Kopf mit Nullen und Einsen und Leitungen, was Künstliche Intelligenz verdeutlichen soll

Wo muss Künstliche Intelligenz anfangen? Beim Sensor oder erst in der Cloud? (Bild: Alex/Adobestock)

Rückgrat des Industrial Internet of Things (IIoT) sind Information und Kommunikation – auf allen Ebenen und über alle Ebenen. Auf den ersten Blick scheint die Arbeitsteilung logisch: Ganz unten – auf Feldebene, auf dem Shopfloor oder schlicht dort, wo die Wertschöpfung stattfindet – gibt es Systeme, die zwar in einem gewissen Rahmen miteinander kommunizieren und begrenzt selbstständig agieren, grundlegende Anweisungen bekommen sie jedoch von ‚oben‘. Aus der Cloud oder einem anderen Ort, an dem alle Fäden zusammen laufen. An den beispielsweise Sensoren ihre Daten schicken, an dem diese Daten analysiert und Strategien ausgearbeitet werden.

Vom Sensor zur KI in der Cloud, das klingt zunächst wie: Impulse von den taktilen Rezeptoren am kleinen Finger ins Gehirn. Ganz natürlich also. Der ideale Verlauf der Dinge. Bis man sich bewusst macht, dass das Gehirn vielleicht in Kalifornien, USA, sitzt und der kleine Finger irgendwo in Deutschland. Ein abwegiger Gedanke? Keineswegs.

Wer seiner Alexa auf dem Nachttisch morgens den Befehl erteilt, den Rollladen hoch zu fahren, sendet diesen Befehl nicht innerhalb seines Schlafzimmers an den heimischen Rolladen, sondern über das Internet in eine Cloud und erst dort übersetzen Algorithmen den gesprochenen Befehl in den adäquaten Schaltimpuls. Dasselbe gilt für Maschinen und Anlagen in produzierenden Unternehmen, die Sensor- oder andere Industrie 4.0-Daten an eine Datenwolke schicken.

Eingebettete KI auf dem Sensor

„Alles, was über das Internet geht, ist potenziell angreifbar und anfällig für Störungen vielfältiger Art“, sagt Dr. Pierre Gembaczka vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS. Für Privatpersonen mag der Weg über das Internet zur ausgelagerten KI und wieder zurück tolerierbar sein, weil sich das Risiko in Grenzen hält. Unternehmen sehen das jedoch häufig anders: „Firmen agieren in Sachen Cloud nach wie vor eher zurückhaltend, wenn es nicht sehr überzeugende, eigene Lösungen gibt“, ist Gembaczkas Erfahrung.

Die Sicherheit der Daten und ihrer Übertragung ist dabei nur ein Grund. Ein anderer ist die schiere Menge an Daten, die zusammen kommt, wenn beispielsweise eine große Anzahl Maschinen in einer Werkshalle lückenlos Zustandsdaten an einen zentralen Rechner liefert. „Da kann alleine schon die Speicherung zum Problem werden, gar nicht zu sprechen von einer sinnvollen Verarbeitung dieser Datenflut“, winkt der Wissenschaftler ab.

Die Duisburger Fraunhofer-Forscher arbeiten deshalb an einer dezentralen Künstlichen Intelligenz, die so kompakt ist, dass sie sich in ein Sensorsystem integrieren lässt. Trainiert auf die speziellen Anforderungen der jeweiligen Anwendung, soll die eingebettete KI die Sensordaten gleich vor Ort auswerten. Die Ergebnisse können dann sofort der vom Sensor überwachten Applikation wieder zur Verfügung gestellt oder an einen zentralen Punkt weitergeleitet werden. „So müssen nicht mehr permanent Daten verschickt werden, sondern der Sensor sendet nur noch, wenn es eine Änderung im Status gibt und die Anwendung das erfordert. Selbst wenn aus Sicherheitsgründen dieselbe Information mehrfach gesendet wird, reduziert dies den Datenfluss erheblich. Es verringert die Lauf- und Reaktionszeiten und macht gleichzeitig das gesamte System robuster gegen Störungen bei der Datenübertragung“, fasst Gembaczka zusammen.

Anders als die meisten der derzeit verfügbaren Softwarelösungen für maschinelles Lernen benötigt AIfES (Artificial Intelligence for Embedded Systems) nicht mindestens die Rechenleistung eines PC, um ein künstliches neuronales Netz (KNN) zu erzeugen. Der Machine-Learning-Bibliothek genügt bereits ein Mikrocontroller. „Wir haben den Quellcode auf ein Minimum reduziert, dadurch lässt sich das KNN direkt auf dem eingebetteten System – beispielsweise dem Mikrocontroller auf einem Sensor – trainieren“, berichtet Gembaczka. Kompiliert für einen 8-Bit-Mikrocontroller, benötigt die Software Library inklusive Lernalgorithmus weniger als zwei Kilobyte Speicher.

Was bedeutet Künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz (KI), auch artifizielle Intelligenz (AI) genannt, versetzt Maschinen in die Lage, automatisiert zu handeln. Dabei sollen sie aus Erfahrung lernen und sich eigenständig auf neue Information einstellen, um neue Aufgaben zu bewältigen. Experten sprechen zwar von "Intelligenz", gemeint sind jedoch Entscheidungen aufgrund von Algorithmen, die sogenanntes Deep Learning bzw. Machine Learning ermöglichen, so dass Maschinen Muster erkennen und danach entscheiden und handeln können. "Intelligentes" Verhalten wird also simuliert.

Über Edge in die Cloud oder lieber gleich vor Ort

Einen ähnlich dezentralen und gleichzeitig modularen Ansatz verfolgt das Hannoveraner Start-up Bitmotec mit seinem AI-Node, wenn auch auf anderer Ebene. „Viele Unternehmen wollen mit ihren Prozessdaten noch gar nicht in eine externe Cloud. Sie betreiben lieber eigene Private Clouds und bevorzugen dezentrale Datenanalysen. Aus Sicherheitsgründen, um die Datenmengen im Zaum zu halten, aber auch weil sie ihre Produktion nicht auf einen Schlag komplett umstellen, sondern lieber gleitend in Industrie 4.0 einsteigen wollen“, berichtet André Heinke, Vertriebsleiter und einer der drei Gründer von Bitmotec.

Die AI-Nodes sind Edge-Computer. Kleine, leistungsstarke Recheneinheiten für eine Datenanalyse mittels KI auf Feldebene. Sie sind beliebig vernetzbar: untereinander, mit Sensoren, Maschinensteuerungen, ERP- und MES-Systemen oder einer Cloud. „Unser System kann selbst auf übergeordneten Ebenen sowohl Daten ablegen als auch dort gespeicherte Daten für Analysen nutzen“, sagt Heinke. „Früher hätten Geräte auf dem Shopfloor nur über verschiedene Ebenen der Netzstruktur mit dem ERP-System kommunizieren dürfen und dann maximal auch nur, um dort Daten anzuliefern. Informationen abzurufen und weiter zu verarbeiten war nicht vorgesehen. Das ändert sich gerade. Unsere Beobachtung ist, dass diese rigiden Netzstrukturen immer mehr aufbrechen“, berichtet er.

Die neue Ordnung im IIoT erlaubt zudem einen modularen Einsatz von KI. Mit smarten Insellösungen, die ganz allmählich wachsen und zusammen wachsen dürfen. Was sich positiv auf die Kosten auswirken kann: „Kleinere, verteilte Einheiten sind nicht nur absolut, sondern auch gemessen an der Rechenleistung oftmals günstiger als große Rechenkapazitäten an zentraler Stelle “, sagt Heinke.

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