Containerschiff vor dem Felsen von Gibraltar

Die Straße von Gibraltar gilt als eine der kritischen Engpassstellen in der weltweiten Versorgung per Seefracht. (Bild: Alexey Seafarer - stock.adobe.com)

Am frühen Morgen des 23. März 2021 konnten Anwohner des Suezkanals etwas Besonderes beobachten. Das 400 Meter lange Containerschiff Ever Given begann, sich auf der Wasserstraße langsam zu drehen und bohrte schließlich seinen Bug in das sandige Ufer des Suezkanals. Damit endete die Fahrt von China in die Niederlande vorerst, nichts ging mehr. Und zwar auf den kompletten 193 Kilometern des Meerwasserkanal in Ägypten. Sechs Kilometer nordöstlich der Stadt Suez, der südlichen Zufahrt zum Suezkanal, steckte die Ever Given fest und bewegte sich sechs Tage lang keinen Zentimeter von der Stelle.

Erst mithilfe der Profis des niederländischen Bergedienstes Smit Salvage und einer Vollmondflut gelang es, den Containerriesen freizubekommen und den Suezkanal wieder schiffbar zu machen.

Wir haben die wichtigsten Engstellen und Passagen zusammengestellt, die - aufgrund von Unfällen oder politischen Unsicherheiten - eine Herausforderung für Reeder, Schiffbesatzung und nicht zuletzt die Wirtschaft sind.

Dramatische Folgen der 6-Tage-Blockade des Suezkanals

Die Folgen dieses fast einwöchigen Kanalinfarktes waren immens: Das wohl sichtbarste Zeichen waren die mehr als 350 Schiffe, die sich an den Zufahrtsstellen Port Said im Norden und Port Taufiq im Süden, stauten. Darunter waren Containerschiffe und Tanker auf dem Weg von Asien nach Europa und umgekehrt.

Einer Kalkulation des Informationsdienstes Lloyd’s List zufolge kostet die Blockade die Weltwirtschaft aufgrund der Verzögerung von Waren rund 400 Millionen US-Dollar pro Stunde. Auch der Ölpreis reagierte empfindlich auf die Nachricht der feststeckenden Tanker und schoss zeitweise in die Höhe.

Ein weiterer Effekt: Durch den Stau verstärkte sich zudem der weltweite Mangel an Containern. Die Blockade-Woche hat die Menge der verfügbaren Container in Asien und Europa um 25 Prozent reduziert, hatte der Dienstleister Container X-Change berechnet. Die Container, die im Suezkanal feststeckten oder sich auf dem Weg um Afrika herum befanden, kamen später in Europa an und natürlich auch noch später in China.

Nachgelagerte Probleme betreffen die Zielhäfen. In Europa waren die großen Häfen wie Rotterdam oder Hamburg betroffen. An dem Tag, an dem das Containerschiff „Ever Given“ wieder flottgemacht wurde, standen etwa 60 Schiffe in der Schlange, um über den Suezkanal nach Rotterdam fahren. Bei diesen 60 Schiffen handelte es sich um 56 Containerschiffe, drei Tanker und einen Autotransporter.

An regulären Tagen fertigt der Rotterdamer Hafen durchschnittlich 80 Seeschiffe ab. Allerdings kommen nur gut zehn Prozent dieser Schiffe nach Angaben des Hafenbetriebs über den Suezkanal. Ein weiterer Stau war also vorprogrammiert.

 

Was hat die Ever Given quergelegt?

Hieß es zunächst, der Wind hätte die Ever Given von ihrem Kurs abgebracht, steht mittlerweile fest, welches Phänomen das Schiff aus der Bahn warf: Ein simples physikalisches Gesetz, das den sogenannten Bank Effect zur Folge hatte.

Nähert sich ein großes Schiff in einem engen Kanal dem Ufer, wird auf dieser Seite der Raum für die verdrängten Wassermassen weniger. Die Folge: Das Wasser strömt schneller zwischen Schiffswand und Ufer hindurch, was den Druck im strömenden Wasser abnehmen lässt. Die unterschiedlichen Druckverhältnisse auf beiden Seiten drehen das Schiff aber unweigerlich. Im Fall der Ever Given hieß das: Das Schiff gierte im Uhrzeigersinn, sodass sich der Bug in das Ostufer bohrte und das Heck am Westufer auf Grund lief. Eine Drehung von lediglich 20 Grad reichte demnach aus, um dem Flaschenhals einen Pfropf zu verpassen.

Doch der Suezkanal ist nicht der einzige Engpass auf der Welt. Vor allem auf der am meisten befahrenen Transportroute von Nordeuropa über das Mittelmeer, den Nahen Osten nach Asien lauern viele sogenannte Chokepoints. Stellen also, die für die internationale Schifffahrt mindestens unangenehm, wenn nicht sogar hochrisikoreich sein können. So wurde beispielsweise am 12.Dezember 2023 ein norwegischer Öltanker mit einer Rakete beschossen. Nur kurz zuvor, am 16. November, kaperten Huthi-Rebellen das unter der Flagge der Bahamas fahrende Frachtschiff Galaxy Leader und schleppten es vor der Küste Jemens. Bis heute (14.12.23) kann das Schiff nicht auf seiner geplanten Route Richtung Indien weiterfahren. Wo kann es also noch zu einem solchen Logistikinfarkt kommen? In unserer Bildergalerie finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Nadelöhre für Frachter und Tanker.

Zoomen Sie rein: Interaktive Karte des weltweiten Schiffsverkehrs

Dürre im Panamakanal

Ein weiteres Bottleneck ist die Querung von Mittelamerika durch den Panamakanal. Ihm geht langsam, aber sicher das Wasser aus. Die ersten Berichte kamen im Sommer 2023 auf, als eine ungewöhnliche Dürre die künstlich angelegte Fahrrinne zwischen Atlantik und Pazifik immer schlechter passierbar machte. Zeitweise warteten rund 200 Schiffe an den Einfahrten zu den Kanalschleusen. Die Folgen: weniger Schiffe, höhere Kosten. Alle Informationen zur Situation finden Sie hier.

Portrait Dörte Neitzel Redakteurin Technik+Einkauf
(Bild: mi connect)

Die Autorin: Dörte Neitzel

Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.

Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.

Containerschiff in einer Schleuse des Panamakanals
Eine der wichtigsten künstlichen Seestraßen ist der Panamakanal. Das Besondere: Er führt über eine Hügelkette. (Bild: gladchenko - stock.adobe.com)

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