die meisten OPEC-Mitglieder beheimatet sind, konnte das Kartell auf dem Markt für den schwarzen Rohstoff lange Zeit den Ton angeben.

Mit einem Anteil von 17 Prozent an den globalen Ölreserven verfügt allein der OPEC-Staat Saudi-Arabien über größere Lagerstätten des schwarzen Goldes als jedes andere Land. Neben dem Scheichtum führen Iran, Irak und Venezuela die Liste der Nationen mit den umfangreichsten Erdölreserven an. Die drei Staaten sind ebenfalls in der OPEC organisiert. Als einziges Nichtmitglied kann lediglich Kanada unter den fünf ölreichsten Nationen mitmischen. Insgesamt kontrollieren die 13 OPEC-Staaten 70 Prozent der globalen Ölreserven und bedienen 68 Prozent der weltweiten Nachfrage.

Rohstoff Erdöl: Fracking macht die USA zum größten Konkurrent der OPEC

Dass das Kartell trotzdem immer weniger Einfluss auf den Ölpreis nehmen kann, hat mehrere Gründe. So ermöglichen es effizientere Fördertechniken Ölkonzernen inzwischen, den Rohstoff so günstig aus Lagerstätten in der Tiefsee oder aus Schiefergesteinen zu gewinnen, dass sich dies bereits bei Ölpreisen von rund 50 Dollar pro Barrel lohnt. Druck bekommt die OPEC vor allem von Fracking-Produzenten.

Diese können flexibel auf kurzfristige Anstiege des Ölpreises reagieren und binnen weniger Wochen neue Förderstätten erschließen, oder wieder an Bohrlöchern fördern, deren Betrieb noch kurz zuvor unrentabel war. So gingen, nachdem die OPEC im Dezember beschlossen hatte, ihre Fördermenge zu drosseln, in den USA in nur einer Woche sechs zusätzliche Fördertürme in Betrieb. Binnen nicht mal sieben Monaten konnten die Vereinigten Staaten ihre Fördermenge nach Angaben der IEA dank Fracking um 800.000 Barrel pro Tag steigern.

USA vor Saudi Arabien bei der Erdölförderung

Den OPEC-Staaten entsteht dadurch auf dem internationalen Ölmarkt erhebliche Konkurrenz. Mit 12,3 Millionen Barrel pro Tag fördern die USA Angaben des Statistikportals Statista zufolge schon heute mehr Öl als Saudi-Arabien. Der Wüstenstaat bringt jeden Tag 9,9 Millionen Barrel des Rohstoffs zu Tage. Insgesamt gewinnen US-Ölfirmen derzeit gut ein Drittel der 31,7 Millionen Barrel Öl, die die OPEC jeden Tag fördert.

Für den eigenen Bedarf brauchen die Vereinigten Staaten diese Mengen Öl nicht. Derzeit führen sie deshalb jeden Tag fast 500.000 Barrel Öl aus. In Zukunft wird dies Analysen von Pira Energy zufolge noch erheblich mehr werden: Bis 2020, so die Analysten des auf die Ölbranche spezialisierten Beratungsunternehmens könnten die USA ihre Ausfuhren auf bis zu 2,25 Millionen Barrel pro Tag steigern.

Dabei konkurrieren sie mit der OPEC vor allem auf deren bislang wichtigstem Absatzmarkt – Asien. Will das Kartell hier keine Marktanteile verlieren, ist der Spielraum für Preissteigerungen begrenzt.

Ölsande und Lagerstätten in der Tiefsee halten den Preis niedrig

Für Entlastung auf dem internationalen Ölmarkt sorgen neben den USA auch Kanada und Brasilien. Angaben der staatlichen Ölaufsichtsbehörde der Sambanation zufolge, lagern vor der brasilianischen Küste Ölvorkommen, die mindestens ebenso umfangreich sind wie die Lagerstätten in den USA. Dank effizienterer Fördertechniken kann Brasilien diese Vorkommen schon bei den aktuellen Ölpreisen von unter 50 US-Dollar pro Barrel wirtschaftlich rentabel erschließen. Berechnungen der US-Bank Citigroup zufolge, kommen deshalb bis 2022 täglich bis zu eine Million Barrel Öl aus der Tiefsee zusätzlich auf den Weltmarkt.

Die durch den technischen Fortschritt erschließbaren zusätzlichen Fördermengen lassen nicht nur die Politik der OPEC verpuffen. Sie veranlassten Geologen auch dazu, die auf der Welt vorhandenen Reserven und Ressourcen des schwarzen Goldes neu zu bewerten. So gehen die Experten heute davon aus, dass in Nordamerika fünf mal so große Reserven an Erdöl lagern, als sie angenommen hatten, bevor Kanada begann, seine umfangreichen Ölsande zu erschließen. Ganze 98 Prozent der Ölreserven Kanadas lagern in derartigen Sanden. An den Ressourcen haben diese Vorkommen immerhin noch einen Anteil von 91 Prozent.

