Die herstellende Industrie hat viel zu tun, wenn sie ihre eigenen Erwartungen in Sachen “smart Products” erfüllen will: 54 Prozent gehen davon aus, dass sie im Jahr 2020 ihr Produktangebot mit Services ergänzen.
18 Prozent gehen sogar davon aus, dass sie Produkte nicht mehr verkaufen, sondern nur noch als Service zur Verfügung stellen. Und hier sind Portfolios denkbar, die die Produktnutzung mit Wartung und Service als Bundle schnüren.
Herausforderung längere Kundenbindung
Heute allerdings verkaufen Hersteller und Großhändler ihre Produkte fast immer noch über einmalige Transaktionen. Die Beziehung zwischen Kunde und Händler sind in diesem Prozess relativ kurz. Bei größeren oder komplexeren Produkten schließen Hersteller und Händler oft zusätzlich lukrative Wartungs- oder Servicevertrag ab (Aftersales-Services), so dass sich die Geschäftsbeziehung zwar verlängert, aber meist nur einzelne Berührungspunkte beinhaltet.
Dieses starre Geschäftsmodell hat lange gut funktioniert – birgt aber heute Gefahren für Kunden und Hersteller sowohl im B2B als auch im B2C-Bereich:
- Hohe Investitionen in Maschinen, die daraus folgende Kapitalbindung und damit das Risiko verhindert oft die Kaufentscheidung – ein Wettbewerber macht das Rennen um den Kunden.
- Marktteilnehmer mit höherer Service-Orientierung und -Kompetenz sichern sich die Wartungs- und Serviceaufträge – der Umsatz ist weg. Die enge, langfristige Kundenbeziehung ebenso.
- Wettbewerber mit nutzenorientierten Abrechnungsmodellen sichern sich Marktanteile – die Bedeutung von Herstellern mit traditionellem Vertriebsmodell im Markt sinkt.
- Volatile Märkte und Auftragssituationen führen zu schwankender Auslastung aber gleichmäßig hohen Kosten – der Bedarf nach flexiblen Abrechnungsmodellen, die mit der Auftragslage „mitatmen“, steigt.
- Volatile Märkte und disruptiv wirkende Substitutionsprodukte gefährden den Nutzen langfristig angeschaffter Investitionsgüter. Sie steigern das Investitionsrisiko zusätzlich und den Bedarf nach Service-orientierten Angeboten für Investitionsgüter (CAPEXàOPEX Diskussion).
- Gesellschaftliche Effekte: Junge Endkunden (digital Natives) scheuen zunehmend eine lange Bindung an Güter durch Kauf, da sich ihre Bedürfnisse ständig ändern und sie gern Trends folgen. Eigentum stellt keinen anziehenden Wert mehr dar, sondern der Nutzen und die Nutzung stehen im Vordergrund. Typische Angebote nimmt diese Kundengruppe schon immer als Dienstleistungen in Anspruch und stellt für sie die bevorzugte Form des Geschäftsmodells dar (z.B. Handy-, Internet-, Musik- und Video-Flatrate oder Volumentarife, Car-Sharing, Wohnungsmiete).
- Hinzu kommen ökologische Gründe – der Share-Economy-Gedanke findet zunehmend Anhänger und ebenso wie die Kreislaufwirtschaft.
Infolge dessen sind Unternehmen mit Innovationsprojekten gefragt, die die Zusammenarbeit von Produktion, IT und nicht zuletzt dem Vertrieb voraussetzen. Denn letztlich geht es ja nicht nur darum, die Produkte in der Kooperation von Produktion und IT „smart“ zu machen.
Es geht auch um innovative Leistungs- und Bezahlformate, sowie die entsprechenden Prozesse. Im Kontext des Online-Vertriebs gibt es zum Thema Pay-per-Use und Product-as-a-Service spannende Impulse.
Pay per Use-Konzept
Der Commerce-Lösungsanbieter Intershop zeigt zum Beispiel mit dem Show Case „Smart Drill“ einer smarten Bohrmaschine, wie sich smarte Produkte mit E-Commerce anbieten und verwalten lassen.
Der Show Case im Detail: Eine Bohrmaschine wird nicht verkauft, sondern nach dem Pay-per-Use-Verfahren abgerechnet. Dabei erfolgt die Abrechnung zeitnah, im Beispiel mit einer Kryptowährung auf Basis von Vorauszahlungen.
Der Nutzer zahlt in Kryptowährung einen Betrag auf sein Kryptokonto ein. Erst wenn das Konto gefüllt ist, kann die Bohrmaschine starten. Die Bohrmaschine ist auf drei verschiedenen Auslastungsstufen einstellbar. Sie meldet Auslastung und Drehzahl in Echtzeit an die E-Commerce-Plattform, die diese Zahlen wiederum in die Nutzungsintensität übersetzt und – auch das passiert in Echtzeit – das Kryptokonto belastet. Fertig ist das Product-as-a-Service und Pay-per-use-Konzept.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Auf Kundenseite ist keine Vorabinvestition erforderlich. Für ihn entsteht keine Kapitalbindung, er kann nach oben und nach unten skalieren. Der Anbieter wiederum hat einen schnellen Zugang zum Markt. Er muss nicht den ROI für höhere Investitionssummen argumentieren. Anbieter und Nachfragen kommen schneller zusammen, weil für den Kunden kein Investitionsrisiko entsteht. Der Geldfluss ist sichergestellt.
Mietkonzepte für Predictive Maintenance nutzen
- Mehr noch: Der Anbieter weiß jederzeit, wo sich das Gerät befindet, dank der ebenfalls in die Bohrmaschine integrierten Standortinformation- welche sich nicht zuletzt für Predictive-Maintenance-Konzepte nutzen lassen.
- Kaufpreis und die verbundene Kapitalbindung als Kaufbarriere fallen weg – das bietet die Möglichkeit, den Marktanteil zu steigern.
- Die Bindung zum Kunden wird enger und langfristiger.
Statt eines Einmal-Erlöses entsteht ein langfristiger Umsatzstrom – bestenfalls über den gesamten Lebenszyklus der Maschine oder der Anlage hinweg, in jedem Fall für viele Jahre. - Aus den Nutzungsdaten ergeben sich Erkenntnisgewinne.
- Der Anbieter eines Product-as-a-Service Modells positioniert sich mit einem klaren USP im Markt.
Die Chancen liegen also auf der Hand, die Lösungsansätze werden sehr vielfältig sein. Wichtig ist, sich zügig für valide Optionen zu entscheiden und diese seinen Kunden anzubieten.