Wer Hilfe annimmt, zeigt Stärke. Firmen beauftragen deshalb freie IT-Profis, wenn es ihnen an den fachlichen oder personellen Kapazitäten für ein Projekt fehlt. Das ist inzwischen immer häufiger der Fall. Im vergangenen Jahr konnten Arbeitgeber in Deutschland 82.000 Stellen nicht mit Programmierern, Anwendungsbetreuern oder im Projektmanagement besetzen, weil sie auf dem Arbeitsmarkt keine geeigneten Mitarbeiter fanden. Damit blieben 49 Prozent mehr Stellen vakant als ein Jahr zuvor, meldet der IT-Branchenverband Bitkom. Keine guten Vorzeichen für eine digitale Transformation.
IT-Freelancer leisten ein Viertel aller Projektarbeitsstunden
Zwei von drei Firmen mussten deshalb Projekte verschieben, ergab eine Studie des Markforschungsunternehmens Techconsult. „Jede offene Stelle bedeutet einen Verlust“, bestätigt auch Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Einen Verlust an Wertschöpfung, ein Weniger an Innovationen.“
Sowohl Konzerne als auch KMU reagieren auf den Fachkräftemangel immer häufiger, indem sie Externe mit Dienstleistungen beauftragen. Für Sieben von zehn Unternehmen hat die Entlastung durch Freiberufler große Bedeutung, für ein Viertel sogar sehr große, ergab eine Umfrage des Bitkom. Weiteres Ergebnis: Freie stemmen inzwischen in jedem vierten IT-Projekt ein Viertel der anfallenden Arbeitsstunden.
Einkauf schließt mehr als jeden fünften Vertrag mit IT-Freelancern
Mehr als jeden fünften IT-Freiberufler beauftragt der Einkauf. Nur in fünf Prozent der Fälle tut dies die Personalabteilung, so eine Studie des Personaldienstleisters GULP. Dabei wäre eine enge Abstimmung der Bereiche Einkauf und Human Ressources bei der Zusammenarbeit mit Freelancern extrem wichtig.
Denn wer IT-Dienstleistungen einkauft sollte in seiner Projektausschreibung (mehr Infos dazu im Kasten) nicht nur die anstehende Aufgabe sowie die Anforderungen an den Kandidaten präzise beschreiben und in Verhandlungen ein angemessenes Honorar aushandeln. Damit der beauftragte Profi dem Unternehmen den größtmöglichen Nutzen bringt, muss er ihm auch gute Arbeitsbedingungen bieten.
„Der selbstbewusste Freiberufler weiß, was er kann und was er wert ist“, gibt Daniela Kluge, Bereichsleiterin Portal und Projekte bei GULP, zu bedenken. Deshalb ist auch die Personalabteilung gefragt. Sie kann mehr dafür tun, Freelancern die optimalen Bedingungen zu bieten, als der Einkauf.
Was kosten IT-Dienstleistungen?
Doch was kostet der Einkauf von IT-Dienstleistungen eigentlich und welche Arbeitsbedingungen wünschen sich die Externen? Aus Sicht der freiberuflichen Profis beantwortet dies die von GULP jedes Jahr unter über 1.000 Freien durchgeführte Umfrage „New Work Kompendium“.
Danach rechneten freie IT-Profis 2018 im Schnitt 93 Euro netto inklusive Spesen und Reisekosten ab. Das waren 16 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Die Spanne der Stundensätze reichte dabei von unter 50 bis zu über 200 Euro.
Ein Viertel arbeitet bis zu 40 Stunden die Woche für einen Auftraggeber, 36 Prozent sogar bis zu 50 Wochenstunden. Rechnen sie den durchschnittlichen Stundensatz ab, schreiben sie ihren Kunden also 3574 Euro die Woche auf die Rechnung. Am Monatsende sind es fast 14.300 Euro.
Viel Geld, zumal jeder vierte Freelancer bis zu zwei Jahre in einem Projekt tätig ist. Nur ein Fünftel der Unternehmen schließt diese in maximal einem halben Jahr ab.
Nur jeder fünfte IT-Freelancer ist überhaupt verfügbar
Die Kosten für die freien Profis steigen künftig weiter. Im Schnitt wollen IT-Freelancer beim nächsten Projekt 99,63 Euro oder sieben Prozent mehr abrechnen. Sie haben gute Chancen, dies auch durchzusetzen. Denn freie Experten sind begehrt. Aktuell sucht nur jeder Fünfte nach einem neuen Auftraggeber, 78 Prozent sind dagegen in einem Projekt gebunden, 40 Prozent haben sogar schon den Vertrag für ihren nächsten Auftrag unterschrieben.
Allerdings bauen zwei von drei Freiberuflern auch einen Puffer von bis zu zehn Prozent in ihre Honorarforderung ein. Jeder fünfte Freelancer geht sogar mit einem Angebot in Verhandlungen, das 20 Prozent über dem liegt, worauf er sich gerne einigen möchte.
Was ist Externen wichtig in Projekten?
Für drei von vier Freiberuflern ist die Höhe des Stundensatzes das wichtigste Kriterium, nach dem sie ein Projekt auswählen. Für 60 Prozent der freien Experten hat dagegen der Spaß an der Arbeit Vorrang. Jeder zweite Teilnehmer der GULP-Studie möchte, dass ihn seine Arbeit herausfordert, fast ebenso viele wollen selbstbestimmt arbeiten.