Auch die Reserven in Lateinamerika sind um das Dreifache größer, als bislang vermutet, da die Petrochemie heute die großen Schwerstölvorkommen in Venezuela verwerten kann. Schwerstöl macht rund 79 Prozent der venezolanischen Reserven und 93 Prozent der Ressourcen aus.

Genug Rohstoffreserven Erdöl

Insgesamt geht die staatliche Energiestatistikbehörde der USA, US Energy Information Administration,  davon aus, dass die derzeit bekannten und wirtschaftlich rentabel abbaubaren Ölreserven 1,72 Billionen Barrel betragen – genug, um den weltweiten Bedarf bis zum Jahr 2050 zwei Mal zu befriedigen. Angeführt von den USA mit 12,3 Millionen Barrel pro Tag, Russland mit elf Millionen Barrel und Saudi-Arabien mit 9,9 Millionen Barrel brachten sämtliche erdölfördernden Staaten nach Angaben der IEA im gesamten Jahr 2015 gut 33,6 Milliarden Barrel Öl zu Tage. Die derzeit vorhandenen Reserven wären demnach in gut 51 Jahren erschöpft.

Allerdings führten neue Fördertechniken, die Erweiterung und intensivere Ausbeutung bestehender sowie die Entdeckung neuer Ölfelder in den vergangenen 35 Jahren dazu, dass sich die weltweit vorhandenen Reserven trotz intensiver Förderung des Rohstoffs nicht erschöpft, sondern verdoppelt haben. Wie der Ölkonzern BP in seinem World Energy Outlook 2016 berichtet hat die Menschheit für jedes Barrel Öl, das sie seit 1982 verbraucht hat, zwei neue Fässer des flüssigen Goldes entdeckt. Dies wird Analysen der Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zufolge auch künftig so sein – allerdings in abgeschwächter Form. Die BGR geht deshalb davon aus, dass sich das derzeitige Förderniveau nur bis 2035 durchhalten lässt.

Peak Demand kommt vor Peak Oil

Neueste Studien zum globalen Ölverbrauch legen allerdings nahe, dass trotz des Szenarios der BGR kein Grund zur Sorge besteht und die Preispolitik der OPEC noch aus einem weiteren Grund ein Tiger ohne Zähne sein könnte. Wie der niederländische Ölkonzern Shell berechnet hat, könnte die globale Nachfrage nach dem schwarzen Rohstoff dank der intensiveren Nutzung alternativer Energieträger sowie der effizienteren Nutzung von Öl bereits ab 2021 nicht mehr zunehmen, sondern nachlassen. Beim Benzin dürfte der weltweite Höhepunkt der Nachfrage sogar schon ein Jahr früher erreicht sein. Dennoch wird die Menschheit Berechnungen des britischen Ölkonzerns BP zufolge auch im Jahr 2035 noch 700 Milliarden Barrel Öl verbrauchen.

Allerdings wird sich diese Nachfrage anders über die Welt verteilten als heute. Derzeit verbrauchen die in der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) zusammengeschlossenen Industrie- und Schwellenländer fast die Hälfte des globalen Angebots an Öl – allen voran die USA, die gut ein Fünftel des verfügbaren Öls abnehmen, gefolgt von China mit zwölf, Japan mit sechs sowie Indien und Russland mit Anteilen von je vier Prozent an der weltweiten Nachfrage. Deutschland folgte im vergangenen Jahr mit einem Verbrauch von 2,3 Millionen Barrel Öl pro Tag auf Platz neun.

Erdöl als Brennstoff

Knapp zwei Drittel der 102 Millionen Tonnen Erdöl, die Deutschland 2016 überwiegend aus Russland, Norwegen und Großbritannien importierte, verbrannten Bürger und Unternehmer dabei als Treibstoff für Autos, Lkw, Lokomotiven, Landmaschinen oder Flugzeuge. Gut 15 Prozent des eingeführten Rohstoffs diente als Brennstoff für Ölheizungen. Aus 16,5 Prozent des importierten Öls gewann die petrochemische Industrie Chemikalien für die Produktion von Kunststoffen, Kosmetika oder Medikamenten.

