London Westminster Bridge

Der Einkauf auf der britischen Insel erfordert ein bisschen Fingerspitzengefühl. (Bild: Iakov Kalinin - stock.adobe.com)

Die britische Höflichkeit ist legendär. „Manners maketh Man“ schrieb William Horman, Headmaster der berühmten Privatschule Eton, schon im 15. Jahrhundert. Will sagen: Erst Höflichkeit und gute Umfangsformen machen uns menschlich. An dieser Überzeugung hat sich für viele Briten bis heute nichts geändert. Allerdings haben Deutsche im Vereinigten Königreich dadurch manchmal das Gefühl, nicht genau zu wissen, wie sie mit den Inselbewohnern dran sind.

Denn um ihrem Gegenüber nicht zu nahezutreten, drücken sich Briten gerne indirekt aus. Kritik und Zweifel halten sie zurück. Wenn überhaupt, drücken sie Negatives durch die Blume oder in einer netten Verpackung aus. Bei anderen Dingen hingegen sind sie dann wieder sehr pragmatisch und direkt. So überreichen Briten Visitenkarten zu Beginn des Gesprächs ohne große Form. Karten, die sie selbst erhalten, stecken sie meist schnell weg, ohne dass dies als unhöflich empfunden wird. Diese Regeln der britischen Höflichkeit sollten sie auf jeden Fall immer beherzigen.

Manners maketh Man

  • Lassen Sie Gesprächspartner stets ausreden. Sie zu unterbrechen, gilt als äußerst respektlos.
  • Seien Sie zu Verabredungen pünktlich, aber erscheinen Sie nicht vor der vereinbarten Zeit. Teilen Sie Ihren Geschäftspartnern unbedingt telefonisch mit, wenn Sie sich um mehr als eine Viertelstunde verspäten sollten.
  • Während einer Besprechung sollten Sie niemals ein Telefonat annehmen oder gar den Raum verlassen, um zu telefonieren. Das gilt als äußerst unhöflich. Machen Sie Ihr Handy aus und stecken Sie es weg.

Fairness – „Win-win“ gewinnt

Briten haben ein ausgeprägtes Gespür dafür, wann und wie jeder an einem Zusammentreffen oder einer Zusammenarbeit Beteiligte auf seine Kosten kommt. Deshalb betrachten sie bei Verhandlungen alle Aspekte der Angelegenheit und wägen sie sorgfältig ab. Wirklich zufrieden sind sie mit dem erzielten Ergebnis nur, wenn beide Seiten erkennbar von der Lösung profitieren. Verhandlungsergebnisse sollten deshalb immer Win-win-Situationen sein

Stapeln Sie tief… noch tiefer!

Großbritannien ist das Mutterland der Ironie. Auch sich selbst nehmen Briten nach außen hin nicht immer ernst. Vielmehr bringen Sie andere gerne zum Lachen, indem sie Witze über ihre eigene Person machen. Die Bewohner des Königreichs stellen ihre eigenen Leistungen außerdem gerne in den Schatten. Besserwisser, Angeber und Menschen, die ihre eigenen Leistungen stolz herausstellen, sind Briten absolut unsympathisch.

Wer wirklich Macht, Geld oder akademische Meriten hat, braucht damit im Mutterland des Understatements nicht hausieren zu gehen. Vielmehr wird er für seine Bescheidenheit geschätzt. Das macht den Umgang mit Briten sehr angenehm, hat aber eine Kehrseite. Denn wenn Ihnen im Vereinigten Königreich jemand zu verstehen gibt, dass es „a tiny problem“ gebe, wissen Sie: Jetzt ist die … richtig am Dampfen.

Britische Flaggen vor einem Geschäft
Understatement und Konjunktiv: Einkaufsverhandlungen in Britannien laufen höflich und bescheiden ab. (Bild: cowardion/AdobeStock)

Verbindlichkeit – der Charme der Briten

Harmonische und respektvolle Beziehung gehören für Briten zum Leben wie der Skandal zum Diesel. Deshalb tun sie alles, um in jeder Situation die Würde ihres Gegenübers zu wahren und diesen mit Anstand zu behandeln. Wer im Geschäftsleben gegen diesen Imperativ verstößt, indem er aus der Rolle fällt, wütend wird oder sein Gegenüber abwertet und nicht ausreden lässt, zerstört die Beziehung so tiefgreifend, dass sie sich nicht mehr kitten lässt.

