Indexanzeige an der Hongkonger Börse

Der Erzeugerpreisindex spielt für Einkäufer und Supply-Chain-Manager eine besondere Rolle. (Bild: danielskyphoto - stock.adobe.com)

Die Weltwirtschaft steht vor großen Herausforderungen und ebenso großer Ungewissheit. Eine besondere Herausforderung stellt die Inflation des Verbraucherpreisindex (VPI) dar. Der VPI genießt viel Aufmerksamkeit als Indikator für die Kaufkraft. Es gibt allerdings noch einen anderen Index, über den weniger gesprochen wird, der aber für Fachleute aus dem Beschaffungswesen zentral ist: der Erzeugerpreisindex (EPI). Der EPI gibt entscheidende Auskunft über den Zustand der Lieferkette. Fachleute im Beschaffungswesen behalten ihn genau Auge, da er ihnen helfen kann, ihre Geschäftsausgaben zu optimieren.

Wo liegt der Unterschied zwischen VPI und EPI?

Der VPI ist der bekanntere der beiden Indizes. Er ist ein Preisindex, der auf einem gewichteten durchschnittlichen Warenkorb basiert. Dieser enthält Konsumgüter und Dienstleistungen, die private Haushalte kaufen. Durch die Einzelhändler, die die Preise für Waren und Dienstleistungen für die Verbraucher festlegen, spiegelt dieser Index allerdings nicht direkt die Kosten der Lieferkette wider. Über die Preislandschaft in der Lieferkette ermöglicht der VPI daher nur ein verzerrtes Bild.

Aussagekräftiger ist im Gegensatz dazu der EPI. Denn der EPI-Inflationsindex misst die durchschnittliche Veränderung der Verkaufspreise, die die inländischen Hersteller für ihre Produkte erhalten. Somit bietet der EPI eine interessante Perspektive auf die Auswirkungen von Unterbrechungen der Lieferkette und ihre Resilienz. In einer Umfrage von Coupa führen Supply Chain Manager in Deutschland Unterbrechungen in der Lieferkette auf eine anhaltende Kombination aus geopolitischer Unsicherheit (56 %), Problemen im Zusammenhang mit der Pandemie (56 %), Materialknappheit (42 %) sowie auch aus den gestiegenen Transport-, Produktions- und Rohstoffkosten (49 %) zurück. Lieferketten sind also nicht nur Herausforderungen durch EPI-Inflation, sondern auch anderen wirtschaftlichen und politischen Faktoren ausgesetzt.

Energiepreise spielen bei den Erzeugerpreisen große Rolle

Zukünftige Entwicklungen zu antizipieren ist keine leichte Aufgabe. So fielen im März 2023 die Erzeugerpreise in der Bundesrepublik um 7,5 Prozent höher aus als im Vorjahresmonat; im Vergleich zum Februar 2023 sanken sie allerdings um 2,6 Prozent, so heißt es in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 20. April 2023. Die Entwicklung der Energiepreise der letzten Zeit bestimmt maßgeblich die Dynamik der Erzeugerpreise. Wie der Aktienmarkt darauf reagieren wird, lässt sich schwer voraussagen. Lieferkettenfachleute können dennoch ihr Augenmerk auf die Auswirkungen der EPI-Inflation auf Aktienkurse richten.

Einzelhändler und Hersteller geben die Mehrkosten in Form von Preiserhöhungen an die Verbraucher weiter, wie die hohen VPI-Inflationsraten zeigen. Auf Dauer kommt dieser Ansatz an seine Grenzen. Unterbietet die Konkurrenz beim Preis, wird die Kundschaft abwandern und dort einkaufen. Daher ist die entscheidende Frage: Mit welchen längerfristigen und systematischen Methoden können sich Einzelhändler und Hersteller wappnen – und wie hängen diese mit dem EPI zusammen?

1. Form und Funktion der Lagerbestände optimieren

Ein hoher EPI gepaart mit dem hohen Zinsniveau belastet Einzelhändler und Hersteller gleich doppelt. Sowohl die Einkaufspreise als auch die Lagerkosten steigen. Die Management-Ebenen könnten daraufhin reflexartig darauf bestehen, das Inventar umfassend abzubauen.

Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Verbraucherschaft jede ihrer Kaufentscheidungen sowohl nach Preis als auch nach Verfügbarkeit treffen. Ist das gewünschte Produkt nicht verfügbar, wird ein Kunde es bei zur Konkurrenz gehen und es dort kaufen. Die richtige Form und Funktion des Inventars messen sich daher am richtigen Ort, der richtigen Zeit und dem richtigen Preis. Es gilt daher makroökonomische Wendungen, wie die EPI-Inflation, zu berücksichtigen, um das Inventar bestmöglich anzupassen.

2. Die Geschäftsausgaben optimieren

Während einige Unternehmen Entlassungen in Erwägung ziehen, würden viele Führungsteams lieber ihre Investitionen neu ausrichten und die Effizienz steigern. Dabei geht es nicht mehr in erster Linie um Wachstum, sondern um ein Gleichgewicht zwischen Wachstum und Rentabilität. Der Schlüssel zum Überleben im gegenwärtigen Geschäftsklima liegt darin, einen Überblick über alle Ausgaben zu erhalten, egal ob es sich um direkte oder indirekte Ausgaben handelt, und die Ausgaben sorgfältig zu reduzieren, ohne die Leistung zu beeinträchtigen. Einen solchen Überblick gewinnen Unternehmen zum einen durch ein Verständnis über die betriebseigenen Begebenheiten, zum anderen durch das Beobachten der Entwicklung des EPI.

3. Die Beziehungen mit dem Zulieferern stärken

Es ist verständlich, dass die Zulieferer die gestiegenen Kosten zu spüren bekommen und diese durch höhere Preise an die Hersteller weitergeben. Dadurch erhöht sich der EPI zusätzlich. Um dramatische Preissteigerungen abzumildern, lohnt es sich, in ein solides Fundament aus Vertrauen und Transparenz mit den Zulieferern zu investieren. Vor dem Hintergrund von Lieferengpässen, kann es äußert schwierig sein, Lieferpreise herunterzuhandeln. Hersteller sollten das bedenken. Um Lieferpreise antizipieren zu können, ist es ratsam den EPI zusammen mit den Preisindizes für Energiegüter zu lesen. Sind die Produkte eines Zulieferers besonders energieintensiv in ihrer Herstellung, kann man rechtzeitig mit erhöhten Preisen rechnen.

4. Die Nachfrage langfristig modellieren

Nur wenige Unternehmen erstellen langfristige Nachfragemodelle. Das ist erstaunlich, schließlich können Unternehmen, unter Berücksichtigung von makroökonomischen Kausalfaktoren, aufschlussreiche Szenarioanalysen durchführen. Besonders in der aktuell turbulenten Wirtschaftslage sind Supply-Chain-Fachleute mit langfristigen Nachfragemodellen strategisch gut beraten, denn durch sie werden sie befähigt, Resilienzmodelle zu entwickeln.

Als makroökonomische Parameter sind sowohl VPI als auch EPI die Schlüssel für eine angemessene Modellierung der Nachfrage. Auch für Finanzprognosen und die Gestaltung von Lieferketten sind beide Indizes maßgeblich.

5. Kompetenzen bei der Lieferkettengestaltung entwickeln

Strukturelle Veränderungen auf dem Nachfragemarkt und Unterbrechungen in der Lieferkette stellen dauerhafte Herausforderungen für Unternehmen dar. Um ihnen angemessen entgegenzutreten, können sich Unternehmen mit einer kontinuierlichen Gestaltung der Lieferkette wappnen. So können sie sich schnell auf neue Einschränkungen in der Lieferkette und auf neue Geschäftsmöglichkeiten einstellen. Effektiv umsetzbar wird solch eine dauerhafte Strategie nur unter Einbeziehung der EPI-Entwicklung.

Fazit: VPI und EPI im Blick behalten

Fachleute für Lieferketten und im Beschaffungswesen stehen vor der Herausforderung, die Wertschöpfungsketten ihrer Unternehmen unter äußerst schwierigen makroökonomischen Bedingungen zu verwalten. Für sie ist es daher wichtig, Inflationsindizes wie VPI und EPI im Blick zu haben. Und noch wichtiger ist es, dass sie wissen, welche Hebel sie ziehen können, um den Inflationsdruck zu bewältigen.

Autor: Frank Cappel, Regional Vice President EMEA bei Coupa

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