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Feilschen im Einkauf: Ein Zeichen von Schwäche?

Herr Altmannsberger, woran liegt das Ihrer Meinung nach, dass der Einkauf immer noch nicht den Stellenwert in den Unternehmen einnimmt, wie er sollte?

Altmannsberger: Es gibt mehrere Gründe, die, je nach Unternehmen, für die geringe Aufmerksamkeit verantwortlich sind: Der häufigste ist die, meiner Meinung nach, viel zu starke Priorisierung anderer Abteilungen – insbesondere Marketing und Verkauf. Diese Abteilungen sind oftmals mit sehr starken Charakteren besetzt, die eine besonders gute Selbstdarstellung leben. Schon in meiner Zeit als Azubi lernte ich den Verkauf so kennen: Der Auftragseingang wurde sofort per Telefon von unterwegs verkündet – Bier und Brezeln bestellt – und sofort bei Rückkehr gefeiert. So haben Verkäufer sich über die Jahrzehnte ins Rampenlicht gerückt, und alljährlich wird in vielen Firmen der Verkauf für seine Erfolge gelobt und mit Pokalen und Trophäen ausgezeichnet.

Und im Einkauf…

Im Einkauf hingegen werden viel leisere Töne gespielt. Einkäufer gehen nicht mit den eigenen Leistungen hausieren. Prahlen mit „guck mal, ich hab was gekauft!“ ist vielen von ihnen fremd und unangenehm, Belobigungen werden nicht offensiv eingefordert. Die Arbeit wird erledigt – Punkt. Wenn man Anerkennung sucht, dann im Gespräch mit dem Lieferanten, indem man diesen zu Zugeständnissen bewegt und sich selbst rechtfertigt. Von der Geschäftsführung werden die Erfolge ohnehin nur selten gewürdigt.

Die Geschäftsführung müsste sich aber doch von den Zahlen überzeugen lassen.

In der Wahrnehmung der Geschäftsführung sind die Leistungen des Einkaufes eher nichts Außergewöhnliches. Einkaufen kann doch jeder, macht ja auch jeder beim Rewe/Edeka/Aldi/Lidl an der Kasse, so die verbreitete Meinung. Aber es stimmt, langsam ist ein Wandel erkennbar, und die Wertigkeit des Einkaufes setzt sich in den Köpfen der Geschäftsführer durch – auch ohne Pfauenkleid, seriös, selbstverständlich, kaufmännisch. Denn jeder Euro, den der Einkauf spart, landet direkt in der Geldbörse des Inhabers. Nicht durch Eigenmarketing, sondern durch profitable Verhandlungen arbeitet sich der Einkauf in die Profit-Herzen der Unternehmen. Je enger die Margensituation wird und je härter der Wettbewerb auf der Verkaufsseite ist, umso besser wird der Mehrwert eines guten Einkaufes dabei wertgeschätzt. Es wird immer klarer: Ohne den Beitrag des Einkaufes ginge bei vielen Unternehmen direkt das Licht aus.

Professionelle Verhandlungen, insbesondere auch Einkaufs- oder Preisverhandlungen haftet oft der Ruch des ‚Feil­schens‘, des ‚Über-den-Tisch-ziehens‘ an. Was sagen Sie als Verhandlungstrainer und Experte für Verhandlungsführung dazu?

Zunächst grundsätzlich zu ‚Über-den-Tisch-ziehen‘: Das ist unprofessionell und kurzfristig gedacht. Und zum Feilschen – also gegenseitig in kleinen Schritten aufeinander zugehen: Solange eine Vertragspartei noch eine bessere Alternative hat, ist Feilschen weder nötig noch sinnvoll. Aus meiner Sicht ist Feilschen ein Zeichen der Schwäche und steht erst zum Ende einer Verhandlung auf dem Plan – wenn überhaupt. Denn dem Feilschen gegenüber stehen viele professionelle Verhandlungswerkzeuge. Das vorherrschende Ziel des Einkäufers ist es, das maximal Mögliche herauszuholen. Also das herauszuholen, womit der Andere gerade noch einverstanden ist. Überschreiten wir diese Linie, wird die Gegenseite ihrerseits versuchen, durch Tricks den Auftrag wieder in den akzeptablen Bereich zu ziehen. Wenn dann beide Seiten nur darauf aus sind, den anderen hinters Licht zu führen, ist die Verhandlung zum Scheitern verurteilt.

Sie sind der Auffassung, dass Einkäufer die Frage nach dem ‚warum?‘, beispielsweise bei einer Preiserhöhung, vermeiden sollten. Aus welchem Grund? Und welche Formulierungen sind  zielführender?

Es ist immer geschickter, nach dem Weg zum Ziel zu fragen anstatt nach der Herkunft des Problems. Denn mit den Gründen kann der jeweilige Verhandlungspartner oder Verkäufer seine Preise beziehungsweise sein Vorgehen rechtfertigen. Sie fragen: „Warum Preiserhöhung?“ und erhalten Argumente, die Ihr Ziel behindern. In der Folge müssen Sie eine 180-Grad-Kehrtwende machen, die Hindernisse beiseite räumen, streifen dann an der neutralen Position vorbei (die Sie hatten, bevor Sie nach dem Warum fragten), um sich nun – viel später – in Richtung Ziel zu bewegen. Das Warum ist also nur ein Umweg, der Kraft und Zeit kostet.

 

4 Strategien: So verhandeln Sie richtig

  1.  Stets einen Plan B fertig in der Tasche haben. Dann traut man sich aus dem Schneckenhaus.
  2.  Ersetzen Sie „OK“ durch „Puh“. Mit „OK“ geben Sie Verhandlungsmasse ungenutzt aus der Hand. Mit „Puh“ legen Sie diese Masse in die Waagschale.
  3. Verstehen Sie die Insel des Anderen! Wenn das Areal möglicher Abschlüsse der Gegenseite eine Insel ist, dann sollten Sie diese gut kennen. So können Sie dann an den äußersten Rand gehen, ohne nasse Füße zu bekommen oder gar zu ertrinken.
  4. Geht nicht – gibt’s nicht! Mit einer motivierten Einstellung stehen Ihnen viele Wege offen. Gehen Sie davon aus, dass es immer eine Lösung gibt, die beiden Parteien gefällt! Suchen Sie gemeinsam danach.

 

Das Interview führte Kathrin Irmer

Bild: Urs Altmannsberger

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