Ein türkisfarbenes Kunststoffrezyklat wird mit einer Schaufel in den Behälter geschüttet

Durch das mechanische Recycling können Kunststoffabfälle zu neuen Verpackungen oder ­Produkten verarbeitet werden, wodurch der Materialkreislauf geschlossen wird. (Bild: HolyPoly)

TECHNIK+EINKAUF: Herr Pflüger, Sie sind einer der Gründer von HolyPoly, ein Startup das Plastik im Kreislauf erhalten will. Wie wollen Sie das erreichen?

Fridolin Pflüger: Ich bin einer der beiden Geschäftsführer:innen und einer von acht Mitgründer:innen. Wir haben uns vor gut vier Jahren aufgemacht, um das Kunststoffrecycling in der Industrie voranzubringen. Uns ging es immer schon darum, den Kunststoff nicht zu verteufeln, sondern darzulegen, wie gut er sich im Kreislauf immer wieder verwenden lässt. Die grundlegenden Eigenschaften von Kunststoffen sind für eine wiederkehrende Nutzung wie gemacht und damit sollte es eigentlich eines der nachhaltigsten Materialien der Welt sein.

Ist das Recyceln so einfach?

Mechanisches Recycling von Kunststoffen ist schon seit Jahrzehnten eine ausgereifte Technologie. Es gibt dafür große Anlagen und erprobte Anwendungen. Und von diesem Ausgangspunkt aus wäre es eigentlich möglich, eine enorme Wirkung auf das ganze Abfall- und Plastikproblem zu haben und gleichermaßen auch auf die Klimathematik, weil beim mechanischen Recycling weniger Energie verbraucht wird, als bei der Neuherstellung von Kunstoffen und zudem die CO₂-Emissionen der Müllverbrennung eingespart werden.

Wie hoch ist momentan der Einsatz von Rezyklaten in der deutschen Industrie?

Momentan ist der Einsatz von Rezyklaten eher die Ausnahme. Ganze 5 Prozent sind es in Deutschland. In Anbetracht der zunehmenden globalen Plastikproblematik ist das nicht hinnehmbar! . Daher ist es unsere Mission, das umzudrehen. Eine Welt, in der Recycling von Kunststoffen nicht mehr die Ausnahme ist, sondern selbstverständlich.

HolyPoly
Make Use Spritzguss-Granulat. (Bild: HolyPoly)

Wie gehen Sie das an?

Wir wenden uns direkt an die Marken, an die großen Hersteller, von langlebigen und hochwertigen Kunststoffprodukten und bieten ihnen aus einer Hand alles an, was sie brauchen, um den Kunststoff im Kreislauf zu halten. Ausgehend von den Produkten des Herstellers gestalten wir den Stoffstrom aktiv, damit daraus ein geschlossener Kreislauf wird. Unser Service erstreckt sich dabei über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Dazu zählen Take-Back Kampagnen und Rücknahmeprogramme, die Logistik in der Lieferkette, der Recyclingprozess selbst mit der Modifizierung der Materialien, bis hin zum Einsatz des gewonnenen Rezyklats in der Serienproduktion – und alles dazwischen und außerhalb. Dieser holistische Ansatz ist nötig, damit Qualität und Preis am Ende stimmen.

Einige Unternehmen sagen, dass nicht genügend Rezyklate verfügbar sind, um sie in ihrer Produktion einzusetzen…

Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt ein totales Überangebot an Rezyklaten aktuell, sogar an den Post-Industrie-Rezyklaten. Es wird nicht eingesetzt, weil die Virgin-Materialien aktuell so billig sind. Das ist der Hauptgrund. Ein anderer Grund ist die fehlende Gewohnheit, die Prozesse sind andere. . Das eine ist der aktuelle Preis, das andere ist ein strategisches Einkaufsthema.

Fridolin Pflüger
Zitat

Es gibt ein Überangebot an Rezyklaten, sogar an Post-Industrie-Rezyklaten. Sie werden nicht eingesetzt, weil die Virgin-Materialien aktuell so billig sind.

Fridolin Pflüger
(Bild: HolyPoly)

Wo liegen da die Probleme?

Es sind eher Überlegungen wie, wie stehe ich resilient in Bezug auf meine Lieferanten heute und in 5 Jahren. Weniger, ob der grüne Punkt genügend Plastik aufbereitet. Der Müll ist überall verfügbar. Aber es gibt Hürden bei der Qualität, beim Aufbau der Lieferketten und der notwendigen Infrastrukturen. Auch Designanpassungen spielen hier eine große Rolle. Wie können nicht nur Verpackungen, sondern auch hochwertige Produkte so designt werden, damit diese besser recycelbar sind? Dabei geht es funktional um die Rückführung des Materials, aber auch, wie aus dem Marktaustritt ein Moment des Mehrwerts für die Marke wird. Da setzen wir an, da beginnt unsere Projektarbeit.