Respektvoll und verbindlich miteinander umzugehen, heißt für Briten auch,

  • Begegnungen mit einer positiven, persönlichen Bemerkung etwa über die Kleidung des Gesprächspartners oder die wundervolle Aussicht aus seinem Büro zu eröffnen,
  • sich selbst für Kleinigkeiten zu entschuldigen,
  • sich für jeden noch so kleinen Gefallen zu bedanken.

Auf jeden Fall sollten Sie sich nach einer Einladung oder einem erfolgreichen Geschäftsbesuch dafür bedanken – und zwar schriftlich, nicht per Mail! Denn Briten lieben Grußkarten.

Small Talk – Beziehungsaufbau erfordert Fingerspitzengefühl

Natürlich können Sie sich beim Small Talk auf das Thema Wetter beschränken. Die Lage der britischen Inseln am Rand des Nordatlantik wird Sie mit ausreichend Gesprächsstoff versorgen. Doch das eigentliche Ziel der lockeren Plaudereien erreichen Sie damit nicht. Small Talk hilft, gute und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Denn die Untertanen der Queen machen Geschäfte am liebsten mit Personen, denen sie vertrauen. Deshalb wollen sie beim Small Talk nicht nur über belanglose Themen sprechen, sondern zeigen oft echtes Interesse an ihrem Gesprächspartner.

Briten sind deshalb auch hervorragende und aktive Zuhörer, die zugleich großen Respekt für die Privatsphäre ihres Gegenübers haben. Mit sehr viel Fingerspitzengefühl erkennen sie, ab welchem Punkt dieser eine Frage als übergriffig wahrnimmt. Schon das Interesse für die geographische Herkunft einer Person könnte schließlich als der Versuch fehlinterpretiert werden, etwas über den sozialen Hintergrund zu erfahren.

Wenn Sie nichts verkehrt machen wollen, sollten Sie den Small Talk deshalb mit unverfänglichen Themen wie Sport, aktuellen kulturellen Ereignissen, Essen, dem letzten Urlaub oder positiven Erfahrungen beginnen, die Sie bereits auf den britischen Inseln gemacht haben. Dünnes Eis sind dagegen Themen wie Politik, Alkohol, Religion, Sex oder ihre Weltanschauung.

Schirm, Charme und Pokerface – Briten verhandeln freundlich aber frei von Emotionen

Briten planen Meetings und Verhandlungen gründlich. Dabei ist es üblich allen Beteiligten vorab die Tagesordnung und den Zeitplan der Gespräche zu mailen, damit sich jeder Teilnehmer vorbereiten kann. Auch die Rollen der Mitglieder der einzelnen Verhandlungsteams sind klar definiert. Befinden sich alle auf der gleichen Hierarchieebene, tauschen sie Meinungen gleichberechtigt aus. Gibt es Rangunterschiede, leitet der Ranghöchste das Gespräch oder ernennt jemanden, der die Aufgabe übernimmt. Oft gibt es darüber hinaus einen Schriftführer. Im Vereinigen Königreich ist es üblich, Zwischen- und Gesprächsergebnisse sowie Beschlüsse über das weitere Vorgehen schriftlich zu festzuhalten.

Die Verhandlung selbst führen Briten immer freundlich, aber ohne, Emotionen zu zeigen. Gesichtsausdruck und Körpersprache kontrollieren sie genau und nehmen sie deutlich zurück. Wer in Verhandlungen Druck ausübt, sein Gegenüber in die Ecke drängt oder versucht, ihn über den Tisch zu ziehen, beschädigt das Verhältnis zu seinem Gesprächspartner so grundlegend, dass sich dieses meist nicht mehr reparieren lässt. Denn er verstößt gegen die oberste Maxime des britischen Geschäftslebens: Fairness. Wer hingegen gelegentlich nachgibt und bereit ist, Kompromisse zu schließen, verhält sich so, wie Briten es von ihm erwarten.

Die Untertanen der Queen haben zudem immer eine Alternative im Hinterkopf. Oft sprechen sie diese jedoch erst am Ende der Verhandlungen an und drücken sich bis dahin vage aus. Das macht sie trotz aller Höflichkeit zu schwierigen Gesprächspartnern. Ebenso wie die Tatsache, dass sich Briten mit Entscheidungen Zeit lassen und unverrückbar an diesen festhalten, wenn sie sie einmal getroffen haben. Im Vereinigten Königreich wird nicht nachverhandelt.

