Das EU-Omnibusverfahren steht vor der Tür. Doch die CSRD könnten Unternehmen jetzt gut für sich nutzen(Bild: jpgon - stock.adobe.com)
Die EU will mit dem Omnibus eine Kurskorrektur in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und -regulierung vornehmen. Doch die CSRD kann für Unternehmen zum Gamechanger werden.
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Die Europäische Union will mit ihrem Omnibus-Paket eine deutliche Kurskorrektur in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und -regulierung vornehmen. Während zu CBAM der EU Rat in diesen Tagen die Änderungen verabschiedet hat, kam es Ende September im Europäischen Parlament zu keiner Einigung in Bezug auf die Omnibus-Änderungen zur CSRD und CSDDD.
Durch die jüngsten Anpassungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sollen insbesondere kleinere Unternehmen von bürokratischen Lasten entlastet werden. Doch trotz dieser weiterhin geplanten Abschwächung der regulatorischen Anforderungen bietet die CSRD ein enormes Potenzial – nicht nur für verpflichtete, sondern auch für nicht direkt betroffene Unternehmen.
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Die Abschwächung der CSRD – was bedeutet sie konkret?
Mit den neuen Änderungen werden rund 80 Prozent der ursprünglich betroffenen Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der CSRD herausgenommen. Nachhaltigkeitsberichte müssen nun primär von den größten Unternehmen erstellt werden, die aufgrund ihrer Größe und ihres Einflusses auf Umwelt und Gesellschaft eine signifikante Wirkung haben - sofern die Änderungen so angenommen werden.
Das Ziel dieser Maßnahmen ist eine Entbürokratisierung und eine Vereinfachung der Anforderungen, ohne dabei die übergeordneten Nachhaltigkeitsziele aus den Augen zu verlieren.
Warum dennoch jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die CSRD als Chance zu nutzen
Während viele Unternehmen das Omnibus-Paket als Gelegenheit sehen könnten, sich aus der Berichterstattung zurückzuziehen, bietet sich für Unternehmen – auch jene, die nicht mehr direkt von der CSRD betroffen sein werden – eine strategische Chance. Denn Nachhaltigkeit ist längst kein reines Compliance-Thema mehr, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Eine Studie von PwC, die Ende 2023 veröffentlicht wurde, zeigt, dass von den befragten Unternehmen in D-A-CH bereits 72 Prozent über eine Nachhaltigkeitsstrategie verfügten, die bei 81 Prozent in die Gesamtstrategie integriert ist. Gleichzeitig erklärten bereitsin 2023 59 % der Unternehmen, dass die CSRD schon heute operative Entscheidungen beeinflusse (PwC, Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) 2023 - eine Analyse).
Große Unternehmen müssen weiterhin detaillierte Nachhaltigkeitsberichte vorlegen. Das bedeutet, dass sie von ihren Zulieferern – auch wenn diese selbst nicht berichtspflichtig sind – transparente ESG-Daten verlangen werden. Darüber hinaus ist die finale Ausgestaltung der Omnibus-Pakete noch nicht noch in Kraft getreten.
(Bild: EcoVadis)
Autorin: Sarah Alford
Sarah Alford ist Expertin für nachhaltige Beschaffung und arbeitet mit führenden Unternehmen aller Branchen in der deutschsprachigen Region zusammen, um die Nachhaltigkeitsleistung in ihren Lieferketten zu verbessern. Mit ihrem Hintergrund in Arbeits- und Organisationspsychologie und ESG-Consulting unterstützt sie als Senior Strategic Account Executive bei EcoVadis Unternehmen, die Komplexität der ESG-Compliance zu bewältigen und robuste Nachhaltigkeitsstrategien in der Lieferkette umzusetzen.
Die CSRD Readiness-Studie von Zühlke hat ergeben, dass 75 Prozent der befragten Führungskräfte die Nutzung von Nachhaltigkeitsdaten als Wettbewerbsvorteil sehen. Das heißt, wer nicht mehr unter die CSRD fallen wird, sich aber dennoch an der CSRD und den ESRS als Rahmenwerk ausrichtet, Transparenz herstellt und IROs überwacht, kann seine Geschäftsbeziehungen und seine Position im Markt stärken. Von Seiten der EU-Kommissarin Maria Luís Albuquerque hieß es, “dass Nachhaltigkeit ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor ist”.
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Unternehmen, die künftig nicht mehr unter den Geltungsbereich fallen, aber bereits erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen in die Compliance-Vorbereitungen investiert haben und ihr Commitment aufrechterhalten wollen, werden diesen Weg sehr wahrscheinlich auch unabhängig von rechtlichen Verpflichtungen weiterverfolgen. Damit ist das ursprüngliche Ziel eines 'Level Playing Fields' und der Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeit durch die CSRD hinfällig. Stattdessen eröffnen sich für diese Unternehmen Marktvorteile, etwa durch den Ausbau von Wettbewerbsvorteilen sowie finanzielle Vorteile.
