Containerschiff mit Ladung fährt von rechts ins Bild, Blick von oben

Weltweit oder in der Umgebung beschaffen? Für beide Strategien gibt es Vorteile und Nachteile. (Bild: aerial-drone/Adobestock)

Inhaltsverzeichnis

Sie haben wenig Zeit? Dann springen Sie doch direkt zum jeweiligen Abschnitt.

Ob im Urlaub oder beim Einkauf, Deutsche verabscheuen weite Wege. Deshalb verbringt nicht nur jeder dritte Deutsche seine Ferien am liebsten im Allgäu oder auf Usedom. Auch jeder zweite deutsche Mittelständler kauft laut einer Studie der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig Vorprodukte am liebsten beim Lieferanten um die Ecke. Nur bei Bedarf beschaffen 43 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen auch im Ausland. Damit verzichten sie auf die zehn bis 30 Prozent Kostenersparnis, die sie durch eine internationale Beschaffung durchschnittlich erzielen könnten. Allerdings sparen sich die Betriebe auch die Risiken und den Organisationsaufwand, die mit dem weltweiten Sourcing einhergehen.

Local Sourcing für den heimischen Absatz

Ohnehin orientieren sich Einkaufsmanager längst nicht mehr nur an den reinen Stückpreisen. Vielmehr berücksichtigen sie bei ihren Entscheidungen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die politische Stabilität im Beschaffungsland.

Auch die Transport-, Verpackungs- und Zwischenlagerungskosten, Zolltarife, den mit der Beschaffung einhergehenden Reise- und Verwaltungsaufwand sowie die Kosten, die durch Qualitätsprobleme oder verzögerte Lieferungen in Folge von Streiks, Naturkatastrophen, Stromausfällen oder überlasteten Häfen im Heimatland des Zulieferers spielen eine Rolle.

Immer öfter führt diese Betrachtung der Total Cost of Ownership auch die Beschaffungsmanager von Unternehmen mit eigenen Auslandswerken zu der Erkenntnis, dass der Einkauf bei Zulieferern vor Ort oder in der Region günstiger ist als die internationale Beschaffung. Diese Vor- und Nachteile des Local bzw. Global Sourcing müssen Sie gründlich abwägen. Wir haben sie zusammengetragen.

Schild mit der Aufschrift Locals only
Local Sourcing hat viele Vorteile. Schlagen sie die Nachteile? (Bild: Mr. Doomits/Adobestock)

Vorteile von Local Sourcing

  • Kürzere Lieferkette ist sicher

Natürlich gibt es überall auf der Welt Streiks, Naturkatastrophen oder Stromausfälle. Doch ist das Risiko, dass derartige Zwischenfälle Unternehmen zwingen, ihren Betrieb zu unterbrechen, in Deutschland deutlich geringer als etwa in China oder Mexiko. Da Vorprodukte beim Einkauf vor Ort keine Containerterminals und Zollstationen durchlaufen müssen bis sie die Fertigung erreichen, ist die Lieferkette beim Local Sourcing zudem kürzer und besser zu überblicken. Ob Lieferungen pünktlich ankommen, lässt sich deshalb zuverlässiger vorhersagen.

  • Mehr Flexibilität

Erst kürzere und stabilere Lieferketten ermöglichen es Unternehmen, sich Just in Time oder Just in Sequence beliefern zu lassen. Nur, wenn Material schnell beschafft und geliefert ist, lässt sich auch flexibel auf unerwartete Nachfragespitzen reagieren. Müssen Logistikdienstleister bestellte Vorkomponenten und Materialien erst wochenlang per Container antransportieren, können Kunden ihren Bedarf anderweitig gedeckt haben, bevor der Betrieb mit der Produktion beginnen kann.

  • Räumliche Nähe schafft Vertrauen

Die räumliche Nähe des Zulieferer erleichtert es Einkäufern, diesen persönlich zu besuchen. Das kann der Fall sein, wenn Probleme mit der gelieferten Qualität für Gesprächsbedarf sorgen, oder Verträge verlängert oder neuausgehandelt werden sollen. Erst der regelmäßige persönliche Kontakt schafft außerdem das Maß an Transparenz und Vertrauen, das Einkaufsmanager brauchen, wenn sie bei Zulieferern komplexe und teure Güter beschaffen, oder sie von diesen Komponenten anfertigen lassen, mit denen sich ein Unternehmen von seinen Wettbewerbern abhebt. Die räumliche Nähe macht es dem beschaffenden Unternehmen auch leichter, neue Produkte gemeinsam mit seinen Lieferpartnern zu entwickeln. Nicht zuletzt entfallen beim Einkauf vor Ort oft langwierige und aufwändige Qualifizierungen von Lieferanten, weil diese im gleichen Rechtsraum ansässig sind und somit ohnehin dieselben Normen und Standards befolgen, wie ihre Kunden.

