Digitale B2B-Kanäle und Shops im Web haben mehr und mehr Umsatzrelevanz. Entsprechend mehren sich die Fragen nach geeigneten Technologien. Das Ziel: Mit einer einzigen App alle Endgeräte und Displaygrößen bedienen zu können. Doch für wen sind diese neuen Technologien sinnvoll? Und sind sie schon marktreif?
Der B2B-Umsatz in Deutschland wächst kontinuierlich: 2018 erreichte er laut Branchenreport der IFH Köln ein Volumen von 1.300 Milliarden Euro. Der Großteil entfiel auf automatisierte Beschaffungsprozesse (EDI), etwa ein Viertel entstand aus B2B-Einkäufen über eine Website, Online Shops und Marktplätze. Dieser Umsatzanteil aus nicht-automatisierten Prozessen verzeichnete in der Zeit von 2012 bis 2018 ein jährliches Wachstum von 15,4 Prozent.
Eine Studie zu B2B-E-Commerce von Intellishop AG in Zusammenarbeit mit dem ECC Köln von 2019 zeigt, dass 86 Prozent der befragten Unternehmen einen eigenen Online Shop für den Vertrieb nutzen. Eine App für Mobile Commerce setzt etwa ein Drittel der Befragten ein, 41 Prozent planen deren Einführung. Zudem gehen rund 80 Prozent davon aus, dass die Bedeutung von mobilen Endgeräten beim B2B-Kauf zunehmen wird. Kanalübergreifende Einkaufsmöglichkeiten für Geschäftskunden sind daher durchaus umsatzrelevant.
Bei diesen Zahlen ist es sinnvoll, sich mit Technologien auseinander zu setzen, die derzeit für E-Commerce zur Verfügung stehen oder diskutiert werden - ganz unabhängig vom Endgerät. So steigt etwa das Interesse an Progressive Web Apps (PWAs). Doch sind sie schon reif für den Einsatz im B2B-E-Commerce?
Was ist eine Progressive Web App?
Ursprünglich von Google im Jahr 2015 eingeführt, hat dieses App-Modell bereits viel Aufmerksamkeit erregt. Es ist relativ einfach, schnell und kostengünstig zu entwickeln und zudem ausgesprochen benutzerfreundlich. Sie sehen ähnlich aus wie mobile Apps und lassen sich genauso bedienen, werden aber mit Hilfe von Webtechnologien erstellt, die sie betriebssystemunabhängig machen. Dadurch entfallen etwaige regelmäßige Updates, da dies über die Aktualisierung des Browsers, zum Beispiel Google Chrome, mit den neuesten Funktionen und APIs erfolgt. Kurz: PWAs vereinen die Vorteile einer native Apps mit mobilen Websites auf einer zentralen Plattform.
Offline-Fähigkeit für mobile Geräte
Die Offline-Fähigkeit ist ein weiterer Bereich, in dem Progressive Web Apps punkten – ein wesentlicher Aspekt für Geschäftskunden, die über mehrere Kanäle Produktinformationen abrufen und Bestellungen aufgeben. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Webbrowser oder einer mobilen Anwendung funktionieren PWAs auch ohne eine Internetverbindung. Durch den Einsatz von Service-Worker, einem Java-Script mit eigenem Cache, können Informationen gespeichert und geladen werden, die in früheren Sitzungen abgefragt oder eingegeben wurden.
Besteht wieder eine Internet-Verbindung, werden nur die Daten neu geladen oder synchronisiert, die aktualisiert werden müssen. Dabei wird die gleiche Anwendungs-Shell beibehalten, was eine reibungslosere, nativere Erfahrung ermöglicht. Allerdings: PWA-Nutzer können offline keine Bestellung übermitteln – diese Informationen werden erst verarbeitet, sobald der Nutzer wieder online sind.
Ein weiteres Merkmal von Progressive Web Apps ist ihre Fähigkeit zur Integration mit anderen Funktionen auf einem Endgerät, sei es ein Adressbuch, Zahlungsinformationen oder eine Kamera. Inwieweit dies möglich ist, hängt jedoch vom Betriebssystem des Geräts ab. Apple beispielsweise erlaubt den PWAs noch nicht den Zugriff auf die volle Funktionalität seiner iOS-Geräte. Der Smartphone-Hersteller hat im letzten Jahr lediglich angekündigt, seine Geräte PWA-fähig zu machen.
Single Page Applications für den Anfang
Obwohl die fortschrittlichen Web Apps in der Tech-Community als heißes Thema gehandelt werden, sind sie noch wenig verbreitet. Bereits ihre Definition sorgt häufig für Verwirrung. Einige Unternehmen machen keinen Unterschied zwischen einer Progressive Web App und einer Einzelseitenanwendung (Single Page Application - SPAs).
Das ist eine Webseite, die durch Dezentralisierung sehr schnell reagieren. Das heißt, bei einer SPA stellt der Server nur die Nutzdaten bereit und sendet sie an den Browser. Der Webclient verwaltet die Sitzung und kann selbstständig auf Benutzeraktionen reagieren. Während die Webseite genutzt wird, werden für eine kontinuierliche Darstellung nur die notwendigen Informationen aktualisiert.
Eine SPA ist damit nur der erste Schritt zur Entwicklung einer PWA, aber keine eigentliche Progressive Web App. Dies wird häufig nicht klar unterschieden. Auch wenn Unternehmen ihren Kunden mit SPAs eine PWA-ähnliche Erfahrung bieten, gehören sie ohne die Offline-Funktionalität nicht in die Kategorie einer solchen Web-App.
Technologischer Generationswechsel absehbar
Zur Beurteilung, wie die nächste Web-App oder E-Commerce-Anwendung aussehen soll, sind zunächst die Anforderungen der Kunden wesentlich. Welche Elemente des Online-Kaufprozesses sind für sie am wichtigsten? Ist es die nahtlose Multi-Channel-Erfahrung, die Bereitstellung der neuesten Produktinformationen oder die Offline-Verfügbarkeit? Obwohl PWAs im Vergleich zu mobilen Apps vom Ansatz her für Anwender einen einfacheren Zugang sowie eine konsistentere Benutzererfahrung bieten, ist die Technologie noch in der Entwicklung begriffen. Aktuell fehlt noch die breite Marktreife und bis dahin dürfte es noch etwas dauern.
Dennoch wird deutlich: Klassischen Anwendungen im Web, die aus mehreren, untereinander verlinkten HTML-Dokumenten bestehen, werden auf absehbare Zeit abgelöst durch Apps, die nicht mehr zwischen Desktop und Mobilgerät unterscheiden. Es ist daher für Unternehmen ratsam, diese Entwicklung sorgsam zu beobachten und bei zukünftigen Planungen zur Modernisierung ihres E-Commerce-Auftritts zu berücksichtigen – dies betrifft sowohl die Auswahl der technologischen Plattform als auch das Designkonzept, das mit Technologien wie PWA neue Anforderungen erfüllen muss.