
Der EU-Omnibus soll Bürokratie bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung abbauen. (Bild: Open AI / Dall-e)
Die Europäische Kommission hat ein Maßnahmenpaket, genannt Omnibus-Verordnung verabschiedet. Es soll EU-Vorschriften vereinfachen und den bürokratischen Aufwand in Unternehmen herunterfahren. Welche Richtlinien und Verordnungen betrifft der EU-Omnibus und was ändert sich?
Was ist das Omnibus-Verfahren?
Der Begriff "Omnibus" bezeichnet eine Gesetzesinitiative in der EU-Gesetzgebung. Sie nimmt Änderungen an mehreren Regelwerken gleichzeitig vor und bündelt diese in einem einzigen Rechtsakt.
Welches Ziel hat das Omnibus-Verfahren?
Das Omnibus-Verfahren wurde durch die Budapest-Deklaration bekannt, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte es am 8. November 2024 an. Danach soll der administrative Aufwand für Unternehmen ab 2025 um 25 Prozent sinken. Diese Vorschläge könnten Schätzungen zufolge jährliche Verwaltungskosten in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro einsparen und zusätzliche öffentliche und private Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro mobilisieren.
Die Initiative will durch den Bürokratieabbau die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU stärken, insbesondere durch Vereinfachungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Vorschriften der EU sollen effizienter angepasst und überlappende Anforderungen vereinheitlicht werden.
Beispielsweise werden die Anforderungen des EU-Lieferkettengesetzes (CSDDD) stärker mit anderen Vorschriften wie der Nachhaltigkeitsrichtline (CSRD) abgestimmt.
Welche Gesetze werden mit dem Omnibus angepasst?
Das Omnibus-Verfahren der EU passt mehrere Gesetze zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Unternehmenspflichten an, darunter fallen beispielsweise
- Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
- Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
- EU-Taxonomieverordnung
- EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)
- Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)
Zusätzlich könnten weitere Regelwerke wie die allgemeinen Bilanzrichtlinien und Prüfungsstandards betroffen sein.
Wie wird das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) durch das Omnibus-Verfahren geändert?
Das Omnibus-Verfahren nimmt einige Änderungen an der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) vor. Diese sind im Einzelnen:
Indirekte Lieferanten: Sie müssen nur noch anlassbezogen in das Risikomanagement einbezogen werden.
Stakeholderkreis: Der Kreis der einzubeziehenden Stakeholder wird auf direkt Betroffene und deren Vertreter beschränkt. Verbraucher und Verbraucherinnen sowie Menschenrechts- und Umweltorganisationen müssen nicht mehr konsultiert werden. Nur noch Einzelpersonen und Gemeinschaften, deren Rechte oder Interessen durch die Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens direkt beeinträchtigt werden können, gelten als Stakeholder.
Konsultationspflicht: Die Konsultation von Stakeholdern ist künftig nur noch bei spezifischen Verfahrensschritten erforderlich, die einen direkten Bezug zur jeweiligen Sorgfaltspflicht haben. Für bestimmte Schritte, etwa die Entscheidung über die Aussetzung von Geschäftsbeziehungen oder die Entwicklung von Überwachungsindikatoren, entfällt sie komplett.
Klimaschutzpläne: Diese sind nicht mehr verpflichtet, sondern freiwillig und werden mit der CSRD-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung abgestimmt. Nicht umgesetzte Klimaschutzpläne bleiben künftig also ohne Konsequenzen.
Zeitliche Verschiebung: Die Frist zur Umsetzung der CSDDD durch die Mitgliedstaaten wird um ein Jahr verlängert. Unternehmen erhalten ebenfalls mehr Zeit. So starten große Unternehmen (über 5.000 Mitarbeitende, Umsatz > 1,5 Milliarden Euro) erst ab Juli 2028. Für mittlere Unternehmen (über 3.000 Mitarbeitende, Umsatz > 900 Millionen Euro) wurde der Start auf Juli 2029 verschoben und kleinere Unternehmen müssen die Voraussetzungen erst ab Juli 2030 erfüllen.
Zivilrechtliche Haftung: Die viel gescholtene zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten entfällt ersatzlos.
Wie wird die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) durch das Omnibus-Verfahren beeinflusst?
Das Omnibus-Verfahren bringt wesentliche Änderungen an der EU-Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit sich. Das sind beispielsweise:
Anwendungsbereich: Nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, einem Umsatz von über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro sind berichtspflichtig. Allein diese Änderung reduziert die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen um etwa 80 Prozent.
Unternehmen, die unterhalb der neuen Schwellenwerte liegen, können freiwillig Berichte nach einem vereinfachten Standard erstellen.
"Value Chain Cap": Unternehmen müssen nur noch Informationen von Lieferanten mit weniger als 1.000 Mitarbeitern einholen, wenn diese nach dem vereinfachten Standard berichten.
Fristverlängerung: Die Einführung der Berichtspflichten wird um zwei Jahre verschoben. Unternehmen, die ursprünglich 2026 oder 2027 berichten sollten, beginnen nun erst 2027 bzw. 2028.
Berichtsinhalte: Die Anzahl der zu meldenden Datenpunkte wird deutlich verringert. So wird auf sektorspezifische Standards verzichtet.
Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts: Die Prüfung erfolgt dauerhaft mit "begrenzter Sicherheit“.