  • Geringere Transportkosten

Selbstverständlich sind die Preise für die meisten Vorprodukte in Deutschland höher als etwa in Asien. Allerdings fallen beim Local Sourcing auch erheblich geringere Transport- und Verpackungskosten an. Dies ist vor allem dann von Vorteil, wenn Unternehmen nur kleine Volumina beschaffen und der Transportkostenanteil entsprechend hoch ist.

  • Positives Markenimage

Wer Vorprodukte lokal oder in der eigenen Region einkauft, sichert damit Arbeitsplätze bei seinen Lieferanten und zeigt, dass er deutsche Umwelt- und Arbeitsschutzvorgaben respektiert. Für Marketingabteilung und Pressestelle ist der Einkauf vor Ort somit ein stichhaltiges Argument, das belegt, wie ernst Unternehmen ihre soziale und ökologische Verantwortung nehmen.

  • Gesetzliche Vorgaben

In zahlreichen Schwellenländern dürfen Unternehmen ihre Produkte nur verkaufen, wenn diese ein Mindestmaß an lokaler Wertschöpfungstiefe aufweisen. In solchen Fällen gibt es keine Alternative zum Einkauf vor Ort.

  • Entwicklungswirkung vor Ort

Die Lokale Beschaffung ist zudem ein wichtiger Treiber für die Entwicklung eines Landes. Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen vor Ort beziehen, sichern damit Einkommen und Arbeitsplätze bei den lokalen Zulieferern. Das besagt die Studie "Unlocking the benefits of local sourcing for companies and societies", der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH.

„Gut geplante Maßnahmen, die den Anteil der lokalen Beschaffung erhöhen, schaffen Mehrwert für Unternehmen und Gesellschaft. Die Unternehmen können Kosten senken, besser planen und sind lokal besser verankert. Zulieferer können ihren Absatz stärken und darüber hinaus mit ihren Produkten in globale Wertschöpfungsketten vorstoßen. Und nicht zuletzt führen steigende lokale Einkommen zu wachsenden Steuereinnahmen und mehr Kaufkraft“, so Christiane Laibach, Sprecherin der DEG-Geschäftsführung.

Nachteile von Local Sourcing

  • Hohe Kosten in Deutschland

Selbstverständlich profitieren deutsche Einkäufer, die Bedarfe vor Ort decken, nicht von den niedrigeren Stückkosten internationaler Anbieter. Oft sind Arbeits- und damit Endkosten bei deutschen Lieferanten im Vergleich zu Zulieferern aus Niedriglohnländern so hoch, dass Einkäufer bei einzelnen Warengruppen gar keine Alternative zur internationalen Beschaffung haben, wenn ihre Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben sollen.

  • Wettbewerbsnachteile

Da Produktlebenszyklen immer kürzer werden, müssen Unternehmen immer schneller neue Produkte entwickeln. Wer Kunden dabei einen Mehrwert bieten will, den die Konkurrenz noch nicht liefern kann, muss dazu oft innovative Systeme oder Komponenten bei Anbietern im Ausland zukaufen.

  • Begrenzte Kapazitäten

In manchen Branchen sind freie Fertigungskapazitäten lokal und regional oft nur begrenzt vorhanden. Dann müssen Einkäufer zwangsläufig auf Lieferanten und Lohnfertiger im Ausland ausweichen.

Stempel mit der Aufschrift Worldwide Sourcing als Symbol für die weltweite Beschaffung
Welche Vorteile bietet weltweite Beschaffung? (Bild: Stuart Miles/Adobestock)

Vorteile von Global Sourcing

  • Niedrigste Einstandspreise

Da Arbeitnehmer in Osteuropa oder Asien noch immer weniger verdienen als deutschen Kollegen, können diese Vorprodukte und Komponenten erheblich günstiger produzieren als deutsche Zulieferer. Nichts spricht deshalb so sehr für Global Sourcing wie die niedrigen Stückkosten und Einstandspreise, die sich im Ausland erzielen lassen. Verweisen Einkäufer in Verhandlungen mit ihren lokalen oder regionalen Lieferanten auf eine internationalisierte Supply Chain, steigt dadurch zudem der Druck auf die heimischen Anbieter, attraktive Preise anzubieten. Sonst bekommen sie den Auftrag nicht.

  • Verfügbarkeit

Manche Rohstoffe wie Kupfer oder Seltene Erden lassen sich in Deutschland nur über Zwischenhändler beschaffen. Deshalb kann es günstiger sein, das Material gleich in den Ursprungsländern zu beschaffen. Wenn internationale Anbieter innovative Produkte mit Patenten schützen, lassen sich auch diese nur im Ausland besorgen.

  • Neue Absatzmärkte

Wer im Ausland nach Lieferanten sucht, gewinnt dabei auch Kontakte zu neuen Kunden. So erschließen sich durch das globale Sourcing auch neue Absatzmärkte.

