Kuka-Roboter in der Produktionshalle

Ist die Talsohle in der Industrie durchschritten? (Bild: Kuka Group)

Die nachlassende Nachfrage aus dem Ausland hat in Verbindung mit der schwächelnden Automobilindustrie der deutschen Industrieproduktion auch im Juni weiter zugesetzt. Das belegen die aktuellen Umfrage-Ergebnisse zum IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI).

Mit 45,0 Punkten notierte der wichtige Frühindikator für das Verarbeitende Gewerbe der größten Volkswirtschaft Europas i zwar über dem Mai-Wert (44,3), verharrte damit aber weiter auf einem der tiefsten Werte seit 2012. Bereits den sechsten Monat in Folge liegt der PMI unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten, teilte der englische Finanzdienstleister IHS Markit mit.

„Auf den ersten Blick zeichnen die aktuellen EMI-Daten nach wie vor ein eher negatives Bild des deutschen Industriesektors. Obwohl die Produktionsrate der Industrie weiter geschrumpft ist, gibt es aber auch wieder positive Tendenzen“, betonte Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) am Mittwoch in Eschborn. So konnten sich die EMI-Teilindizes für Auftragseingang, Exportneugeschäft und Beschäftigung von den Tiefs der vergangenen Monate leicht erholen. „Erfreulich für unsere Einkäufer ist zudem, dass die Beschaffungspreise im Juni aufgrund von Preisnachlässen der Lieferanten erneut gesunken sind“, fügte Grobosch hinzu.

Probleme macht das exportabhängige Gewerbe

„Die internationalen Handelskonflikte und die Probleme im Automobilsektor belasten noch immer die deutsche Industrie. Entsprechend schwach zeigt sich weiterhin der EMI“, kommentierte Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen die aktuellen EMI-Daten. Die Hoffnungsschimmer würden jedoch deutlicher, insbesondere in der Konsumgüterindustrie. Während der Außenhandel auch in diesem Jahr kaum zum Wachstum beitragen sollte, würde das deutsche BIP starken Rückenwind vom Konsum und Bau erhalten. „So ist ein Wachstum von rund 1 Prozent möglich“, teilte die Helaba-Bankdirektorin mit.

„Die Alarmsignale in der deutschen Wirtschaft nehmen zu. Zahlreiche Belastungsfaktoren, vom internationalen Handelsstreit über den Brexit und Italien hin zur allgemeinen globalen Abschwächung lassen die Unternehmen kritisch in die Zukunft schauen“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Der Ausgangspunkt für die Probleme in der deutschen Wirtschaft sei das eher exportabhängige verarbeitende Gewerbe. Aber je länger die außenwirtschaftliche Schwäche anhalte, desto stärker fresse sie sich in die Binnenwirtschaft durch.

„Die Luft wird dünner in der deutschen Industrie. Vor allem die Unsicherheiten im internationalen Handel machen sich in den Auftragsbüchern der Betriebe bemerkbar“, teilte DIHK-Außenwirtschaftsexperte Kevin Heidenreich mit. Laut dem AHK World Business Outlook schränkten wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Handelsbarrieren die Geschäfte deutscher Unternehmen im Ausland immer mehr ein. Der zunehmende Protektionismus sorge für eine Abkühlung der Weltwirtschaft und das drücke auf die stark exportorientierte deutsche Konjunktur. „Neue Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten oder Vietnam sind für deutsche Unternehmen deshalb ein wichtiger Schritt hin zu mehr Zuverlässigkeit im Welthandel“, so Heidenreich.

Trendwende bei Rohstoffpreisen in Sicht

Zur jüngsten Entwicklung des EMI sagte Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG: „Eine ganze Reihe von metallischen und energetischen Rohstoffen haben sich zuletzt zwar nochmals verbilligt, für die zweite Jahreshälfte ist jedoch mit einer Trendwende im Preisniveau zu rechnen. Bei einigen Metallen hat sich der Abbau der Bestände kräftig fortgesetzt und es zeigen sich für das laufende Jahr Angebotsdefizite ab, wie bei Aluminium, Zink oder Kupfer.“ Dies könnte den Preisen einen Aufwärtsschub verleihen. Bei Rohöl hingegen hänge bei derzeit insgesamt guter Versorgung viel von der weiteren Beruhigung der geopolitischen Konflikte in der Golfregion ab. „Daher sind bei Rohöl auch weitere temporär hohe Ausschläge möglich“, prognostizierte Büchner.

