Die Corona-Krise hat massive wirtschaftliche Auswirkungen. Besonders heftig trifft es Staaten im globalen Süden. In hohem Maße betroffen sind Länder, in denen der Rohstoffsektor eine zentrale Rolle spielt und die Pandemie die globalen Lieferketten unterbricht.
Hier kommen neben den wirtschaftlichen auch noch die gesellschaftlichen Auswirkungen hinzu. Wichtige Einnahmen brechen weg, die Verschuldung steigt und mit ihr wächst die Armut.
Welche Folgen das nicht nur für die Menschen, sondern auch für die international geforderten Sorgfaltspflichten eines verantwortungsvollen Bergbaus hat, beleuchtet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in einer neuen Kurzstudie am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo.
Wenige Standards im Kleinbergbau
In dem zentralafrikanischen Land bietet nicht nur der industrielle Bergbau Beschäftigung. Bis zu einer Million Menschen arbeiten in der DR Kongo im sogenannten artisanalen Kleinbergbau. Dabei wird das Erz mit einfachsten Mitteln von Hand abgebaut. Daher wird er auch artisanaler Bergbau (handwerklich) genannt.
Im Gegensatz zum industriellen Bergbau mangelt es in diesem Kleinbergbau, in dem weltweit rund 40 Millionen Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen, an hinreichenden Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards. Nirgendwo wird dies deutlicher als im Kongo. Dessen Kleinbergbau gerät immer wieder durch Kinderarbeit oder der Finanzierung von gewalttätigen Konflikten und Menschenrechtsverletzungen in die Schlagzeilen.
Gleichzeitig ist der kongolesische Kleinbergbau, in dem eine große Palette an Rohstoffen gewonnen wird, enorm wichtig für die internationale Rohstoffversorgung.
Kongo liefert 60 Prozent des weltweiten Kobalts
Beispiel Tantal. Das Technologiemetall kommt in Smartphones und anderen elektronischen Geräten zum Einsatz. 30 Prozent der weltweiten Tantal-Produktion stammen aus dem Kongo. Dort wird der Rohstoff fast ausschließlich im Kleinbergbau gewonnen.
Auch an der Kobalt-Förderung sind die kongolesischen Kleinbergleute nicht unerheblich beteiligt: Durchschnittlich 10 Prozent des weltweit geförderten Kobalts stammten in den vergangenen Jahren aus dem Kleinbergbau der DR Kongo. Kobalt ist ein Schlüsselrohstoff für die Elektromobilität. Das Erz wird für die Herstellung von wieder aufladbaren Lithium-Ionen-Akkus benötigt.
Zusammen mit der Produktion des industriellen Bergbaus im Land kam die kongolesische Kobalt-Förderung zuletzt auf einen Weltmarktanteil von mehr als 60 Prozent.
Weniger Kontrollen vor Ort
Durch Corona kommt es in den Lieferketten zu Liquiditätsengpässen. Der Grund: Die Produzenten und Händler hatten Schwierigkeiten, Abnehmer für ihre Rohstoffe zu finden oder den Transport zu organisieren. Durch diese Entwicklung verschärft sich die Armut vor Ort. Dies begünstigt wiederum die Kinderarbeit sowie das Auftreten von sozialen Konflikten.
Um verantwortungsbewusst Rohstoffe aus Konflikt- und Hochrisikoregionen wie dem Kongo zu beziehen, sind die beschaffenden Unternehmen in der Pflicht, die Einhaltung bestimmter Standards in ihren Lieferketten zu gewährleisten. Bislang sollen das Maßnahmen vor Ort gewährleisten, beispielsweise Mineninspektionen der Regierung sowie Programme zur Nachverfolgung von Rohstofflieferketten.
Genau das hatten Unternehmen sowie die BGR gemeinsam mit kongolesischen Partnern angestoßen: die Zertifizierung und Kontrolle des artisanalen Kleinbergbaus zu verbessern. Mit der Corona-Krise sind solche Projekte jedoch gefährdet, die Programme leiden unter akutem Finanzmangel. Die Folge: Internationale Einkäufer von Rohstoffen haben damit weniger Einblick in die Situation vor Ort und mögliche Lieferkettenrisiken.
So gehen erzielte Erfolge nicht den Bach runter
Die in den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte für mehr Transparenz in den artisanalen Lieferketten werden dadurch zunehmend in Frage gestellt, so das Fazit der BGR-Studie. „Kollektives Handeln ist notwendig, um die bestehenden nachhaltigen Lieferketten für Rohstoffe auch nach der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen“, erklärt Dr. Bali Barume, leitender Projektmitarbeiter der BGR im Ostkongo.
Der BGR-Experte empfiehlt: „Entsprechend der Leitsätze der OECD sollten Unternehmen ihre Lieferketten auf negative Aspekte der Corona-Pandemie überprüfen und verstärkt mit lokalen Organisationen vor Ort kooperieren, um sicherzustellen, dass sie stets über die aktuellen Entwicklungen in den Bergbaustandorten im Bilde sind“.
Die Belastung durch das Virus könnte jedoch auch eine Chance darstellen, da sie krisenanfällige Mechanismen von Industrieprogrammen zur Sorgfaltspflicht offenlegt und Anlass zu Reformen geben kann. Hierzu zählt insbesondere eine gerechtere Aufteilung der Kosten zwischen der vor- und nachgelagerten Rohstofflieferkette.