Repair, Reuse, Recycle. Diese Ansätze für mehr Nachhaltigkeit sind zwar nicht neu, gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Ob aus Gründen der Ressourceneffizienz oder für ein Stück mehr Unabhängigkeit in Bezug auf Material-, Rohstoff- oder Energieimporte. Ökodesigngerechte Produktgestaltung ist das Gebot der Stunde und damit gewinnt mit Schrauben eine Verbindungstechnologie an Bedeutung, die seit Gutenbergs erster Druckerpresse aus keinem technischen Gerät mehr wegzudenken ist.
„Je mehr wir über Wiederverwendbarkeit, Demontierbarkeit, Reparaturfähigkeit, Stoffkreisläufe und Nachhaltigkeit insgesamt sprechen, desto mehr Schrauben werden wieder zum Einsatz kommen“, erwartet Uwe Wolfarth, Senior Director Research and Development beim Verbindungstechnikspezialisten Arnold Umformtechnik. „Der Beitrag zur Nachhaltigkeit wird jedem klar, der selbst einmal versucht hat etwas zu demontieren, das geklebt, geclincht, geklipst oder verprägt war. Es ist in der Regel nach dem Demontieren verbogen, beschädigt oder zerbrochen und auf keinen Fall sortenrein“, erklärt er.
Geschraubte Verbindungen sind dagegen kontrolliert lösbar und wiedermontierbar. Defekte Einzelteile lassen sich so einfacher austauschen. Produkte gewinnen an Lebensdauer, weil sie einfach zu reparieren sind und am Ende Ihrer Lebensdauer können sie sauber in ihre unterschiedlichen Bestandteile zerlegt werden. Gerade eine sauber nach verschiedenen Materialfraktionen getrennte Demontage ist ein Schlüsselfaktor für die effiziente Wiederverwendung von Materialien. „Das Thema Stoffkreisläufe wird die Nachfrage nach sortenrein lösbaren Verbindungen erhöhen“ und damit auch die Nachfrage nach Schrauben, erwartet Wolfarth.
Neben zunehmender Nachfrage steige jedoch auch der Druck auf Kostenseite. „Insofern sehe ich in Zukunft mehr lösbare Verbindungen, die jedoch in der Auslegung und der Montage noch kosteneffizienter werden müssen“, stellt er fest. Kosteneffizienter gegenüber anderen Verbindungstechniken – insbesondere etwa Kleben – und dabei genauso sicher.
Der Direktverschraubung kommt eine immer größere Bedeutung zu.
Wichtig ist dies vor allem bei großem Durchsatz und in hochautomatisierten Prozessen. Etwa in der Automobilproduktion: „Für den Body in White, also den Karosserierohbau, haben sich fließlochformende Schrauben mittlerweile als Standard etabliert. Allein in einer Karosserie sind häufig 800 bis 1.500 solcher Schrauben verbaut. Mit ihrer ballistischen Spitze durchdringen sie die Fügebleche, ohne dass vorgebohrt werden müsste“, berichtet Prof. Dr. Ralph Hellmig, Director Technology Management Fasteners bei Ejot.
Dadurch entfällt nicht nur der Schritt des Vorbohrens, sondern auch zeitraubende Positionierarbeit – weder der Roboter noch die einzelnen Bleche eines zu fügenden Stacks müssen millimetergenau an vorgebohrten Löchern ausgerichtet werden. Im selben Arbeitsschritt formt schließlich der gewindefurchende Bereich einer FDS-Schraube (Flow-Drill-Screw) spanlos ein Mutterngewinde, das auch für metrische Schrauben geeignet ist, sollte die ursprüngliche Schraube später ausgetauscht werden müssen.
Schrauben müssen vor allem eines: Sie müssen funktionieren.
„Die Teile durchdringend in einem einzigen Arbeitsgang zu fügen, ist deutlich einfacher. Bei Blechen aus Aluminium-Legierung oder mittelfesten Stählen funktioniert das sehr gut mit fließlochformenden Schrauben. Wird mit extrem harten Materialien gearbeitet, ist Elementreibschweißen das Mittel der Wahl“, führt Hellmig aus. Die Direktverschraubung eignet sich für Bleche wie für Kunststoffe. Häufig wird sie auch ergänzend in Klebeprozessen eingesetzt.
