Der größte Teil des Frachtverkehrs rollt nach wie vor über die Straße. So machte die Binnenschifffahrt in Deutschland 2018 nur 46,9 Milliarden Tonnenkilometer aus, beim Straßenverkehr waren es 506,9 Milliarden Tonnenkilometer. Die Bahn kam auf gerade einmal 130 Milliarden Tonnenkilometer. Die Verhältnisse haben sich auch ein Jahr später nicht gravierend verändert.
Das heißt aber auch: Die Deutsche Bahn fährt mit DB Cargo seit Jahren Verluste in der Gütersparte ein. Allerdings verhilft die Corona-Pandemie einer ganz bestimmten Bahnstrecke jetzt zu ungeahnter Popularität: der zwischen Europa und China.
Fuhren 2019 von rund 9.000 Züge, waren es im letzten Jahr 12.000 mit insgesamt 200.000 Containern an Bord. Laut der für den Güterverkehr zuständigen Vorständin Sigrid Nikutta rechne die Bahn damit, zur Mitte der 2020er-Jahre die Marke von einer halben Million Containern zu knacken.
Die auf der Strecke beliebtesten Materialien sind zurzeit Schutzmasken, aber auch Elektronik, Kühlmittel und Autoteile. In diesem Jahr sollen Akkus für E-Autos, aber auch komplette Elektroautos hinzukommen.
Chinastrecke sei 2008 im Einsatz
In Betrieb genommen hatte die Bahn die erste Strecke zwischen Deutschland und China im Jahr 2008. Heute fahren Züge von Hamburg und Duisburg nach Chongquing, Xi'an, Hefei und Zhengzhou. Pro Woche sind zehn Rundläufe auf der rund 11.000 Kilometer langen Strecke unterwegs.
Aber auch andere Logistiker haben die Strecke für sich entdeckt: Seit Mai 2020 setzt DHL Global Forwarding zwei Ganzzüge auf der neuen Seidenstraße ein. Eine der Verbindungen startet laut DHL vom BASF-Standort in Ludwigshafen und führt über Polen, Weißrussland, Russland und Kasachstan nach Xi’an.
Die zweite ist eine Express-Verbindung von Neuss über Kaliningrad nach Xi’an. Die Laufzeit für den Gütertransport verringere sich dadurch auf zwölf Tage. In umgekehrter Richtung, also von China nach Deutschland, bietet DHL Forwarding bereits seit längerem Züge an.
Wiederum andere Logistiker, wie CFR Rinkens haben die Strecke von China in Richtung Deutschland während der Corona-Pandemie neu entdeckt. Der Transportlogistiker setzte erstmals einen westwärts fahrenden Ganzzug für die Beförderung von Autos ein.
Routen auf der neuen Seidenstraße
Ist die Rede von der Neuen Seidenstraße, meinen Experten die Möglichkeit, Waren über Land von Europa nach China zu bringen - und umgekehrt. Dabei gibt es nicht nur eine Strecke, sondern mehrere.
1. Transsibirische Route (TSR): Sie verbindet Nord-China (Peking und Jinzhou) über die Mongolei und Russland mit Weißrussland und Polen sowie Deutschland (Duisburg, Hamburg). Von dort aus ist auch das restliche Westeuropa angeschlossen (unter anderem Rotterdam, Madrid, Marseille, Wien). Ab Moskau gibt es zudem Anschlüsse an das Baltikum und Finnland.
2. TRACEACA: Diese Route verbindet West- und Osteuropa (Prag, Wien, Budapest) über die Türkei und die Länder um das Schwarze Meer und das Kaspische Meer mit China (Urumqi und X'ian). Sie teilt sich in der Türkei auf. Eine Strecke führt über Iran und Taschkent, die andere durch Aserbaidschan und Armenien über das Kaspische Meer. Erst kurz vor der chinesischen Grenze treffen die beiden Arme wieder aufeinander.
3. Central Corridor Route (CCR): Diese Verbindung liegt zwischen der TSR und der TRACECA. Sie führt von X'ian über Urumqi und Astana nach Moskau. Zwischen letzteren Städten gibt es zwei Routen.
Schiene wird attraktiver im China-Geschäft
Insgesamt könnte der Schienenverkehr im Frachtverkehr zwischen Europa und China als Gewinner hervorgehen. Das zumindest deutet die Studie „The Future Potential of the New Silk Rail Roads“ des niederländischen Beratungsunternehmens BCI Global an.
Danach gewinnt der Schienenverkehr im China-Europa-Verkehr auf der Neuen Seidenstraße weiter an Bedeutung. Während die Seefracht zwar als kostengünstig, jedoch langwierig gilt und die Luftfracht zwar schnell, aber teuer ist, wird die Schiene zur soliden Alternative.
Laut der Untersuchung haben Eisenbahnverbindungen auf der Neuen Seidenstraße in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent an Volumen und um 100 Prozent an Warenwert zugelegt. Aktuell seien rund 150 Züge pro Woche unterwegs. Sie pendeln zwischen 30 europäischen Destinationen und 16 Regionen in China.
Nach Angaben von BCGI Global werde der Anteil des Schienengüterverkehrs am Gesamttransportvolumen des China-Europa-Handels in den kommenden zehn Jahren auf drei bis fünf Prozent ansteigen. Aktuell liegt er bei einem Prozent.
Die Studie von BCI Global wurde in Zusammenarbeit mit dem AEW-Investmentfonds Logistis durchgeführt. Dabei wurden 30 Nutzer von China-Europa-Verbindungen befragt: 17 Hersteller aus den Branchen Automotive, Maschinenbau und Elektronik sowie 13 Logistikdienstleister.
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