
Die Versorgung mit Gips und Anhydrit könnte in absehbarer Zeit kritisch werden. (Bild: faegga - stock.adobe.com)
Gips und Anhydrit sind aufgrund ihrer Eigenschaften unverzichtbare Rohstoffe in der Bau- und Baustoffindustrie. Darüber hinaus werden hochreine Gipse für zahlreiche Spezialanwendungen benötigt. Bisher wurde ein großer Teil des heimischen Bedarfs durch den anfallenden Gips aus der Rauchgasentschwefelung der Kohleverstromung gedeckt, den sogenannten REA-Gips. Durch den von der Bundesregierung geplanten Kohleausstieg wird diese Rohstoffquelle allerdings bis spätestens 2038 vollständig wegfallen. Eine BGR-Studie gibt jetzt einen Überblick über die Versorgungslage mit heimischen Gipsrohstoffen.
Gipsvorkommen gibt es genug
„Deutschland hat zwar insgesamt ausreichende Vorkommen an natürlichen Gipsrohstoffen, allerdings sieht die Raumplanung auch aus Naturschutzgründen nicht überall eine Gewinnung von Gips- und Anhydritstein vor“, erklärt Sören Henning, Autor der BGR-Studie „Gips und Anhydrit – Gipsrohstoffe in Deutschland“. „Zudem verfügt nicht jedes Bundesland aus geologischen Gründen über wirtschaftlich nutzbare Vorkommen. Das engt die Möglichkeiten für eine ausreichende überregionale Versorgung ein“, so Henning. Der BGR-Rohstoffexperte hat deshalb bei seinen Recherchen für den Bericht einen Großteil der 63 aktiven Gewinnungsstellen in Deutschland vor Ort untersucht.
Gipsabbau versus Naturschutz
Oft steht der Naturschutz der Erschließung zusätzlicher natürlicher Ressourcen im Weg. Denn Abbauprojekte sind in der Öffentlichkeit wenig akzeptiert und führen daher häufig zu Konflikten.
Daraus resultieren wiederum langwierige Genehmigungsverfahren für die Erweiterung oder Neuerschließung von Gewinnungsflächen und damit Unsicherheiten bei der Rohstoffsicherung in der Regionalplanung. „Zwar ist die Gewinnung mineralischer Rohstoffe immer auch mit einem Eingriff in die Natur verbunden, die Bestrebungen der gipsgewinnenden Unternehmen für einen naturverträglichen Abbau von Gipsrohstoffen sind allerdings zahlreich“, betont BGR-Experte Henning.
So sind Renaturierungen und Rekultivierungen feste Bestandteile der Rohstoffgewinnung und ehemalige Steinbrüche leisten einen wichtigen Beitrag für den Natur- und Artenschutz. Um den Eingriff in die Landschaft möglichst gering zu halten, wird zur Deckung des heimischen Rohstoffbedarfs vermehrt auch wieder die Untertage-Gewinnung von Gipsrohstoffen in Betracht gezogen.
Alternative Gipsgewinnung in der Industrie
Auf der anderen Seite rücken alternative Versorgungsquellen verstärkt in den Blick. Doch auch hier gibt es Einschränkungen. „Leider können eine Vielzahl der in technischen Prozessen anfallenden Gipse wie etwa Phosphorgips derzeit nicht oder nur bedingt in der Gipsindustrie eingesetzt werden“, erläutert Henning.
So verhindern spezielle Eigenschaften, Verunreinigungen oder die inhomogene Beschaffenheit dieser Gipse sowie zu geringe anfallende Mengen eine Verwendung. Darüber hinaus ist der Einsatz alternativer Baustoffe auf Basis anderer mineralischer oder nachwachsender Rohstoffe aus bautechnischen und ökonomischen Gründen sowie der teils eingeschränkten Verfügbarkeit und Anwendungsmöglichkeiten nicht flächendeckend möglich.
„Spezialgipse, deren geologische Vorkommen auf wenige Regionen beschränkt sind, lassen sich aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften in vielen Anwendungen nur schwer oder gar nicht durch andere Rohstoffe ersetzen“, so Henning.

Die Autorin: Dörte Neitzel
Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.
Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.
Naturgips ist nicht rein genug
Einer der Hauptgründe für den Bedarf zur Ausweisung weiterer Flächen zur Gewinnung von Naturgips ist der stetige Wegfall des REA-Gipses infolge des geplanten vollständigen Ausstiegs aus der Kohleverstromung. So schont die Zugabe von REA-Gips zu Naturgips, der über eine zu geringe Reinheit für die Herstellung von Baustoffen verfügt, aktuell noch die natürlichen Ressourcen.
Weiterhin müssen die zahlreichen Gipswerke, die speziell für den Einsatz von REA-Gips in der Nähe von Kohlekraftwerken errichtet wurden und vor allem Gebiete mit fehlenden natürlichen Gipsvorkommen beliefern, durch Rohstoffimporte oder Naturgips aus anderen inländischen Regionen versorgt werden.
„Zwar leistet das Recycling einen steigenden Beitrag an der Versorgung mit Gips. Allerdings reicht die dort anfallende Menge auch perspektivisch nicht aus, um den Wegfall von REA-Gips vollständig zu kompensieren“, betont Henning. „Um die Potenziale des Gips-Recyclings voll ausschöpfen zu können, müssten die dringend notwendigen Hemmnisse für den Einsatz von Recycling-Gips beseitigt werden“, so der BGR-Rohstoffexperte.
Gewinnung von Gips und Anhydrit in Deutschland
Derzeit gibt es in Deutschland 63 Gewinnungsstellen für Gips- und Anhydritstein. Davon sind neun komplett oder teilweise untertägig. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 4,73 Millionen Tonnen Naturgips und -anhydrit gewonnen und in deutschen Kohlekraftwerken rund 3,4 Millionen Tonnen REA-Gips erzeugt.
Darüber hinaus werden jährlich schätzungsweise 350.000 bis 500.000 Tonnen Fluoroanhydrit aus der heimischen Flusssäureproduktion, rund 100.000 Tonnen Gips aus dem Recycling (ohne Wiederverwertung von Produktionsausschüssen) und etwa 50.000 Tonnen Zitronensäuregips aus Importen in der heimischen Gips- und Zementindustrie eingesetzt.
Im Jahr 2023 wurden rund 127.000 Tonnen Gips- und Anhydritstein sowie 97.000 Tonnen gebrannter Gips nach Deutschland importiert. Im gleichen Jahr wurden rund 736.000 Tonnen Gips- und Anhydritstein sowie ca. 754.000 Tonnen gebrannter Gips exportiert.
Gips fast ausschließlich für die Bauindustrie
Der Haupteinsatz von Gips und Anhydrit liegt in Deutschland in der Bau- und Baustoffindustrie. So werden jährlich etwa 87 Prozent des gewonnenen Gips- und Anhydritsteins sowie rund 76 Prozent des produzierten REA-Gipses für Gipserzeugnisse für den Bau und als Zuschlagstoff für die Herstellung und Verarbeitung von Zement eingesetzt.
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