Spontane Pragmatiker, zielorientierte Teamworker – die Arbeitsweise der Briten

Britische Unternehmen weisen oft steilere Hierarchien auf als deutsche. Außerdem sind Aufgabenbereiche meist klar voneinander abgegrenzt, so dass Mitarbeiter Projekte in der Regel nur dann zum Erfolg führen können, wenn sie sehr teamorientiert arbeiten und effizient kommunizieren. Dies führt auch dazu, dass Briten meist sehr zielorientiert und pragmatisch an Aufgaben herangehen.

Oft treffen sie spontan die Entscheidung, die die Situation gerade erfordert. Auch sind die Inselbewohner weit weniger durchstrukturiert und detailverliebt wie viele deutsche Kollegen. Der britische Pragmatismus prägt auch den Anspruch, den Arbeitnehmer und Unternehmer auf der Insel daran haben, wie perfekt eine Lösung sein muss. Ob sich 100 Prozent Leistung lohnen, oder ob nicht auch 80 Prozent genug sind, wägen Briten genau ab.

Die Kunst des Konjunktivs

Natürlich ist Ihr Englisch verhandlungssicher. Doch beherrschen Sie auch wirklich alle stilistischen Nuancen der schönsten Sprache der Welt? So empfinden Deutsche die Verwendung des Konjunktiv oft als devot. Im Englischen hingegen ist er die einzige akzeptable grammatikalische Form, um Bitten, Vorschläge, Wünsche oder Ablehnungen zu äußern.

Verwenden Sie also das sanftere „Would it be possible…“ oder „I/We would like to…“ statt des direkteren „Is it possible…“ oder gar „I want to…“. Niemals sollten Sie jemandem sagen, dass er etwas tun müsse. Statt „You must…“ fragen Sie ihn „could you…“ oder „would you be so kind…“ und vergessen danach nicht, ein „please“ anzuhängen. Genauso sollten Sie wissen, dass die Worte „very interesting“ fast immer ein Ausdruck von Missbilligung sind und keinerlei Interesse ausdrücken.

Fettnäpfchen lauern in der englischen Sprache oft schon bei Kleinigkeiten. So kommt es bei ranghohen Führungskräften, zu denen nicht selten auch Mitglieder der Aristokratie gehören, nicht gut an, wenn Sie diese mit „Hello“ begrüßen. Hier haben die guten alten Grußformeln „Good morning/afternoon/evening“ noch lange nicht ausgedient. Kollegen auf der gleichen Hierarchieebene können Sie hingegen durchaus mit „Hallo“ begrüßen.

Auch ist „How do you do?“ nicht das gleiche wie „How are you?“ Das erste ist weit förmlicher und erfordert immer die Gegenfrage „How do you do?“. Das lässt sich gegebenenfalls um ein „very well, thank you“ ergänzen. Auf „How are you?“ Antworten Sie dagegen immer mit „fine, thank you“ oder „very well“ bevor Sie die Gegenfrage stellen.

Besonders heikel ist es, die korrekte Anrede für britische Frauen zu wählen. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie Geschäftspartnerinnen mit „Ms“ (miz – mit stimmhaftem „s“) ansprechen. Schließlich wissen Sie nicht, ob Ihre Gesprächspartnerin verheiratet ist. Dann wäre die korrekte Anrede „Mrs“.

Genau so viel Sorgfalt sollten Sie auf die Wahl der richtigen geografischen Bezeichnungen auf den britischen Inseln verwenden. England ist nicht das gleiche wie das Vereinigte Königreich, sondern nur dessen südlicher Teil. Deshalb sollten Sie Schotten, Waliser und Iren auch nicht als Engländer bezeichnen. Am besten sprechen Sie bei allen Bewohnern der Hauptinsel und Nordirlands von Briten.

Richtig schütteln – Der sparsame Handschlag der Inselbewohner

Briten gehen gerne auf Distanz. Unnötigen Körperkontakt vermeiden sie. Deshalb schütteln sie sich weit seltener die Hand als Kontinentaleuropäer. Mit Handschlag begrüßen Briten nur jemanden, der ihnen zum ersten Mal vorgestellt wird, oder den sie sehr lange Zeit nicht gesehen haben. Sollten Sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen eine Verabredung mit dem selben Geschäftspartner haben, warten Sie am zweiten Tag unter Umständen vergebens auf eine Begrüßung mit Handschlag.

Auch zum Abschied schüttelt man sich im Vereinigten Königreich nicht die Hand. Beachten Sie außerdem, dass Sie bei einem Händedruck nie fester zudrücken als Ihr Gegenüber. Das gilt als ungehobelt.

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