
Lager von Schlemmer in Hassfurt. (Bild: Schlemmer)
Aus der Spur: Der Automobilzulieferer Schlemmer aus dem bayerischen Aschheim hat Insolvenz angemeldet. Den Antrag hatte das Unternehmen bereits am 18. Dezember 2019 gestellt, er gilt für die StandorteMünchingen und Hassfurt sowie die Zentrale in Aschheim.
Zu starkes Wachstum in kurzer Zeit
Die Insolvenz begründet Schlemmer mit dem starken Wachstum der vergangenen Jahre, das Unternehmen sei "vor allem durch das Wachstum am nordamerikanischen Markt finanziell stark beansprucht" worden. Der Automobilzulieferer stellt Batteriebauteile und Kabelschutzlösungen her.
Im Jahr 2016 war die Firma vom Finanzinvestor 3i übernommen worden. Zwar soll es in den vergangenen Monaten Finanzierungsgespräche gegeben haben, diese seien angesichts der konjunkturellen Lage allerdings nicht erfolgreich gewesen. Daher habe man sich dazu entschlossen, Insolvenz anzumelden, damit das Unternehmen fortgeführt werden kann.
Daher soll jetzt ein "strukturierter Investorenprozess" starten, um neue Kapitalgeber zu finden. Die Geschäftsführung und der vorläufige Insolvenzverwalter Hubert Ampferl sind nach eigenen Angaben zuversichtlich, das Unternehmen fortführen zu können, die Auftragsbücher seien gut gefüllt, so Ampferl zum Bayerischen Rundfunk.
Deutsche Standorte betroffen
Der Experte für Kunststoffe und Spritzgusslösungen beschäftigt weltweit rund 3.800 Mitarbeiter. Deren Arbeitsplätze seien laut Schlemmer jedoch nicht bedroht, Kündigungen seien nicht geplant. "Die Löhne werden weitergezahlt und auch der Geschäftsbetrieb bleibt von der Insolvenz unberührt und läuft weiterhin reibungslos", heißt es in der Mitteilung. Von der Insolvenz selbst sind auch nur die deutschen Standorte betroffen.
Die Tochterfirma Hoppe Kunststoffspritzerei und Formen aus Berlin hatte bereits im Oktober die Eigenverwaltung beantragt.
Die größten Insolvenzen der letzten Jahre

Platz 11: Wadan-Werften
Im Zuge der Finanzkrise sinkt ab 2008 die globale Nachfrage nach neuen Schiffen. Die Wadan-Werften in Rostock und Warnemünde geraten dadurch in die Verlustzone. Am 5. Juni 2009 müssen sie Insolvenz anmelden.
Igor Jussufow, Sohn eines russischen Ministers, erwirbt die Werften für 40,5 Millionen Euro durch die zu diesem Zweck gegründete Nordic Yards in Oslo. Für 1.200 der 2.700 Mitarbeiter gibt Jussufow eine Beschäftigungsgarantie ab. (Bild: Pixabay)

Platz 10: Hertie
Finanzielle Probleme ihres britischen Hauptinvestors Dawney, Day and Hilco Ltd. brechen im Juli 2008 der 1882 gegründeten Kaufhauskette Hertie das Genick. Die 3.200 Beschäftigten der 55 Warenhäuser stehen auf der Straße. Eine Rettung der Kaufhäuser gilt als aussichtslos. (Bild: Pixabay)

Platz 9: Karmann
Als Karmann 2007 seine wichtigsten Kunden, Daimler und Audi, verliert, hat der Auftragsfertiger Probleme, Anschlussaufträge zu gewinnen. Im April 2009 meldet das Osnabrücker Traditionsunternehmen Insolvenz an.
Bis dahin hatte Karmann Cabrio für Mercedes und Audi gefertigt. Volkswagen und Automobilzulieferer wie Magna International und Webasto übernehmen nach der Insolvenz große Teile von Karmann. Viele der betroffenen 3.500 Mitarbeiter können weiterbeschäftigt werden. (Bild: Pixabay)

Platz 8: Qimonda
Im Januar 2009 ordnet das Amtsgericht München die Insolvenz der Qimonda AG an, nachdem ein Rettungsversuch mit staatlicher Unterstützung gescheitert war. Fabriken in München, den USA und Portugal mussten schließen. Betroffen von der ersten Welle waren rund 3.000 von den 13.500 Arbeitsplätzen weltweit.
Lediglich am Standort Dresden setzte Infineon die Fertigung ab Mai 2011 fort. Der Münchner Konzern hatte 2004 seine Speicherchipsparte in die spätere Qimonda AG ausgegliedert. Diese verschläft den Umstieg auf neue sparsame Produktionsverfahren in der Branche und gerät in die Verlustzone. (Bild: Pixabay)

Platz 7: Wirecard
Im Juni 2020 muss der DAX-Konzern Wirecard Insolvenz anmelden, weil knappe zwei Milliarden Euro, die in der Bilanz vorkommen, real nicht aufzufinden sind. Wirtschaftsprüfer gehen von "kriminellen Machenschaften" des Münchner Bezahldienstleisters aus. Betroffen sind welweit mehr als 5.100 Mitarbeiter (lt. Geschäftsbericht 2018).

