Handschlag zwischen zwei Geschäftsleuten

Ein Handschlag besiegelt erfolgreiche Verhandlungen und stärkt die Lieferantenbeziehungen. (Bild: Iryna/Adobestock)

Beschaffungsprofis haben die letzten 30 Jahre damit verbracht, über den Übergang von der transaktionalen zur strategischen Ebene zu sprechen, aber manchmal frage ich mich, ob diese drei Jahrzehnte völlig vergeudet worden sind.

So fühle ich mich, wenn ich die Beliebtheit von Beschaffungsmarktplätzen sehe, die Lieferanten wie ein Produkt und nicht wie eine Beziehung behandeln, so als ob man einen Artikel bei Amazon oder eBay kaufen würde.

Damit will ich nicht die größere Auswahl verunglimpfen, die diese Marktplätze bringen. Was an ihnen fischig ist, ist eher der Gestank von Kurzfristigkeit, da sie sich auf Grenzkosteneinsparungen konzentrieren, anstatt sich mit einem der größten geschäftsstrategischen Imperative unserer Zeit auseinanderzusetzen - dem Schmieden immer stärkerer Bindungen zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten.

Beschaffung: mehr als nur Materialien

Die meisten dieser Beschaffungsmarktplätze opfern langfristige, sinnvolle und für beide Seiten vorteilhafte Lieferantenbeziehungen auf dem Altar der täglichen Bilanz. Das könnte für Unternehmen in hochkompetitiven, preisintensiven Branchen immer noch ein lohnendes Opfer sein - wäre da nicht die Tatsache, dass es bei der Beschaffung nicht mehr nur um die Beschaffung von Rohstoffen und Komponenten geht.

Da Unternehmen heutzutage so unterschiedliche Funktionen wie IT, Personalwesen, Logistik, Rechtswesen und Fertigung in der Regel an Dritte auslagern, fallen diese ehemals betriebsinternen Abläufe nun in den Aufgabenbereich der Beschaffung.

Ihre Meinung ist gefragt: Sind Plattformen Innovationskiller oder Arbeitserleichterung?

Beim Thema Beschaffungs- bzw. Produktionsplattformen scheiden sich die Geister: Roy Anderson setzt sich leidenschaftlich für persönliche Lieferantenbeziehungen ein, während Dimitry Kafidov, Geschäftsführer von Xometry Europe, ein Plädoyer für große Plattformen hält. Für die einen sind Plattformen also eine hochwillkommene Arbeitserleichterung, für andere werden Lieferantenbeziehungen auf dem Altar der Kostenminimierung geopfert.

Wie ist Ihre Haltung zu B2B-Plattformen? Bevorzugen Sie es unpersönlich und kostensparend oder würden Sie Ihre bisherigen Lieferanten um nichts in der Welt hergeben? Uns interessiert Ihre Meinung, also schreiben Sie uns - gerne in die Kommentare, aber auch persönlich an die Redaktion.

Porträt von Roy Anderson, Tradeshift
Roy Anderson. (Bild: Tradeshift)

"Was an Plattformen fischig ist, ist eher der Gestank von Kurzfristigkeit, da sie sich auf Grenzkosteneinsparungen konzentrieren."

Roy Anderson 

(Chief Procurement Officer (CPO) bei Tradeshift)

Wo sollen künftig Innovationsanstöße herkommen?

Es geht nicht nur darum, dass die Beschaffung heute weitaus mehr strategische Bereiche abdeckt als je zuvor. Da mehr als die Hälfte des Umsatzes an Lieferanten geht, sinkt auch der Geldbetrag, der an interne Mitarbeiter geht, die einst der Motor der Innovation innerhalb des Unternehmens waren. Wenn ein Unternehmen nicht mit seinen Zulieferern zusammenarbeiten kann, um diese intern verloren gegangene Innovation zu replizieren, wird dies unweigerlich dazu führen, dass das Unternehmen zu einer ausgehöhlten Hülle wird, die nichts mehr hat, um sein zukünftiges Wachstum und Überleben zu sichern.

Es mag seltsam erscheinen, Lieferanten als Schlüssel für Innovation und Geschäftsstrategie zu betrachten. Aber andererseits leben wir in einer Welt, in der einige der berühmtesten Hersteller der Welt eigentlich gar nichts herstellen. Wenn Sie das nächste Mal ein Paar Nike-Schuhe anziehen, dann tun Sie das in dem Wissen, dass ein globales Ökosystem von mehr als 1.500 Zulieferern nötig war, um diese luftgepolsterten Sohlen fertig zum Tragen zu bekommen.

Prozentuale Darstellung, welche Beschaffungskanäle am beliebtesten sind: Platz 1 Marktplätze (wie Amazon)
Beschaffungsplattformen werden häufig genutzt, aber eher als Alternative. (Quelle: Roland Berger Studie "The platformization of Procurement 2019)

Aufbau besserer Lieferantenbeziehungen

Während das alte Beschaffungsmodell darauf fixiert war, Lieferketten zusammenzufassen, um Kosten zu senken, stellt sich heute die große Frage, wie ein Unternehmen auf die Innovation und das Know-how seiner immer breiter werdenden Lieferantenbasis zugreifen kann.

Dasselbe gilt auch, wenn ein Unternehmen seinen anderen Geschäftsbereich auslagert. Schließlich hören diese Funktionen nicht auf magische Weise auf, strategisch wichtig zu werden, sobald sie an Drittanbieter ausgegliedert werden.

Wenn Unternehmen die drängendsten Probleme lösen sollen, mit denen sie konfrontiert sind, wie z.B. wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben, auf rasche Veränderungen der Verbrauchererwartungen oder Gesetzesänderungen zu reagieren oder ihre Nachhaltigkeit zu verbessern, müssen sie ihren Lieferantenstamm vergrößern und gleichzeitig die einzelnen Beziehungen stärken.

Einkäufer müssen mit dem "Wert" des Unternehmens vertraut sein

Um dies effektiv zu tun, müssen Unternehmen ihren gesamten Beschaffungsansatz - angefangen bei den Menschen - neu überdenken. Wo einst die Beschaffung eine Sache der Zahlenmenschen war, wird der Praktiker von morgen ein Portfolio von Fähigkeiten und Erfahrungen benötigen, das weit über Fragen von Gewinn und Verlust hinausgeht.

Die Rolle des CPO wird weitaus strategischer sein und neben den traditionellen Fähigkeiten im Lieferantenmanagement auch Themen wie Rentabilität, Risikominderung, Ertragsgenerierung und Innovation umfassen. Sie werden auch viel besser mit dem tatsächlich im Unternehmen generierten Wert vertraut sein müssen. Wenn beispielsweise der primäre Wert des Unternehmens im Design liegt (wie es bei einem "Hersteller" wie Nike der Fall ist), dann müssen die Einkaufsleiter über ein gründliches Verständnis dieser Seite des Geschäfts verfügen, um den vollen Nutzen aus den Lieferantenbeziehungen zu ziehen.

Und hier müssen sich die Beschaffungsmarktplätze konzentrieren, wenn sie auch in Zukunft relevant bleiben sollen. Anstatt das B2B-Äquivalent von beispielsweise Amazon zu sein, müssen sie näher am App Store sein: Sie müssen die Werkzeuge bereitstellen, die Unternehmen benötigen, um endlich die lang erwartete Verlagerung der Beschaffung in den Mittelpunkt der Geschäftsstrategie zu erfüllen.

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