Denn eines darf nicht vergessen werden: Die Hauptzielgruppe der CSRD sind Finanzinstitutionen – die maßgeblichen Treiber der grünen Transformation in Europa im Rahmen des Green Deals. Banken und Investoren orientieren ihre Finanzierungsentscheidungen zunehmend an ESG-Kriterien und fordern daher Transparenz. Unternehmen, die freiwillig nach den Standards der CSRD berichten, schaffen nicht nur diese Transparenz, sondern ermöglichen auch die Vergleichbarkeit ihrer Nachhaltigkeitsperformance. Dadurch steigern sie ihre Attraktivität für nachhaltige Investitionen und verbessern ihre Bonität.
Non-Compliance vs. Non-Reporting?
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Interessant bleibt die Frage, welche möglichen Konsequenzen Unternehmen erwarten, die nun zwar keine rechtlichen Folgen durch Non-Compliance mehr fürchten, sich dennoch im Wettbewerb behaupten müssen.
Die Global CSRD-Studie 2024 von PwC hat gezeigt, dass Unternehmen als Konsequenzen falscher oder nicht-konformer Berichterstattung die negative Reputation und Markenauswirkungen größte Bedrohung ansehen. 60 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland schätzten negative Reputation als wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich ein, auf globaler Ebene waren es 68 Prozent der Unternehmen. Damit wurde die Wahrscheinlichkeit für Reputationsschäden wesentlich höher eingeschätzt als zum Beispiel rechtliche Konsequenzen (DE 55 Prozent / Global 53 Prozent) oder negative finanzielle Auswirkungen (DE 43 Prozent / Global 49 Prozent).
Welche Auswirkungen wird demzufolge “Non-Reporting” auf die Reputation im Markt haben? Es wäre kaum zielführend, wenn Unternehmen, die keiner obligatorischen Berichtspflicht mehr unterliegen, zusätzlich befürchten, dass ihre freiwillige Berichterstattung unter Umständen Reputationsrisiken mit sich bringen könnte - und sie sie daher lieber verstummen lassen. Denn dies könnte einen Kontraeffekt haben: wie vertrauenswürdig und transparent ist ein Unternehmen, das nicht bereit ist, seine Nachhaltigkeitsmaßnahmen offenzulegen?
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Neben Investoren und Geschäftspartnern achten auch Verbraucher und Verbraucherinnen sowie Mitarbeitende zunehmend auf nachhaltige Geschäftspraktiken. Unternehmen, die freiwillig transparent über ihre Nachhaltigkeitsleistung berichten, stärken damit nicht nur ihr Markenimage – einschließlich ihrer Arbeitgebermarke –, sondern auch das Vertrauen ihrer Stakeholder.
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Eine strukturierte Auseinandersetzung mit ESG-Kriterien ermöglicht es Unternehmen, Risiken in ihrer Lieferkette frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu handeln. Dies senkt nicht nur Kosten, sondern verbessert auch die Resilienz gegenüber marktwirtschaftlichen Veränderungen. Das Sustainable Procurement Barometer 2024 von Accenture und EcoVadis hat gezeigt, dass sowohl bei den Unternehmen, die führend in der nachhaltigen Beschaffung sind, als auch bei denjenigen die diesbezüglich einen geringeren Reifegrad haben, Risikominderung, verstärkte Widerstandsfähigkeit und Kosteneinsparungen die drei vorrangigen Vorteile sind, die sie aus ihren nachhaltigen Beschaffungsprogrammen ziehen.
CSRD und ESRS als Rahmenwerke für Zukunftsfähigkeit
Das Omnibus-Paket mag auf den ersten Blick eine Erleichterung für Unternehmen darstellen, doch es wäre ein Fehler, Nachhaltigkeit als reine Pflichterfüllung zu betrachten. Wer die CSRD als strategisches Rahmenwerk nutzt, kann sich langfristig und erfolgreich positionieren. Unternehmen, die frühzeitig freiwillig auf Nachhaltigkeitsberichterstattung setzen, profitieren nicht nur von einer verbesserten Marktstellung, sondern gestalten aktiv eine nachhaltige Zukunft mit.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die CSRD als Hebel für Innovation, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu nutzen. Denn eines ist sicher: Nachhaltigkeit bleibt das entscheidende Thema der kommenden Jahre – unabhängig von regulatorischen Anpassungen.