Nachteile von Global Sourcing

  • Hoher Aufwand

Wer weltweit beschafft, braucht eine Einkaufsabteilung, die die globale Beschaffung sowie die damit verbundene Logistik organisieren kann und über die erforderlichen interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen verfügt. Die Einkaufsabteilung muss sich außerdem mit den unterschiedlichen Zoll- sowie Ausfuhrvorschriften zahlreicher Länder auskennen und den Überblick über unterschiedliche metrische Systeme, Industrienormen sowie die Entwicklung der Wechselkurse und politischen wie rechtlichen Länderrisiken haben. Der Aufbau und Unterhalt einer entsprechend ausgestatteten Einkaufsabteilung ist teuer.

  • Räumliche Distanz

Einkäufer, die Zulieferer in Vietnam, Indien oder Brasilien dabei unterstützen wollen, technische Probleme zu lösen, damit diese die gewünschte Qualität liefern, brauchen Zeit und müssen weite Reisen auf sich nehmen. Alternativ lassen sich Mitarbeiter auch für begrenzte Zeit ins Ausland entsenden, um die Entwicklung des Lieferanten vor Ort zu unterstützen. In jedem Fall entstehen dadurch erhebliche Kosten.

Die räumliche Entfernung zu den Partnern erschwert jedoch nicht nur die Entwicklung und Kontrolle des Lieferanten. Auch eine enge und vertrauensvolle Beziehung mit Zulieferern lässt sich dadurch nur mit erheblich größerem Aufwand aufbauen und unterhalten. Das macht vor allem den Einkauf in Ländern wie China schwierig, in denen der Einkaufserfolg maßgeblich von der Pflege der persönlichen Kontakte zu Lieferpartnern abhängt.

Nicht zuletzt, verlängern sich durch die weiten Transportwege die Lieferzeiten und die Zeit, die es braucht, bis Kunden auf Probleme bei ihren Zulieferern reagieren können.

  • Mehr Risiko

Wer weltweit einkauft, muss das Unberechenbare lieben. Denn Erdbeben, Stürme, Überschwemmungen, Wechselkursschwankungen, Rechtsunsicherheit oder eine unberechenbare und protektionistische Handels- und Wirtschaftspolitik machen die Beschaffung in vielen Ländern zu einem Abenteuer.

Durch die längeren Lieferwege ist außerdem das Risiko größer, dass Vorprodukte in Häfen oder beim Zoll hängen bleiben oder während des Transports Schaden nehmen. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass Zulieferer strategisch bedeutsames Know-how stehlen, weil sie aufgrund der räumlichen Entfernung glauben, dabei nicht entdeckt zu werden.

  • Overhead- und Transportkosten fressen Einsparungen auf

Die Kosten, die Einkäufern durch den größeren organisatorischen Aufwand sowie die komplexere Logistik bei der Beschaffung im Ausland entstehen, können die Kostenvorteile in Niedriglohnländern schnell auffressen. Ohnehin steigen die Lohnkosten auch dort kontinuierlich, so dass Länder die heute noch günstig sind, es morgen nicht mehr sein müssen.

Einkäufer sind dann gezwungen, den Beschaffungsmarkt zu wechseln und mühsam aufgebaute Netzwerke zurückzulassen. Da es nach Berechnungen des britischen Einkäuferverbandes, Chartered Institute of Procurement & Supply, bis zu zwei Jahre dauert, bis sich nach der Erschließung eines neuen Beschaffungsmarktes erste Einsparungen in der Bilanz niederschlagen, ist Märkte-Hopping ineffizient und kontraproduktiv, wenn Einkäufer durch Global Sourcing ihre Kosten senken wollen.

Auch die im internationalen Einkauf bereits heute höheren Transportkosten, vernichten einen großen Teil der durch günstigere Einstandspreise erzielten Ersparnis. Global Sourcing lohnt sich bei vielen Warengruppen deshalb ohnehin nur, wenn die beschafften Volumina hoch sind und die Frachtraten und Verpackungskosten pro Stück entsprechend niedrig.

  • Unternehmensverantwortung

Geiz ist schon lange nicht mehr geil. Deshalb verzeihen Verbraucher es heute ebenso wenig, wenn falsch deklariertes Pferdefleisch aus der Ukraine in ihrer Lasagne landet, oder Bekleidungs- und Elektronikproduzenten in Werken in Bangladesch oder Pakistan Kinder für sich arbeiten lassen und die Menschenrechte verletzen.

Wer bei einer Global-Sourcing-Strategie also nicht genau darauf achtet, dass Lieferpartner soziale, arbeitschutzrechtliche und ökologische Standards einhalten, schadet dem Ansehen seines Unternehmens und seiner Marke. Das kann sehr teuer werden!

Sie möchten gerne weiterlesen?