Mann hält ein Tablet PC, darüber schwebt eine Grafik mit einem virtuellen Einkaufswagen in einem Zahnrad

Welche Vorteile bieten große Produktionsplattformen? (Bild: sasun Bughdaryan/Adobe Stock)

Das Segment der Produktionsplattformen ist noch jung. Es wächst aber stark und ist zudem kräftig in Bewegung geraten. Größter Anbieter weltweit ist die Firma Xometry, die Randy Altschuler 2013 in den USA gegründet hatte. Ende 2019 gelang der Plattform der Sprung nach Europa. Xometry erwarb dazu die in München ansässige Firma Shift, die heute als Xometry Europe firmiert.

Der Einstieg verlief sanft: Die Shift-Gründer leiten die Firma weiter, haben mit dem neuen Eigner aber einen deutlich besseren Zugang zu Kapital und Ressourcen erhalten. Kürzlich übernahmen wir von den US-Kollegen zum Beispiel die technische Besonderheit des Instant Quoting: Preisangebote für ein gewünschtes Teil werden jetzt in Sekunden berechnet. Für Entwickler bietet dieses einmalige Tool eine echte Erleichterung.

Behindern Übernahmen Innovationen?

In der Branche war nach dem Sprung von Xometry über den Atlantik schnell von einer Marktkonzentration nach dem Modell von Amazon die Rede. Firmenübernahmen in jungen Geschäftsfeldern seien schlecht, weil sie technologische Innovationen behinderten, hieß es. Geäußert werden solche Bedenken vor allem von kleineren Mitbewerbern. Doch haben sie Recht mit ihrem Pessimismus? Eher nicht.

In der Krise zeigt sich deutlich, wie erfolgreich das Geschäftsmodell von Xometry Europe ist. Inmitten einer kollabierenden Industrie verzeichnet unsere Plattform derzeit kaum Einbußen. Unvermindert bestellen Firmen ihre Prototypen, Kleinserien und selbst größere Chargen bei den Zulieferern des Xometry-Netzwerks. Das umfasst allein in Europa 1.500 Unternehmen in mehreren Ländern.

Keine andere Plattform vermittelt eine solche Menge an Produktionsbetrieben und –methoden. Unter unseren Partnerfirmen finden sich Allrounder ebenso wie hochspezialisierte Betriebe. Diese breite Lieferantenbasis bedeutet aber keineswegs, dass nur simple Bearbeitungsmethoden möglich sind. Im Gegenteil: Bei uns finden Auftraggeber für nahezu jeden Wunsch den passenden Betrieb – und wir garantieren ihnen gleichbleibend hohe Qualität und Liefertreue.

Nicht nur Blech- und Metallbearbeitung

So vermittelt Xometry Europe heute Aufträge für alle Arten der Blech – und Metallbearbeitung, aber auch für immer mehr Methoden und Materialien im 3D-Druck. Die Zulieferbasis differenziert sich ständig aus und passt sich rasch an Veränderungen an. Seit Ausbruch der Coronakrise sind zum Beispiel zunehmend Medizinprodukte gefragt, denn an Gesichtsmasken und anderer Schutzausrüstung herrscht am herkömmlichen Beschaffungsmarkt Mangel.

Xometry konnte in diesem Umfeld seine Vorteile besonders ausspielen. In unserem umfangreichen Netzwerk finden sich stets Firmen mit geringer Auslastung, die auch kurzfristige Aufträge übernehmen können. Seit im Netz CAD-Modelle von entsprechender Schutzausrüstung frei zugänglich sind, ordern zunehmend Unternehmen und Privatleute diese Produkte über unsere Plattform.

Durchgehende Digitalisierung

Solche Beispiele zeigen, wo wir unschlagbar sind: In der Flexibilität und im Tempo, mit dem selbst kleine und hochspezialisierte Aufträge ausgeführt werden. Anders als in der traditionellen Auftragsfertigung nehmen unsere Lieferanten ihre Orders nicht per Telefon oder Fax an. Unsere Prozesse sind durchgehend digitalisiert, zum Nutzen für beide Seiten.