Gegenüber Schrauben haben Klebeverbindungen den Vorteil, dass keine punktuellen Belastungen auftreten, sondern sich einwirkende Kräfte über die Fläche verteilen. „Zu kleben und direkt danach zu schrauben reduziert Prozesszeiten. Man muss mit der weiteren Verarbeitung nicht warten, bis der Klebstoff komplett ausgehärtet ist. Die Komponenten sind vorher schon sicher miteinander verbunden und können relativ schnell weiter verarbeitet werden“, erklärt Hellmig.
Mehr Ökodesign
Aspekte wie Reparierbarkeit, Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit müssen bereits beim Produktdesign mitgedacht werden. Um dies zu forcieren, haben die EU-Mitgliedsstaaten eine Erweiterung der Ökodesign-Verordnung beschlossen. Sie soll zwar zunächst nur für Möbel, Textilien und Schuhe, Eisen, Stahl, Aluminium, Reinigungsmittel und Chemikalien gelten, dürfte jedoch auch weit darüber hinaus die Konstruktionsweisen von Produkten beeinflussen.
Effizienzbooster für Schraubprozesse
Mehr Effizienz und Tempo im Prozess bringen auch viele andere kleine Weiterentwicklungen an der Schraube, die auf den ersten Blick kaum auffallen. So erleichtern etwa speziell geformte Spitzen und Gewinde die Selbstzentrierung, wenn Schrauben automatisiert in vorhandene Gewinde geschraubt werden sollen. Neuartige Geometrien des Antriebs im Schraubenkopf sorgen – auch bei nicht magnetischen Schrauben – dafür, dass die Schraube am Bit haften bleibt, bis sie im Gewinde greift. „Das ist sowohl für die manuelle als auch für die automatisierte Pick-and-Place-Montage ein großer Vorteil“, betont Hellmig. Durchdachte Schraubenantriebe in Kombination mit Selbstfindungsmechanismen führen Werkzeug und Schraube effizient zusammen. Zeitraubendes Gefummel, wie es beim Eindrehen von Schrauben mit Schlitzantrieb früher gang und gäbe war, gehört mit einer Vielzahl neuer, ausgeklügelter Antriebe längst der Vergangenheit an.
Was jedoch nicht bedeutet, dass auch Schlitzschrauben völlig passé sind: „Kabelklemmen in Schaltschränken können noch heute mit einem einfachen Schlitzschraubendreher geöffnet werden. Warum? Den gibt es überall auf der Welt, selbst im tiefsten Dschungel. Für robotergesteuerte, vollautomatische Montage ist dieser Antrieb natürlich ein Desaster“, räumt Wolfarth ein. Entsprechend diplomatisch fällt seine Antwort auf die Frage nach dem aus seiner Sicht besten Schraubenantrieb aus: „Wenn es um Prozesssicherheit, die Übertragung von maximalen Anzugsdrehmomenten oder flache Schraubenköpfe geht, ist die Antwort eine andere, als wenn es darum geht, eine globale Montier- und Reparierbarkeit zu gewährleisten.“
Müsste der Trend dann nicht zur Universalschraube gehen? Oder zumindest zu einem Antrieb, der sich für die automatisierte Montage in der Produktion genauso gut eignet wie für eine manuelle Demontage im Reparaturfall? „Eine Universalschraube, die für alles passt, wird es nie geben“, winkt Hellmig ab. Zu unterschiedlich sind die Anwendungen und die damit einhergehenden Anforderungen an eine Schraubverbindung. „Gerade die sich ständig verändernden Anforderungen auf Anwenderseite sind ein wichtiger Treiber für Entwicklungen rund um die Schraube“, ergänzt er. Und hier würde er sich vor allem eines wünschen: „Die Schraubverbindung bereits in der Konstruktionsphase mitdenken. Häufig werden Schrauben als 08/15-Bauteil betrachtet und dabei wird übersehen, dass dieses kleine, unscheinbare Element enorme Auswirkungen nicht nur auf das Produkt selbst, sondern auch auf den Produktionsprozess haben kann.“
Immer informiert mit den Newsletter von TECHNIK+EINKAUF
Hat Ihnen gefallen, was Sie gerade gelesen haben? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Zwei Mal pro Woche halten wir Sie auf dem Laufenden über Neuigkeiten, Trends und Wissen rund um den technischen Einkauf - kostenlos!