Wie wird die Taxonomieverordnung durch das Omnibus-Verfahren beeinflusst?
Das Omnibus-Verfahren bringt ebenfalls mehrere Änderungen an der EU-Taxonomieverordnung. Auch hier werden die Berichtspflichten vereinfacht, so dass der administrative Aufwand für Unternehmen sinkt. Die wichtigsten Anpassungen sind:
Anwendungsbereich: Nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 450 Millionen Euro sind künftig verpflichtet, nach der EU-Taxonomie zu berichten. Unternehmen unterhalb dieser Schwellen können freiwillig berichten, was insbesondere kleinere Unternehmen entlastet.
Berichtspflichten: Die Anzahl der offenzulegenden Datenpunkte wird um 70 Prozent reduziert, was die Komplexität und den Aufwand erheblich senkt. Der OpEx-KPI (Betriebsausgaben) muss nur noch angegeben werden, wenn der Anteil taxonomiefähiger Umsätze mindestens 25 Prozent des Gesamtumsatzes beträgt.
Materialitätsschwellen: Neu ist die sogenannte Wesentlichkeitsschwelle. Diese besagt, dass über wirtschaftliche Tätigkeiten nur berichtet werden muss, wenn sie eine bestimmte Bedeutung für die Nachhaltigkeit haben.
„Do no significant harm“: Die entsprechenden Kriterien (DNSH) werden vereinfacht und überarbeitet, um die Anwendung zu erleichtern.

Die Autorin: Dörte Neitzel
Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.
Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.
Änderungen der CBAM-Verordnung durch das Omnibus-Verfahren
Auch die CBAM-Verordnung (EU 2023/956) wird durch das Omnibus-Verfahren geändert. Wie beim EU-Lieferkettengesetz und der Nachhaltigkeitsberichterstattung, soll auch hier der bürokratische Aufwand sinken. Die wichtigsten Anpassungen sind:
Neue de-minimis-Schwelle: Die bisherige Bagatellgrenze von 150 Euro pro Sendung wird durch eine neue Schwelle ersetzt: Importe von weniger als 50 Tonnen CBAM-relevanter Waren pro Jahr sind künftig von den Berichtspflichten befreit. Diese Änderung entlastet laut Germany Trade & Invest (gtai) vor allem KMU und Unternehmen, die nur gelegentlich CBAM-relevante Waren einführen. Das seien etwa 90 Prozent der Importeure.
Eine Auswertung der bisherigen Übergangsphase kam zu dem Ergebnis, dass zehntausende Importeure nur für circa ein Prozent der Emissionen verantwortlich sind, während wenige Importeure für den Großteil der erfassten Emissionen verantwortlich sind. Daher würden durch die Änderung weiterhin 99 Prozent der Emissionen erfasst.
CBAM-Anmelder: Unternehmen, die mehr als 50 Tonnen CBAM-Waren einführen, brauchen nach wie vor den Status als zugelassener CBAM-Anmelder. Sie können künftig aber einen Vertreter oder Dienstleister einsetzen, der die Berichtspflichten und Abgabe von Zertifikaten im Namen des Importeurs übernimmt.
Längere Fristen: Ab 2026 gelten jährliche Berichts- und Abrechnungsfristen, diese soll verschoben werden. Statt einer Abgabe am 31. Mai des Folgejahres soll es möglich sein, die Erklärung erst am 31. August des Folgejahres einzureichen.
Berechnung der Emissionen: Emissionen für bestimmte Produkte aus Stahl und Aluminium entstehen vor allem aus der Herstellung der Vorprodukte. Hier sollen die Berechnungsvorgaben so geändert werden, dass vor allem die Emissionen der Vorprodukte Berücksichtigung finden. EU-Vorprodukte, für die im Rahmen des EU-Emissionshandel (ETS) bereits ein CO2-Preis gezahlt wird, sollen künftig nicht mehr berücksichtigt werden.
CO2-Preise aus Drittländern sollen durch Standardwerte in ihrer Anrechnung vereinfacht werden.
CBAM-Zertifikate: Der Verkaufsstart wird auf 2027 verschoben. Der Preis eines CBAM-Zertifikates ist abhängig vom Preis der ETS-Zertifikate und ergibt sich aus dem Durchschnittspreis der jeweiligen Vorwoche. Nur der Preis der 2027 verkauften CBAM-Zertifikate wird das Preisniveau 2026 widerspiegeln.
Kritik am Omnibus-Verfahren
Das Omnibus-Verfahren soll zwar die Bürokratie abbauen, wird aber trotzdem kontrovers diskutiert. Kritiker befürchten, dass durch die geplanten Vereinfachungen wichtige Sorgfaltspflichten und Nachhaltigkeitsstandards abgeschwächt werden könnten. Zudem bleibt die genaue Ausgestaltung vieler Änderungen bislang unklar.
Wie geht es jetzt weiter?
Bislang ist das Omnibus-Verfahren nur ein Vorschlag der EU-Kommission. Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat müssen ihm noch zustimmen. Das Verfahren muss bis Ende 2025 abgeschlossen sein, damit die Vereinfachungen rechtzeitig zum Beginn der Umsetzungsphase 2026 in Kraft treten können. Ohne Einigung beginnt die Umsetzungsphase wie geplant zum 1. Januar 2026.
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