Tastatur mit Befehl Multisourcing

(Bild: AliFuat-AdobeStock.com)

Die Beschaffung als unternehmerischer Erfolgsfaktor im Mittelstand erlangt eine zunehmende Bedeutung. Eine Erkenntnis daraus ist die, dass Unternehmesgewinne nicht nur durch Optimierung der Produktionsabläufe oder Verfahrensprozesse zu erzielen sind, sondern auch durch konsequente Materialkostenreduzierung und sorgfältige Auswahl und Entwicklung der Lieferanten.

In heutigen Unternehmen wird häufig zwischen strategischem und operativem Einkauf unterschieden. Beim strategischen Teil des Einkaufs steht die Frage nach der Effektivität im Vordergrund. In der Praxis bedeutet das, den optimalen Preis für die angestrebte Produktqualität bei dem am besten geeigneten Lieferanten zu erzielen. Der operative Einkauf steht für die effiziente Umsetzung der Beschaffungsziele, die in der Daten-Organisation die Analyse der kaufmännischen Daten, die Zusammenfassung des Materialbedarfs und des Fertigungsprozesses sowie des Warentransfers mittels ERP-System bewerkstelligen.

Beschaffung als Managementfunktion

Im Gegensatz zu den OEMs mit ihren Global Sourcing-Strategien und der weltweiten Ausnutzung sämtlicher Beschaffungsquellen arbeiten die mittelständischen Zulieferunternehmen oft genug noch mit eingeschränkten Einkaufsoptionen. Diese entstanden häufig aus der Tradition gewachsener Kunden-/Lieferantenbeziehungen und häufig auch durch eine Skepsis, ähnliche Beschaffungsstrategien wie die OEM zu etablieren. Oftmals ist der Grund in der Tatsache begründet, dass bei der Einkaufs-Kalkulation höhere Verwaltungsaufwendungen zur Koordination verschiedener Lieferanten, dem Aufbau einer Beschaffungsmarktforschung, Investitionen in Mitarbeiterqualifikationen, erhöhte QS-Maßnahmen etc. zu berücksichtigen sind. Hinzu kommen weitere Logistikkosten für Fracht, Zoll und Zwischenlagerung sowie der nicht unerhebliche Informationsaufwand mit internationalen Beschaffungspartnern und der Daten-Organisation.

Ein wesentlicher Punkt bildet auch die Einhaltung von Qualitätsstandards und der Umweltauflagen, geregelt in den Zertifikaten ISO/TS 16949 und ISO 1400, speziellen Kundennormen und gesetzlichen Vorgaben sowie die Gewährleistung qualitätsdeterminierter Teile/Systeme. Bei Abwägung der Vor- und Nachteile verschiedener Strategien im Hinblick auf Treiber oder Bremse kommt den Wertschöpfungsprozessen eine besondere Betrachtung zu.

Beim Wechsel vom reinen Teilehersteller zum System-Lieferanten erfolgt ein großer Sprung im Wertschöpfungsprozess. Folge ist eine signifikante Ausweitung der Verantwortung im Zusammenwirken aller Beteiligten in der Lieferkette. Mit der Integration werden für die Beteiligten weitere Verantwortungsfelder eröffnet: Beispiele sind die eigenverantwortliche Mengenplanung mit Logistikfunktionen, Forschungs- und Entwicklungsleistungen sowie die Qualitätsabsicherung. Nach Anlauf der Serienproduktion wird der Zulieferer zu ständiger Rationalisierung und Weiterentwicklung seiner Produkte gehalten sein.

Multisourcing als Hebel

Multisourcing bedeutet die Erweiterung des Lieferantenkreises. Durch diese Erweiterung werden Einsparungen erzielt, Abhängigkeiten vermieden, die Versorgungssicherheit erhöht. Bei der globalen Beschaffung werden auch Lohnkosten-Unterschiede wie auch internationale Entwicklungspotenziale genutzt und gefördert. Damit steht mit der Multisourcing-Strategie ein mächtiger Hebel zur Verfügung, mit dessen Hilfe ein Unternehmen seine Wertschöpfung erweitern, effektive Kosteneinsparungen erzielen und dabei seine Wettbewerbsfähigkeit stärken kann.

Vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen sind alle Teilnehmer in der Automobilindustrie gefordert, Inhalte, Strukturen und Prozesse neu zu überdenken und zu optimieren. Besonders die Faktoren Ressourcenverknappung, Umweltauflagen, Überkapazitäten, kürzere Marktzyklen, Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie die Preissensibilität der Verbraucher setzen die Akteure momentan unter ständigen Veränderungsdruck.

Aufgrund des hohen Kostenbeitrags der Beschaffung verfügt diese über einen starken Treiber zur Erhöhung der Profitabilität. Durch die Hebelwirkung können bereits geringfügige Einsparungen in diesem Bereich zu einer signifikanten Verbesserung des Geschäftsergebnisses führen. Stand früher die Produktion im Mittelpunkt des unternehmerischen Rationalisierungsfokus, so ist es heute die Beschaffungsseite, die auf Veränderungen in den Strukturen und Prozessen ansetzt, um damit die weitaus größeren Rationalisierungsreserven auszuschöpfen.

Fazit: Multisourcing – Bremse oder Treiber?

Die Mehrlieferanten-Strategie hat sich bei deren Erfindern, den OEM, bewährt und wird auch im Zuge von neuen Strategien wie Global Sourcing, Forward Sourcing, Multiple Sourcing aber auch bei alten Beschaffungsverfahren wie der Einzelquellenbeschaffung (Single Sourcing) erfolgreich praktiziert.

Die Übernahme der Beschaffungs-Strategien von System-Lieferanten der ersten Linie und auch der nachfolgenden Linien (Tier 1,2,3…) belegen den Wirkungsmechanismus und belegen den Treibereffekt in der Automobilindustrie. Längst verstehen sich auch Teile-Lieferanten nicht mehr als Einzelakteure, sondern als Mitglied in der Lieferkette oder Supply Chain Family. Es sind die kleineren und mittleren Unternehmen, meistens eigentümergeführt – oftmals in Familienbesitz, die durch ihre Entwicklungsfähigkeit und Entschlusskraft aber auch durch professionellen Umgang mit neuen Beschaffungsstrategien Chancen generieren und Risikomanagement betreiben zum Nutzen für ihre Unternehmen und der Branche.

Insofern wirkt die Strategie in der Beschaffung als Treiber und steht gleichberechtigt neben der Entwicklungs- und Produktionsstrategie. Es gilt, Effizienzpotenziale zu erschließen. Die Optimierung bzw. das Beschreiten neuer Strategien in der Beschaffungslogistik sind solche Wege – unabhängig von der Größe eines Unternehmens.

 Foto: Stason4ik/Shutterstock

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