Raffineriegelände

Erdöl und Erdgas wird als immernoch Grundstoff benötigt. Ein Embargo wäre aber auch die Chance für erneuerbare Energien. (Bild: industrieblick - stock.adobe.com)

Der Krieg in der Ukraine trifft die deutsche Wirtschaft hart. „Es gibt fast kein Unternehmen, das nicht davon berührt ist“, sagte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) bei der Präsentation der BME-Umfrage „Der Einkauf im ‚JETZT‘ – Krisenmanager, Versorgungsgestalter, Zukunftsmacher“.

Kritische Entwicklung

„Den aktuellen Ergebnissen zufolge erwarten 98 Prozent der befragten Firmen negative wirtschaftliche Auswirkungen auf ihre Geschäfte. Mehr als ein Viertel von ihnen sieht die eigene Entwicklung sogar als kritisch an. In den Unternehmen steht insbesondere der Einkauf vor großen Herausforderungen“, fügte BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov hinzu. So seien dort fast 50 Prozent der Rohstoff- und Energieversorgung sowie über 20 Prozent der Logistik und Produktion von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges negativ betroffen. Über zwei Drittel der Befragten spürten einen wachsenden Druck auf ihre Lieferketten; einige Firmen davon berichteten bereits von massiven Beeinträchtigungen.

81 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie die westlichen Sanktionen gegen Russland direkt spüren. „Das Geschehen in der Ukraine führt zu einem Exodus deutscher Unternehmen in Russland. Nur sieben Prozent der teilnehmenden Unternehmen sehen Russland als Beschaffungsmarkt. Als Absatzmarkt ist es für 21 Prozent noch von Bedeutung“, erläuterte Ullah.

Gas-Embargo könnte zu Produktionsstillständen führen

„Die Unsicherheit bezüglich der künftigen Energieversorgung und der hohe, sich weiter verschärfende Inflationsdruck trüben die Aussichten der deutschen Wirtschaft stark ein. Zudem hängt das drohende Erdgasembargo wie ein Damoklesschwert über ihr“, betonte Ullah. Die daraus entstehenden Folgen seien unabsehbar. Über 75 Prozent der vom BME befragten Unternehmen erwarten in diesem Fall Produktionsstillstände bei sich oder ihren Zulieferern. Hier sei das fein austarierte System der arbeitsteiligen deutschen Wirtschaft in ernsthafter Gefahr.

Der Einkauf trage eine große Last, insbesondere in Bezug auf die Energieversorgung. Hier seien Alternativen und kurzfristige Lösungsmöglichkeiten sehr begrenzt. Diese Situation verstärke allerdings ein Umdenken in Bezug auf alternative Energien bei den Unternehmen und könne einen Schub für den klimaneutralen Umbau weg von fossilen Energieträgern bedeuten.

Der Krieg verschärft auch den Mangel an Rohstoffen und Produktionsmaterialien. 70 Prozent der Unternehmen haben aktuell Schwierigkeiten, die bisher in der Region beschafften Waren und Rohstoffe durch Lieferungen von anderen Märkten zu ersetzen. Bei den benötigten Waren fehle es zurzeit vor allem an Stahl- und Stahlprodukten, Energie, Logistikleistungen sowie Lebensmitteln und Agrarrohstoffen.

Regionale Beschaffung wird wichtiger

Die BME-Bundesvorstandsvorsitzende nannte weitere aufschlussreiche Umfrage-Ergebnisse. So befeuerten Preiserhöhungen auf breiter Front und wachsender Wettbewerb um immer knappere Ressourcen die bereits durch die Corona-Pandemie angespannte wirtschaftliche Lage.

Laut aktueller BME-Umfrage rücken regionale Beschaffungsmärkte nach Jahrzehnten der Globalisierung als ernsthafte Alternativen in den Fokus. Bei der Suche nach Ersatzlieferanten richten viele der befragten Unternehmen ihr Augenmerk nun verstärkt auf den EU-Binnenmarkt. An zweiter Stelle steht Deutschland. Auf den nächsten Plätzen folgen Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie die Türkei.

„Allein der hohe Grad an Unsicherheit über die weitere Entwicklung macht klar, dass sich die deutschen Unternehmen auch für extreme Ereignisse wie ein Energieembargo vorbereiten müssen. Dem Einkauf als Hüter der externen Wertschöpfungskette kommt damit eine zentrale und wichtige Aufgabe im Rahmen des Business Continuity Managements zu.“, sagte Ullah abschließend.

Bearbeitet von Dörte Neitzel

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