Lithium: Was passiert mit den Vorkommen in der Ukraine

In der Ukraine befindet sich eines der größten Lithiumvorkommen Europas. Es liegt in der seit Jahren umkämpften Oblast Donezk und gehört der australischen Firma European Lithium mit Europazentrale im österreichischen Kärnten. European Lithium hat sich noch im Jahr 2021 Lagerstätten für Lithium gesichert. Die zwei infrage kommenden Gebiete sollen sehr vielversprechend sein. Doch seit Februar 2022 liegen diese im Hauptkriegsgebiet, nachdem Wladimir Putin sein Nachbarland überfallen hat.

Das Problem: Die russische Armee konzentriert ihren Angriffskrieg in der Ukraine auf die Einnahme der Donbass-Region im Osten des Landes. Die Lagerstätten liegen keine zehn Kilometer nördlich der Frontlinie, auf der ukrainisch kontrollierten Seite der Oblast Donezk. Nahe der Kleinstadt Shevchenko liegt eines der Lithiumvorkommen, das das Potenzial hat, zu einer der größten Abbaustätten des Metalls in Europa zu werden. Doch das Gebiet könnte bald in russische Hände fallen.

Der Rohstoffreichtum der Ukraine ist von massiver geostrategischer Relevanz und ein nicht zu unterschätzender Grund für Russlands Angriffskrieg auf das osteuropäische Land. Putins autokratisches System speist sich vor allem durch Rohstoffverkäufe. War es lange Zeit Erdöl und Kohle, das zum Staatshaushalt beitrug, schwenkte das ab den 2000er-Jahren hin zu Erdgas. Denn die langsam aufziehende Defossilisierung der globalen Wirtschaft würde die Situation in Russland ändern. Also wollte Russland seine Machtposition mit Nordstream 1 und 2 ("Gas als Brückentechnologie") stärken und damit die Abhängigkeit Europas und vor allem Deutschlands zementieren.

Im Zuge der Energiewende lässt sich aber feststellen: Russland verfügt zwar über Vorkommen von Nickel, Kupfer und Platin sowie Palladium, jedoch über nur wenig eigene Lithium-Vorkommen. In der Ukraine dagegen lagern einige der größten Europas. Als EU-Mitglied könnte Ukraine also die europäischen Abhängigkeiten bei strategischen Rohstoffen massiv lindern und aus den Verkaufserlösen der Rohstoffe die hohen Wiederaufbaukosten finanzieren. Würde die Ukraine dagegen von Russland geschluckt, stiege dadurch Russlands Marktmacht enorm. Schwelt der Krieg weiter, neutralisiert sich der Faktor, weil niemand unter den gegebenen Umständen investieren wird. Aktuell steht die Produktion in den Lithium-Lagerstätten still.

Lithium-Gebiete in der Ukraine sind seit den 1980er-Jahren bekannt

Die beiden Gebiete mit den Lithiumvorkommen wurden bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren entdeckt. Sie liegen in Shevchenkivske in der Region Donezk sowie in Dobra in der westukrainischen Region Kirovograd. Beide Standorte sollen nach modernen Methoden „unterexploriert“ sein und „enthalten signifikante erwartete Ressourcen“, zitiert die Webseite Electrive.net aus einer E-Mail der Australier.

European Lithium hat das bereits dort engagierte Unternehmen Petro Consulting LLC gekauft. Verkäufer war Millstone and Company Global DW LLC mit Sitz in der Ukraine. Im Gegenzug sollte Millstone in European Lithium investieren und in mehreren Tranchen Aktien im Wert von bis zu 20 Millionen Australischen Dollar (rund 12,9 Millionen Euro) zeichnen, wobei 2,5 Millionen australische Dollar sofort investiert werden. Weitere 2,5 Millionen australische Dollar sollten vorbehaltlich der Zustimmung der Aktionäre folgen.

Lithium-Gebiet Dobra

Das Gebiet liegt im Novoukrainsky District in der Kirovograd-Region, etwa 230 Kilometer südlich von Kiew. Die mögliche Gesamtausbeute gibt European Lithium zwischen 80 und 105 Millionen Tonnen an. Der Anteil des Lithiumhydroxids liegt bei 1,1 bis 1,4 Prozent.

Lithium-Gebiet Shevchenkivske

Das Gebiet liegt im Velykonovosilkivskyi District, in der Region Donezk, etwa 530 Kilometer südöstlich von Kiew. Hier lagern vermutlich zwischen 11 und 14 Millionen Tonnen 1,2- bis 1,3-prozentiges Lithiumhydroxid.

European Lithium besitzt ein Lithium-Abbauprojekt im österreichischen Wolfsberg in Kärnten. Die neuen Lagerstätten sollten "stufenweise" akquiriert werden. Erst im November 2022, sollte der Kauf dann komplett unter Dach und Fach sein.

Russland besetzt wichtige Rohstoff-Förderstätten

Bereits seit 2014 kontrolliert Russland große Teile der Lagerstätten in den Gebieten Donezk und Luhansk. Mit dem Angriffskrieg im Februar 2022 hat sich die Lage verschärft. Nach Erhebungen der kanadischen Denkfabrik SecDev besetzt Russland ukrainische Rohstoffvorkommen im Wert von 12,4 Billionen US-Dollar, darunter 41 Kohleminen, 27 Gaslagerstätten, 9 Ölfelder und 6 Eisenerzvorkommen. Außerdem blockieren die Besatzer Kalksteinlagerstätten, die für die Stahlproduktion im Land benötigt werden, so Germany Trade & Invest (gtai).

Lithim-Lagerstätten in der Ukraine sind folgende (Quelle: gtai, Ukraine Geological Survey):

• Kruta Balka (Region Saporischschja)
• Dobra (Dnjepopetrovsk)
• Polokhivske (Region Kirovograd)
• Shevchenkivske (Region Donezk)
• Kirowograd (Region Swerdlowsk)

Lithium-Versorgung in Europa sichern

„Ich freue mich sehr über die Gelegenheit, die beiden ukrainischen Lithiumvorkommen zu erwerben und diese mit unserem bereits fortgeschrittenen Lithiumprojekt in Wolfsberg zu vereinen. Somit können wir nicht nur zum ersten lokalen Lithiumhydroxid-Produzenten in Europa werden, sondern formen gleichzeitig den größten Lithium-Konzern des Kontinents und tragen nachhaltig zur Sicherung der europäischen Nachfrage nach Lithium bei“, sagte Tony Sage, Non-Executive Chairman von European Lithium noch vor dem Kauf. Was nun passiert, steht jedoch nicht fest - European Lithium konzentriert sich vorerst auf sein Wolfsberg-Projekt in Österreich.

Im Fact Sheet aus dem Mai 2022 werden die ukrainischen Vorkommen in Dobra und Shevchenkivske jedoch noch aufgeführt.