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Industrieproduktion: Die Produktionsrate der Industrie schrumpfte im Juni den fünften Monat in Folge. Das Minus fiel etwas stärker als im Vormonat – aber schwächer als im März und April – aus. Der aktuelle Rückgang ging hauptsächlich auf die kräftige Schrumpfung des Vorleistungsgüterbereichs zurück. Demgegenüber standen die Hersteller von Konsumgütern, die deutliche Zuwächse in der Produktion verzeichneten.

Auftragseingang insgesamt/Export: Das geringere Produktionsniveau im verarbeitenden Gewerbe ist auf den rückläufigen Auftragseingang zurückzuführen. Hier schlug im Juni bereits das neunte Minus in Folge zu Buche, das ein Großteil der Befragten der schwächeren Auslandsnachfrage, der strauchelnden Autoindustrie sowie der anhaltenden Unsicherheit unter den Kunden zuschrieb.

Immerhin verbesserte sich der saisonbereinigte Index „Auftragseingang insgesamt“ zum dritten Mal hintereinander und notierte auf dem höchsten Stand seit Januar. Der saisonbereinigte Index „Exportaufträge“ blieb auch im Juni unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten. Damit ging die Nachfrage aus dem Ausland den zehnten Monat hintereinander zurück. Wie beim Gesamt-Auftragseingang verbesserte sich der Index leicht auf den nun höchsten Wert seit Januar. Alle drei von der Umfrage erfassten Teilbereiche meldeten weniger Exportaufträge, wobei der Vorleistungsgüterbereich das größte Minus verzeichnete.

Beschäftigung: Auch im Juni setzte sich der Personalabbau bei den deutschen Industrieunternehmen fort. Zwar verbesserte sich der saisonbereinigte Index „Beschäftigung“ etwas im Vergleich zum annähernden 6,5-Jahrestief im Mai, blieb aber erneut und damit zum vierten Mal in Folge unter der Referenzlinie von 50,0 Punkten.

Das Gros der Firmen, die ein niedrigeres Beschäftigungsniveau meldeten, gab an, Zeitverträge nicht verlängert beziehungsweise Stellen von altersbedingt ausgeschiedenen Kollegen nicht nachbesetzt zu haben.

Einkaufs-/Verkaufspreise: Nach dem ersten Rückgang seit fast drei Jahren im Mai fielen die Einkaufspreise im verarbeitenden Gewerbe im Juni sogar noch stärker. Wie einige Umfrageteilnehmer berichteten, gewährten viele Zulieferer vor dem Hintergrund der schleppenden Nachfrage Preisnachlässe. Daneben wurde vielfach auch der niedrige Stahlpreis als Grund für den Rückgang der Einkaufspreise genannt. Im Juni hielten sich die Unternehmen mit Preiserhöhungen zurück.

So blieb der Teilindex „Verkaufspreise“ unverändert zum Mai-Wert, womit die seit September 2016 anhaltende Phase steigendender Verkaufspreise vorerst ihr Ende fand. Der starke Wettbewerb und die geringeren Kosten im Einkauf veranlassten viele Hersteller ihren Kunden Rabatte anzubieten.

Jahresausblick: Der Index „Jahresausblick“ kehrte im Juni erstmals nach neun Jahren wieder in den grünen Bereich zurück, wenngleich der Index deutlich unter dem historischen Durchschnitt der Serie (seit Juli 2012) blieb. Die neuerliche Zuversicht ist vor allem auf die bessere Stimmung unter den Herstellern von Konsumgüterartikeln und Investitionsgütern zurückzuführen.

Weltweit steigt die Stimmung

Blickt man auf die weltweite Stimmung, geht es für den wichtigen Wirtschaftsindikator stärker bergauf als in Deutschland. sowohl in den USA als auch in Brasilien und Großbritannien - drei stark von der Pandemie betroffene Staaten - drehte die Stimmung im Juni über die 50-Punkte-Marke. In Russland und Indien verharrte der EMI - wie in Deutschland - noch unter der 50-Punkte-Schwelle, zeigt aber ebenfalls aufwärts.

Grafik zum Einkaufsmanagerindex in 6 ausgewählten Ländern - USA, Brailien, Russland, Indien, Großbritannien und Deutschland - eltweit
Weltweit springt der EMI in einigen Ländern sogar bereits über die 50-Punkte-Marke. (Grafik: Statista)

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