Ob, Gartenmöbel, Smartphone, Fernseher, PET-Flaschen, Bodenbeläge oder Kopfschmerztabletten, so gut wie jeder Gegenstand des täglichen Lebens enthält aus Erdöl gewonnene Inhaltsstoffe. Selbst Windräder würden ohne das schwarze Gold nicht laufen. Für den effizienten Betrieb einer Turbine benötigen Anlageneigner jedes Jahr 500 bis 600 Liter hochwertigen Schmieröls.

Während die Nutzung alternativer Energieträger den Erdölverbrauch der OECD-Staaten Berechnungen des Institut der Deutschen Wirtschaft Köln zufolge jedoch bis 2040 um zehn Prozent sinken lässt, werden Entwicklungs- und Schwellenländer dann fast doppelt so viel Öl verbrauchen wie heute.

Investitionsstau könnte neue Ölpreiskrise auslösen

Ausgehen wird den aufstrebenden Staaten der schwarze Rohstoff dennoch nicht. Auch vor der Preispolitik der OPEC werden sie sich nicht fürchten müssen. Doch auch ohne die Marktmacht des Kartells könnte es mittelfristig zu einer neuen Ölpreiskrise kommen, befürchtet die IEA. Denn so lange die Preise für den Rohstoff so niedrig sind wie momentan, investierten Staaten und Ölkonzerne zu wenig in ihre Förderanlagen und die Erkundung neuer Ölfelder.

Im vergangenen Jahr gingen die Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte zum zweiten Mal in Folge um 26 Prozent zurück. Seit über 70 Jahren wurden in einem Jahr nicht mehr so wenig neue Ölvorkommen entdeckt wie 2016. Halten sich Förderländer und -konzerne weiterhin derart zurück, droht eine neue Ära steigender Ölpreise, befürchtet die IEA.

Aber nicht nur das ist Auslöser von Preisschocks: Am 14. September 2019 verübten (vom Iran unterstützte) jemenitische Rebellen einen Anschlag auf zwei Raffinerien des saudischen Konzerns Suadi Aramco. Daraufhin schossen die Preise für einen Barrel der Nordsee-Sorte Brent um zehn Prozent nach oben, die US-Sorte verteuerte sich um neun Prozent. Der Ausfall wurde mit rund fünf Prozent des weltweiten Ölangebots beziffert.

 

Zusammenfassung Rohstoff Erdöl
Beschreibung: · Erdöl ist ein hauptsächlich aus Kohlenwasserstoff bestehendes in der oberen Erdkruste eingelagertes
Stoffgemisch.
· Das meiste heute geförderte Erdöl ist aus der Biomasse abgestorbener Kleinstlebewesen und Algen in urzeitlichen Meeren entstanden.
· Diese wurden durch die Überlagerung mit Sedimenten in die obere Erdkruste gedrückt, wo die in ihnen enthaltenen Kohlehydrate, Proteine und Lipide bei Temperaturen bis 60 Grad Celsius und erhöhtem Druck in langkettige, feste organische Kohlestoffverbindungen umgewandelt und das enthaltene Wasser ausgetrieben wurde.
· Bei Temperaturen zwischen etwa 60 und 170 Grad Celsius werden die so entstandenen Kerogene in Tiefen von 2000 bis 4000 Metern unter der Erde in Erdgas und flüssige Kohlenwasserstoffe – Erdöl – aufgespalten.
Verwendung: · Kraftstoff im Verkehrssektor (64%)
· Grundstoff in der chemischen Industrie (16,5%)
· Heizöl (15%)
Größte Förderländer von Erdöl 2015: · USA (12,3 Mio. Barrel/Tag)
· Russland (11 Mio. Barrel/Tag)
· Saudi-Arabien (9,6 Mio. Barrel/Tag)
· Kanada (4,3 Mio. Barrel/Tag)
· China (4,1 Mio. Barrel/Tag)
Vorhandene Reserven*: 1,72 Billionen Barrel
Vorhandene Ressourcen**: k.A.
Statistische Reichweite der Reserven: 51 Jahre
Statistische Reichweite der Ressourcen: k.A.
Recyclingquote: Zahlen zur Wiederverwertung des in Kunststoffen enthaltenen Erdöls lassen sich nicht ermitteln.
Substituierbarkeit: Als Energieträger kann Erdöl durch Erdgas, Strom oder Biomasse ersetzt werden. Als Grundstoff der chemischen Industrie ist ein Ersatz in vielen Anwendungen nicht möglich.
Jahresproduktion Erdöl 2016: 33,6 Milliarden Barrel

Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Statista, BP

*Reserven = aktuell bekannte, mit der vorhandenen Technologie rentabel ausbeutbare Vorkommen
**Ressourcen = aktuell bekannte, aber noch nicht rentabel ausbeutbare Vorkommen

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Salar de Uyuni (Bild: Gerd Mischler)

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