Roboter und Mensch berühren sich mit ihren Zeigefingern

Unternehmen müssen nicht nur eigene Prozesse digitalisieren. (Bild: Alexander Limbach - stock.adobe.com)

Das Konzept des papierlosen Büros geht mindestens 30 Jahre zurück. In dieser Zeit haben Internet und Desktop-Computer viele Entwicklungszyklen durchlaufen. Angesichts der enormen technologischen Sprünge, die wir seitdem gemacht haben, finde ich es unglaublich, dass wir diese Debatte überhaupt führen müssen.

Heute haben Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI) zweifellos das Potenzial, Lieferkettenmanagement und Rechnungswesen zu revolutionieren. Unternehmen versprechen sich eine höhere Effizienz bis hin zu verbessertem SCF (Supply Chain Financing) und innovativen neuen Finanzierungsmöglichkeiten.

Jede Diskussion an diesem Punkt zu beginnen, bedeutet jedoch, einen grundlegenden Schritt auf diesem Weg zu ignorieren. Ohne diesen sind jegliche Vorteile KI-basierter Workflows, Self-Services oder Document-Management völlig irrelevant. Lassen Sie uns also gehen, bevor wir laufen.

Interne Digitalisierung top, externe Digitalisierung flop

Die Art und Weise, wie Unternehmen miteinander Handel treiben, hat sich in den letzten 40 Jahren nicht wirklich weiterentwickelt. Zwar wird die Digitalisierung innerhalb großer Unternehmen vorangetrieben, dennoch sind weltweit bislang nur acht Prozent der Handelstransaktionen digital.

Das fehlende Puzzlestück ist die Digitalisierung zwischen Geschäftspartnern über das gesamte Lieferketten-Ökosystem hinweg. Unternehmensinterne Prozesse zu digitalisieren ist auf den ersten Blick scheinbar einfach, keine Frage. Aber wenn die Partner, mit denen man zu tun hat - Banken, Lieferanten, Käufer, Logistiker - nicht digital sind, dann kehrt der gesamte Prozess auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurück.

Gehen Sie einen Schritt zurück und vergleichen Sie dies mit der Art und Weise, wie Sie Ihr Leben außerhalb der Arbeit leben. Wie viele von Ihnen erhalten immer noch jeden Monat eine Papierkopie Ihres Kontoauszugs? Wie viel bequemer ist es, eine mobile Kopie Ihrer Bordkarte herunterzuladen, wenn Sie am Flughafen ankommen, als daran denken zu müssen, diese Dokumente zu Hause auszudrucken? Warum verschieben sich unsere Erwartungen, sobald wir zur Arbeit gehen?

Der Autor

Portrait von Gert Sylvest von Tradeshift
Gert Sylvest. (Bild: Tradeshift)

Gert Sylvest ist Mitgründer von Tradeshift. Heute ist er General Manager von Tradeshift Frontiers, Das Unternehmen fokussiert sich auf Forschung und Entwicklung zu den Themen Blockchain, Künstliche Intelligenz/Machine Learning und IoT. Zuvor war Gert Sylvest als CTO bei Tradeshift zuständig dafür, die Plattform in China auszurollen und zu etablieren.

An welchen Punkten scheitert der digitale Workflow?

Erstens ist die meiste Unternehmenssoftware einfach nicht für die Arbeit geeignet. Statt es den Unternehmen leicht zu machen, sich mit dem einen und anderen zu verbinden, existieren meist Insellösungen. Eine echte Digitalisierung ist in diesem Rahmen einfach nicht möglich.

Das Beste, was man sich erhoffen kann, ist das Äquivalent eines Telefons, das nur mit Personen telefoniert, die denselben Telekommunikationsanbieter benutzen.

Zweitens ist Ihr Unternehmen vielleicht bestrebt, seine internen Abläufe zu digitalisieren und papierlastige Prozesse zu eliminieren. Und das scheinbar auch erfolgreich. Aber sobald die externen Partner, mit denen Sie zu tun haben, nicht mit an Bord sind, bricht die ganze Strategie schnell zusammen.

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Wer profitiert von einer digitalen Anbindung?

Die meisten Vorhaben, Lieferanten einzubinden beinhalten eine lange To-do-Liste ohne wirkliche Vorteile für den Lieferanten. Das fühlt sich wie ein ziemlich einseitiger Deal an und ist kein großer Motivator. Wie lautet also die Antwort?

Die Allgegenwart von Mobilfunk, Internet und sozialen Medien bedeutet, dass unser Privatleben zunehmend von einer Reihe digitaler Beziehungen bestimmt wird. Wenn Unternehmen Papier loswerden wollen, dann täte die Industrie gut daran, sich von Websites wie Linkedin inspirieren zu lassen. Sie bieten ein digital vernetztes Ökosystem, das es sehr einfach macht, sich zu verbinden und Informationen auszutauschen.

Eine solche IT-Infrastruktur lehrt uns auch, dass Zuckerbrot und Peitsche viel wirksamer sind als nur die Peitsche, wenn man das Verhalten beeinflussen will. Wenn Ihr Ziel darin besteht, papierlastige Prozesse abzuschaffen, müssen Sie auch Anreize schaffen, um gewohntes Verhalten zu ändern.

Digitale Transformation muss alle mit ins Boot holen

Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz bieten uns einen Blick in eine spannende Zukunft. Sie öffnen auch die Tür für eine Reihe von Innovationen, die den Lieferanten helfen werden, die unmittelbaren Vorteile der Digitalisierung zu erkennen.

Das können schnellere Genehmigungen sein oder verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten der Lieferkette. Doch bevor wir uns wirklich von der Vergangenheit verabschieden können, müssen wir unsere Hausaufgaben richtig machen.

Die Software ist vorhanden, um eine vollständige Digitalisierung in großem Maßstab zu erreichen. Aber die Vorteile, die diese Technologie ermöglicht, haben sich immer auf den Käufer konzentriert.

Neue Technologie ist die eine Sache. Aber wenn das papierlose Büro jemals zur neuen Normalität werden soll, dann müssen neue Perspektiven und neue Geschäftsmodelle her. Und sie müssen dem gesamten Ökosystem der digitalisierten Geschäftsbeziehungen Vorteile bieten. Nicht nur den Kunden.

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