Was heißt das?

Aus der strategischen Perspektive ist es klar, dass wir mit unseren CO₂-Emissionen runter und das Abfallproblem lösen müssen. Eine Tonne eingesetztes Recycling-Plastik vermeidet zwei Tonnen klimaschädliches CO₂. Jedes recycelte Produkt rettet Abfall vor der Verbrennung und senkt den Verbrauch von Erdöl. Eine einfache Rechnung. Und es wird Zeit, dieses Potential zu heben.

Kunststoffe im Shredder
Kunststoffe im Shredder. (Bild: HolyPoly)

Woran fehlt es noch?

Oftmals fehlen einfach die Strukturen, um das Kreislaufsystem wirtschaftlich aufzusetzen. Mit unserem breiten internationalen Netzwerk von Recyclingbetrieben, Werkzeugbauern, Kunststoffverarbeitern, Veredlern und vielen anderen setzen wir die nachhaltige Transformation in der Serie um. Denn erst, wenn recycelte Kunststoffe in der Massenproduktion ankommen, bewegt sich wirklich etwas: Jede Tonne spart Energie, CO₂ und Ressourcen ein. Gleichzeitig schrumpfen die Müllberge – denn sie werden zu neuen Qualitätsprodukten. Und jedes dieser Produkte kann am Ende seines Lebenszyklus zurück in den Kreislauf finden, für ein neues Kunststoff-Kapitel.

Kann man die Auswirkungen auf die CO₂-Emission im Scope 3 genau sagen?

Das ist ganz einfach. Ich spare zwischen 50 und 95 % CO₂ im Material, wenn ich umstelle von einem Virgin auf ein mechanisch recyceltes Plastik. Vielleicht ist es sogar noch mehr. Gerade wurde festgestellt, wie viel Methan-Leckage in der Lieferkette noch passiert, sodass die Virgin-Emissionen noch mal deutlich hochgegangen sind. Es wird immer der energieeffizienteste Prozess sein, weil nichts anderes gemacht wird als einsammeln, separieren, schreddern und dann wieder aufschmelzen. Das ist ja das tolle an Plastomeren.

Das Unternehmen: HolyPoly

Zu oft werden Endverbraucher in die Verantwortung genommen, Plastik zu reduzieren und zu recyclen. HolyPoly sagt, es liegt in der Hand der Hersteller, den Kreislaufwandel in Gang zu bringen – und hilft ihnen dabei. Das Unternehmen bringt nachhaltige Kreislaufkonzepte zu den Big Playern und gliedert Recycling strategisch in die Wertschöpfungskette der führenden Marken ein. Damit hat das Unternehmen seit 2021 seine Umsätze auf rund 1,5 Millionen Euro verfünffacht. Kunden wie Mattel, Lamy, Bosch, NUK und viele mehr setzen bereits auf die Expertise der Dresdner. Das Team besteht derzeit aus 30 festangestellten und 40 freien MitarbeiterInnen mit vielfältigen Hintergründen und Kompetenzen: Kunststofftechnik, Recycling, Materialwissenschaft, Chemie, IT, Design, Kommunikation, Recht, Handwerk, Logistik, Beratung und der Nachhaltigkeit. Etwa 60 Prozent arbeiten von Dresden aus, die anderen 40 Prozent remote aus verschiedenen Orten in Europa.

Sie sagen ja, sie machen den Full-Service. Heißt das, Sie bauen die Stromkreisläufe der Kunden auch auf?

Das ist unterschiedlich. Meine Rolle ist es zu wissen, was der Kunde braucht, und dann bieten wir ein maßgeschneidertes Service-Paket an. Manchmal setzt man bei der Produktentwicklung an, manchmal bei der Rückführung des Materials. Wir definieren lange vor dem Produktionsstart alle „Stolpersteine“, weil wir die Prozessrisiken kennen und wichtige Entscheidungen kompetent begleiten. Mit den richtigen Projektpartnern, realistischen Prognosen und verlässlicher Budgetplanung.

Was machen Sie, wenn das rückgeführte Material doch nicht den Anforderungen an die Produkteigenschaften erfüllt?

Passen die Materialeigenschaften nicht zu den Anforderungen, dann verändern wir durch Compounding das Material. Unsere Materialexpert:innen finden für jedes Recyclingprodukt die perfekte Mischung. Sie fügen Additive und Füllstoffe hinzu, um das Rezyklat zu verbessern und entwickeln passende Rezepturen auf Basis der verfügbaren Ausgangsmaterialien, optional inklusive der Erhebung umfassender Materialdaten als Grundlage für Simulationen. Somit wird die Arbeit mit Recycling-Werkstoffen so zuverlässig planbar, wie es sonst nur Virgin-Materialien hergeben.

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