Die globale Pandemie schlägt aktuell in fast jeder Industrie Wellen, stört Prozesse und bremst manche sogar völlig aus. Der vielleicht am stärksten betroffene Bereich ist die Lieferkette oder sogenannte Supply Chain. Drei von vier Unternehmen berichten, dass ihre Lieferketten durch die Krise, wenn auch nicht ganz lahmgelegt, jedoch gestört wurden. Lieferverzögerungen und Bestandsengpässe sind inzwischen an der Tagesordnung. Kurz nachdem der Lockdown ausgerufen wurde, hat sich die Situation zugespitzt: selbst Amazon hatte Lieferverzögerungen von bis zu einem Monat zu verzeichnen.
Eine widerstandsfähige Lieferkette ist für den weltweiten Fluss lebenswichtiger Güter unerlässlich. Die heutige Lieferkette umfasst jedoch zahlreiche Altsysteme und umfangreiche papierbasierte Prozesse. Dies macht es oft zur Herausforderung agil und flexibel zu sein und die Abläufe einfach und schnell anpassen zu können. Wie die Krise für viele Organisationen gezeigt hat, muss sich die Lieferkette aktuellen Bedingungen schnell angleichen können, um widerstandsfähig zu sein.
Was es braucht, um resilient zu werden
Ein robustes Netzwerk zeichnet sich durch Transparenz und Flexibilität aus, wobei letzteres insbesondere bei Beschaffungs-, Herstellungs- und Vertriebsaktivitäten von Nöten ist. Laut einer von Gartner durchgeführten Umfrage geben jedoch nur 21 Prozent der Befragten an, dass sie über ein äußerst resistentes Netzwerk verfügen. Wenn Unternehmen eins aus ihren Erfahrungen während der Pandemie gelernt haben, dann, dass die Transparenz von Prozessen und schnellen Veränderungen nicht einfach zu erreichen ist. Es liegt auf der Hand, dass echte Veränderungen nicht über Nacht geschehen.
Das liegt daran, dass ERP-Tools (Enterprise Resource Planning) und Lagerverwaltungssysteme noch in hohem Maße manuell funktionieren. Die Daten müssen von Hand in diese Systeme eingegeben werden, was zeitaufwändig und fehleranfällig ist. Außerdem spiegeln diese Systeme aufgrund ihres manuellen Charakters oft nicht wider, wie Arbeitsabläufe in Echtzeit funktionieren. Systeme, die mit Hilfe intelligenter Erfassungssoftware digitalisiert wurden, sind deshalb in der Regel immer noch unzusammenhängend.
Dies kann problematisch sein, da Lageraktivitäten in Echtzeit ablaufen: Angefangen bei Sendungen, die das Lager verlassen, über Frachtbriefe, die verarbeitet werden müssen, bis hin zu SKU-Daten (Stock Keeping Unit), die organisiert werden müssen. Wenn die Verantwortlichen in der Lieferkette nur begrenzten Zugang zu Echtzeitdaten haben, können sie sich nur schwer an rasch wechselnde Umstände anpassen, insbesondere während Krisenzeiten.
Transparenz wird immer wichtiger
Schon seit längerem bemüht sich die Logistikbranche um eine transparente und allumfassende Einsicht in die Lieferkette. Dies war bisher wichtig und wird in Zukunft sogar noch wichtiger werden. Es handelt sich dabei um eine elementare Voraussetzung für Produktivität, Effizienz und Resilienz.
Einsicht in die Lieferkettenprozesse zu erreichen, bedeutet, die Bewegung von Waren von einem Ort zum anderen so zeitnah wie möglich zu verstehen. Dies ist mit Hilfe von Prozessintelligenz, bei der sich Prozessverantwortliche Einblicke in Vermögenswerte und Bestände, Ereignisse und Arbeitsabläufe verschaffen, möglich. Diese finden sich in jedem Schritt der Lieferkette, bei allen beteiligten Partnern, einschließlich Logistik- und Transportanbietern, und im gesamten Netzwerk von Lieferanten und Kunden.
ERP- und Lagerverwaltungs-Systeme allein können keine umfassende und fokussierte Sicht auf alle Aktivitäten in der Lieferkette bieten, was dazu führt, dass Führungskräfte der Supply Chain eine sehr fragmentierte Sicht darauf haben, wie ihre Prozesse funktionieren.
Technologien, die resistente Lieferketten ermöglichen
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), robotergestützter Prozessautomatisierung (RPA) und maschinellem Lernen sind laut Gartner häufig eingesetzte Technologien, um Transparenz zu ermöglichen. Ein Bereich, in dem diese Technologien lukrativ genutzt werden können, ist die Optimierung von Geschäftsprozessen zur Gewinnsteigerung. Wenn sie planmäßig ausgeführt werden, können die meisten betrieblichen Prozesse sehr einfach automatisiert werden. In der Realität werden die meisten Prozesse jedoch nicht so ablaufen, wie sie ursprünglich beabsichtigt waren. Eine kürzlich von ABBYY durchgeführte Umfrage ergab, dass sich 60 Prozent der Mitarbeiter nicht strikt an Prozesse halten, weil sie zum Beispiel auf Kundenwünsche besser eingehen wollen. Prozessschritte werden nach Bedarf ausgelassen und hinzugefügt. Damit ist der Prozess nur noch schwer nachvollziehbar und messbar.