Die Auftraggeber profitieren von einer schnellen und zuverlässigen Abwicklung. Und die Hersteller müssen sich nicht mehr langwierig um ihre Akquise kümmern. Sie finden heute Aufträge bequem auf unserer Plattform. Der Markt für solche Dienstleistungen ist allein in Europa viele Milliarden Euro groß. Wir hindern also keinen Wettbewerber daran, sich eine eigene Nische in diesem riesigen Feld zu suchen.

Der durchgehend digitalisierte Auftragsprozess war bereits eine Stärke von Shift. Der Einstieg des US-Anbieters Xometry wird unseren Weg sogar noch beschleunigen, denn die USA besitzen Jahre Vorsprung. Wir nutzen das und verbinden inzwischen beide Welten: Die längere US-Erfahrung bei digitalisierten Abläufen und unsere Expertise für die Gegebenheiten auf dem europäischen Markt.

Dass Europa nicht einfach von den USA aus durchgesteuert werden würde, hat Randy Altschuler übrigens schon bei der Shift-Übernahme deutlich gemacht. Er verlässt sich ausdrücklich auf das bisherige Führungsteam in der Münchener Zentrale von Xometry Europe. Die Geschäftsführung um Dmitry Kafidov, Albert Belousov und Alexander Belskiy besitzt langjährige Businesserfahrung im europäischen Maschinenbau. Sie führt das Geschäft unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten, etwa bei den Qualitätsanforderungen. Auch die Qualifikationen im Management waren ein Grund, warum sich der Weltmarktführer bei Produktionsplattformen für den Einstieg bei Europas größtem Anbieter entschieden hatte.

Warum Größe ein Vorteil sein kann

Der von Kritikern einer Marktkonzentration geforderte „deutsche Sonderweg in der Digitalisierung“ erscheint uns überflüssig. Unser Markt ist seit Gründung der Firma vor drei Jahren Europa. Diese Heimatregion kennen wir bestens, für sie haben wir technologische Lösungen entwickelt. Heute können wir auf Zulieferer auf dem gesamten Kontinent zugreifen. Das verbreitert unsere Basis entscheidend und hilft besonders kleinen Unternehmen. Sie hätten sonst keine Möglichkeit, Aufträge aus weit entfernten Regionen zu erhalten. Umgekehrt können Auftraggeber ihre Orders heute in anderen Ländern platzieren, ohne sich Sorgen um die Qualität der Produktion machen zu müssen. Diese garantieren wir, indem wir alle Partner zertifizieren.

Auch hier ist Größe ein Vorteil: Wir können unsere Abläufe zunehmend standardisieren und damit die Kosten senken. Aufgrund all dieser Vorteile erweitern wir unser Angebot rasch. Andere Plattformen kämpfen um Kapital, wachsen deshalb nur langsam und können die wachsenden Anforderungen der Kunden irgendwann nicht mehr erfüllen. Der Vorteil eines größeren Firmenangebots liegt auf der Hand: Auftraggeber wissen, dass sie bei uns viele unterschiedliche Produktionsmethoden bestellen können. Sie müssen nicht bei mehreren Plattformen oder Anbietern Angebote einholen. Wir können ihnen vielmehr ein One-Stopp-Erlebnis bieten, das ihnen Zeit und Geld spart.

Der Autor

Porträt von Dmitri Kafidov
Dmitri Kafidov. (Bild: Xometry)

Dmitry Kafidov ist Geschäftsführer von Xometry Europe, der deutschen Tochtergesellschaft des US-Unternehmens Xometry. Er hat die Produktionsplattform Shift mitgegründet, eines der größten CNC-Fertigungsnetzwerke in Europa. Xometry hat Shift im November 2019 gekauft und umfirmiert.

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