Platz 6: Walter Bau
Die Krise der deutschen Bauwirtschaft in den neunziger Jahren bricht der Walter Bau AG im Februar 2005 das Genick. Das Unternehmen hatte zu lange an verlustreichen Projekten festgehalten, sein profitables Auslandsgeschäft vernachlässigt und fehlerhaft bilanziert.
Die Deutsche Bank weigert sich schließlich, weiter für die Geschäfte des Unternehmens zu bürgen. Weitere Banken kündigen ihre Kredite. Walter kann keine Aufträge mehr annehmen. 6.900 Mitarbeiter verlieren ihren Job. (Bild: Pixabay)

Platz 5: Air Berlin
Als sich Großaktionär Etihad Airways weigert, Air Berlin weiter finanziell zu unterstützen, meldet die Airline am 15. August 2017 Insolvenz an. Nach jahrelanger Misswirtschaft ist das Unternehmen mit über 1,14 Milliarden Euro verschuldet.
Ob die 8.400 Beschäftigten ihren Job verlieren, oder künftig bei Lufthansa, easyjet, Condor oder Niki Lauda arbeiten, entscheidet sich nach der Bundestagswahl am 24. September. Dann verhandeln die Gläubiger über die Übernahmeangebote der vier Airlines. (Bild: Pixabay)

Platz 4: Woolworth
Im April 2009 macht die Warenhauskette Woolworth mit einem Insolvenzantrag beim Amtsgericht Frankfurt am Main Schlagzeilen. Gut 9.300 Arbeitsplätze stehen zur Disposition.
Das Unternehmen kann aber umstrukturiert werden. Die neugegründete Woolworth Deutschland GmbH führt 160 der 310 Filialen fort.
Im Mai 2010 übernimmt die Holding von KiK-Gründer, Stefan Heinig, die Gesellschaft. Die Modekette NKD übernimmt weitere 71 Woolworth-Filialen. (Bild: Woolworth)

Platz 3: Praktiker
Am 10. Juli 2013 erklärt sich die Baumarktkette Praktiker für überschuldet und zahlungsunfähig. Tags drauf stellt sie Insolvenzantrag. Eine Umstrukturierung sowie die Übernahme der profitablen Baumarkttochter Max Bahr durch Konkurrent Globus scheitern.
In Deutschland gehen rund 20.000 Arbeitsplätze verloren. Die Praktiker-Filialen in Polen, Ungarn, der Ukraine und Griechenland übernehmen verschiedene Investoren.
(Bild: A.Savin (Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)

Platz 2: Schlecker
Im Februar 2012 kann Schlecker Forderungen in Höhe von 655 Millionen Euro nicht mehr bedienen. Im Juni beschließen die Gläubiger, die Drogeriekette zu zerschlagen. Sie sehen keine Möglichkeit, das Familienunternehmen an einen Investor zu verkaufen. Knapp 35.000 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Seit März 2017 müssen sich Firmengründer Anton Schlecker und seine Familie wegen Untreue, Bankrott und Insolvenzverschleppung vor Gericht verantworten. (Bild: Wikimedia – Echtner,Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)

Platz 1: Arcandor
Mitte 2009 kann der Handelskonzern Arcandor 650 Millionen Euro Schulden nicht mehr bedienen. Die AG und die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle waren insolvent, nicht aber die Reisesparte, Thomas Cook.
Besonders belastend waren die Monatsmieten der Kaufhäuser in Höhe von 23 Millionen Euro. Sie flossen zum Teil an einen Fonds, an dem Ex-CEO Thomas Middelhoff beteiligt ist. Er wurde später wegen Untreue verurteilt. Die Sanierung des Konzerns scheitert, Karstadt wird jedoch weitergeführt. Nur die Thomas Cook Group lässt sich veräußern. Betroffen von der Insolvenz waren insgesamt mehr als 86.000 Mitarbeiter. (Bild: dpa Picture Alliance)
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