Mit Technologien zur Prozessintelligenz können Unternehmen tote Winkel entdecken, analysieren und Ineffizienzen in der Lieferkette beheben. Bei der Auswahl von Technologien zur Effizienzsteigerung und Prozesstransparenz und -stabilität müssen vier Komponenten beachtet werden.
1. Ganzheitlichkeit
Technologien mit dem größten Wirkungspotenzial für Lieferketten sind diejenigen, die Unternehmen in die Lage versetzen, sämtliche Geschäftsprozesse zu kennen und zu analysieren. Bei den Prozessen in der Lieferkette geht es nicht nur um die Bewegung von Waren, sondern auch um den Fluss von Dokumenten, wie zum Beispiel Stoffdeklarationen, wesentliche Angaben, Ursprungszeugnisse, Bestellungen und Konformitätsbescheinigungen. Hochentwickelte Lösungen wie Prozessintelligenz sind in der Lage, auf der Grundlage von Auswertungsdaten zu melden, wo Engpässe bestehen, wann Schritte übersprungen werden, wiederkehren oder nicht ordnungsgemäß funktionieren. Auf der Basis dieser Informationen können Führungskräfte sehen, welche potenzielle Prozessergebnisse, Abweichungen und Zeitschwankungen sowie Kosten- und andere Leistungskennzahlen möglich sind.
2. Leichte Bedienbarkeit
Die Lösungen sollten für Geschäftsanwender leicht einzurichten, zu konfigurieren und einzusetzen sein. Tools, die technisches Wissen oder sogar Kodierung erfordern, erhöhen die Abhängigkeit von IT-Dienstleistern und fügen zusätzliche Hindernisse für eine flexible und schnelle Implementierung hinzu. Agile Lösungen dagegen bieten sofort einsatzbereite Analysewerkzeuge, um Prozesse zu bewerten und die Ursachen für Prozessineffizienzen von Anfang aufzudecken. Traditionell würde hier ein KI- oder ML-Experte benötigt. Hat ein Business-Analyst jedoch die Möglichkeit, auf Software zurückzugreifen, die er mit geringem oder gar keinem Coding-Aufwand verwenden kann, so kann man hier vom Aufstieg des "Citizen Developer" sprechen
3. Echtzeit-Monitoring
Viele Geschäftsanalyse-Tools führen eine wochen- oder monatelange rückblickende Bewertung der Prozessleistung durch. Es ist jedoch auch wichtig, dass die Prozesstechnologien der Lieferkette eine Echtzeit-Überwachung bieten, um sicherzustellen, dass sich die Prozesse wie erwartet verhalten. Erst dann kann das volle Potenzial der Tools ausgeschöpft werden und bei Bedarf Warnmeldungen auszulösen, um eine kontinuierliche Prozessverbesserung zu unterstützen.
4. KI-Unterstützung
KI- und ML-Technologien werden von Gartner als eine der wichtigsten Technologietrends für die Lieferkette im Jahr 2020 genannt. Sie werden eingesetzt, um prädiktive technologische Fähigkeiten bereitzustellen, die im Vorhinein Warnmeldungen aussenden, wenn Prozesse möglicherweise nicht wie erwartet funktionieren. Auf diese Weise können Verantwortliche Prozessabweichungen und Bedenken präventiv angehen und beheben, bevor sie überhaupt entstehen.
Durch die Koppelung der KI mit einem Lagerverwaltungs- oder ERP-System können mehr Daten und Einblicke in die Lieferkettenaktivitäten ermöglicht werden, was die Dokumentenprozesse verbessert. Darüber hinaus können KI-fähige Content-Intelligence-Technologien auch dabei helfen, eingehende Daten zu lesen und zu erfassen, Dokumente automatisch zu kategorisieren, wichtige Daten mit anderen Aufzeichnungssystemen zu verbinden und Systeme automatisch zu aktualisieren.
Schon heute eine resiliente Lieferkette für die Zukunft aufbauen
Die Pandemie hat die Supply Chain an einen Punkt gebracht, an dem Veränderungen unumgänglich sind. Führungspersönlichkeiten müssen die Grundlage für einen wirkungsvollen, dauerhaften Wandel schaffen, der sich auf alle Bereiche der Lieferkette auswirkt. Digitale Intelligenz ermöglicht es Organisationen, einen breiteren und tieferen Einblick in ihre Abläufe zu gewinnen. So kann ein Geschäftswandel gewinnbringend und nachhaltig unterstützt werden. Kurzum, wird ein Unternehmen mit digitaler Prozessintelligenz ausgestattet, so können Transaktionskosten gesenkt, das Kundenerlebnis verbessert, die Transparenz erhöht und die Supply Chain verstärkt werden.
Quelle: bcw