Nicht minder wichtig ist Freiberuflern, dass sie vertrauensvoll mit Kunden zusammenarbeiten können, diese offen kommunizieren und regelmäßig Feedback geben. Mehr als ein Drittel der Umfrageteilnehmer wünscht sich von ihren Auftraggebern zudem Unterstützung bei der Integration in das Team und die Prozesse im Unternehmen.
Optimale Arbeitsbedingungen schaffen
Für einen reibungslosen Start mit externen Spezialisten gehört ein gutes Management dazu. So sollten die internen Mitarbeiter rechtzeitig über den Einsatz des Freelancers informiert werden. Auch Aufgaben und Kompetenzen sollten klar abgesteckt werden.
Auf Seiten des Freien erleichtert es die Einarbeitung enorm, wenn ein fixer Ansprechpartner aus dem Unternehmen definiert ist, der Informationspakete zur Verfügung stellt und für Fragen da ist. Die Personalabteilung kann diese Hilfe besser leisten als der Einkauf. Die Personaler sollten in Abstimmung mit den Systemadministratoren auch sicherstellen, dass der Mitarbeiter auf Zeit vom ersten Arbeitstag an auf alle für ihn wichtigen Arbeitsmittel zugreifen kann.
Auch die richtige Teamzusammensetzung ist das A und O. Große und komplexe Projekte erfordern Projektmanagement und geballtes Know-how, das selten mit einigen wenigen abgedeckt werden kann. Gemischte Teams aus internen Mitarbeitern und externen Spezialisten verfügen über einen breiten Wissens- und Erfahrungsschatz. Hier können Insider mit externen fachlichen Spezialisten zu einem echten Erfolgsteam kombiniert werden.
So schreiben Sie IT-Projekte richtig aus
Wer vorab überlegt, was er von einem freien IT-Profi erwartet, und seine Anforderungen in der Ausschreibung der Stelle präzise formuliert, verhindert Missverständnisse und wird später nicht enttäuscht. Folgendes sollte eine gute Projektausschreibung enthalten:
- eine präzise Beschreibung der zu erledigenden Aufgabe
- welche Verantwortung er übernehmensoll, welche Funktion er übernimmt (Interim Manager?)
- das dafür geforderte Know-how
- die gewünschten Softskills – etwa Teamfähigkeit, Präsentationssicherheit oder Erfahrungen in der Beratung von Kunden,
- eine genaue Beschreibung der Rahmenbedingungen – zum Beispiel der Arbeitsort, die Home-Office-Regelung, die Größe des Teams oder die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Infrastruktur,
- die Hardware und Programmiertools, die der Freelancer mitbringen soll
- welche agilen Methoden er beherrschen soll
- eventuell zu beachtende rechtliche Rahmenbedingungen.
Rechtliche Rahmenbedingungen beachten
Haben sich Auftraggeber und Freiberufler gefunden und sind sich handelseinig, gibt es für die vertragliche Abwicklung grundsätzlich zwei Möglichkeiten: einen Dienstleistungsvertrag oder einen Werkvertrag. Welche Variante sinnvoll ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Die zu beachtenden gesetzlichen Vorgaben können sich von Vertrag zu Vertrag unterscheiden – zu unterschiedlich sind Projektinhalte und individuelle Voraussetzungen.
Geklärt werden sollten auch die Punkte Haftung, das Honorarmodell und die konkreten Rahmenbedingungen innerhalb des Projekts. Es verbietet sich zum Beispiel, Arbeitszeiten strikt vorzugeben oder die obligatorische Anwesenheit bei Besprechungen einzufordern. Denn Freie sind auch beim Kundeneinsatz selbstständige Unternehmer, die nicht zu tief in die Unternehmensprozesse eingebunden werden sollten – sonst kann der Verdacht der Scheinselbstständigkeit entstehen.
Teures Risiko - Scheinselbständigkeit!
IT-Einkäufer sollten auch bei der Gestaltung des Vertrags mit dem externen Profi eng mit der Personalabteilung zusammenarbeiten. Denn dort sitzen Fachleute für Arbeitsrecht. Deren Know-how braucht es, um sich bei einer Überprüfung des Beschäftigungsverhältnisses durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) nicht dem Vorwurf auszusetzen, der Freiberufler sei nur zum Schein selbständig.
Da die freien Spezialisten in agilen Projekten oft eng in die Kommunikationsstrukturen und Prozesse im Unternehmen eingebunden sind und aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen meist in den Räumen und mit der Hardware des Auftraggebers arbeiten, entsteht für die Prüfer schnell der Verdacht, es handle sich bei dem Freelancer eigentlich um einen festangestellten Mitarbeiter, für den das Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge hinterzieht.
Seit 2007 ist die Zahl der Prüfungen durch die DRV um 35 Prozent gestiegen. Dabei hat sich der Anteil der Freelancer verdoppelt, denen die DRV abspricht, selbständig zu sein. Auftraggeber zahlen in diesen Fällen Renten- und Krankenkassenbeiträge in horrender Höhe nach. Wer die Hilfe der Personaler annimmt, um dieses Risiko zu vermeiden, zeigt als Einkäufer echte Stärke.
Wer bei der Beauftragung und Zusammenarbeit mit Freelancern auf Offenheit, Fairness und einen Dialog auf Augenhöhe setzt, wird nur profitieren. Denn die Experten sind dann noch viel lieber eine willkommene Entlastung, Bereicherung und vor allem die Innovationstreiber im Unternehmen.