Nächtlicher Blick aufs rumänische Bukarest

Bukarest ist Rumäniens Hauptstadt und für das Beschaffungs-Outsourcing sehr beliebt. (Bild: Eduard - stock.adobe.com)

Rumänien stellte alle in den Schatten. 2017 wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt des Landes um sieben Prozent. In 2021, dem Jahr nach der weltweiten Corona-Delle, brachte es das osteuropäische Land wieder auf ein Wachstum von 5,88 Prozent auf ein Pro-Kopf-BIP von 12.510 Euro. Damit ist Rumänien zwar der zweitärmste Mitgliedsstaat der Europäischen Union zugleich aber die wirtschaftlich dynamischste Volkswirtschaft.

Rumänien hat die industriellen Kompetenzen, die es zu Zeiten des Sozialismus erworben hat, seit dessen Fall genutzt, um zu einem der führenden europäischen Zulieferstandorte aufzusteigen. Angeführt von der Automobil- und Kfz-Teileproduktion trägt das produzierende Gewerbe gut ein Drittel zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Die World Bank beziffert den Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021 auf 27,78 Prozent. Zum Vergleich: 2011 lag der Anteil von bei fast 39 Prozent.

Dabei ist die Industrie sehr exportorientiert - sie liefert ein Viertel ihrer Produktion nach Westeuropa. Insgesamt gehen rund 75 Prozent der Industrieproduktion in den Export. Dabei lieferten die in Rumänien ansässigen Unternehmen 2020 hauptsächlich Waren und Vorprodukte nach Deutschland (23 Prozent Anteil am Gesamtexport), Italien (10,8 Prozent Anteil am Gesamtexport) und Frankreich (6,7 Prozent Anteil am Gesamtexport). Weitere wichtige Handelspartner sind Ungarn, Polen, Bulgarien und die Niederlande. Knapp die Hälfte der Exportprodukte Rumäniens sind Autos, Maschinen und Geräte. Weitere wichtige Waren sind Produkte aus Eisen, Gusseisen und Stahl sowie Software, Kraftstoffe, Reifen, Möbel und Tabak.

Rund um die Werke von Dacia/Renault und Ford haben sich rund 470 Zulieferbetriebe niedergelassen. Etwa ein Drittel der Betriebe kommt dabei wie Bosch, Continental, Dräxlmaier, Eberspächer, Leoni oder ZF Friedrichshafen aus dem Ausland. Insgesamt betreiben 13 der 20 größten Autozulieferer der Welt eigene Werke in Rumänien.

Neben der Autoindustrie gibt es in dem Karpatenland einen großen Maschinenbausektor sowie eine bedeutende Textilindustrie. Außerdem produziert das erdöl- und erdgasfördernde Land eine breite Palette an petro- und agrochemischen Produkten, Farben, Lacken und Schmierstoffen sowie Generika und Kosmetika.

Wachsender Dienstleistungssektor

So wichtig jedoch die Industrie für die rumänische Wirtschaft ist, der Dienstleistungssektor stellt dies mit einem Anteil von 60,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt weit in den Schatten. Neben dem Tourismus trägt hier vor allem die IT-Branche zur Wirtschaftsleistung bei. Diese wuchs vor allem während der Coronapandemie. Allein im Jahr 2020 stieg die Anzahl der Beschäftigten im IT-Bereich um 10.000 Mitarbeiter im Vergleich zum Vorjahr.

Besonders interessant ist Rumänien für Investoren im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E). International tätige IT-Unternehmen wie Huawei, Microsoft oder auch Automobilzulieferer bauen ihre F&E-Kapazitäten aus.

Fachkräftemangel auch in Rumänien

Die Region um die Hauptstadt Bukarest zieht die meisten Investoren an. Hier leben im Vergleich auch die am besten ausgebildetsten Fachkräfte. In Bukarest herrscht die höchste Dichte an Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen. Die Region zieht zudem mehr als die Hälfte der gesamten ausländischen Direktinvestitionen an, die ins Land fließen. Den Anteil von 60,7 Prozent der Zuflüsse, die auf Bukarest entfallen, bewertet die Zentralbank als unverhältnismäßig hoch.

Viele Absolventen gehen gleich nach dem Abitur zum Studieren ins Ausland. "Und die sehen wir dann meiner Meinung nur noch zu einem Bruchteil wieder", so Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs in Rumänien, einer Investorenvereinigung. Der „Brain-Drain“, also die Abwanderung er deutschsprachigen Schulabsolventen, bereitet den Investoren bei der Suche nach akademisch ausgebildeten Fachkräften zunehmend Probleme.

Wirtschaftliche Fakten zur Beschaffung in Rumänien

Offizieller Name România, Rumänien
Hauptstadt Bukarest
Amtssprache Rumänisch
Bevölkerung 2022 19,3 Millionen
Bruttoinlandsprodukt 2021 283,48 Mrd. US-Dollar
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
14.667 US-Dollar
Wirtschaftswachstum 2019/2020/2021 4,19 % /-3,75% / 5,88%
Inflationsrate 2019/2020/2021 13,8% / 2,65% / 5,05%
Importe 2021 116,23 Mrd. Euro
Exporte 2021 87,38 Mrd. Euro
Freihandelsabkommen EU-Mitglied

Beschaffung in Rumänien: Die wichtigsten Ausfuhrgüter

Drei Viertel seiner Ausfuhren liefert Rumänien in die Europäische Union – vor allem nach Deutschland. Ein Zehntel der Exporte gehen in die Bundesrepublik. An erster Stelle der Exporte stehen mit einem Anteil von knapp einem Drittel Produkte der Elektrotechnik, gefolgt von Autos und Kfz-Teilen, auf die fast ein Fünftel der deutschen Importe aus Rumänien entfällt.

Deutsche Importe aus Rumänien 2021 14,726 Milliarden Euro
Deutsche Exporte nach Rumänien 2021 18,248 Milliarden Euro
Deutsche Einfuhren aus Rumänien nach Warengruppen
(in Prozent der gesamten Importe aus Rumänien)
· Elektrotechnik (27,7%)
· Kfz und -teile (18,4%)
· Maschinen (11,5%)
· Textilien/Bekleidung (5,6%)
· Kautschukerzeugnisse (4,5%)
· Sonstige (32,3%)

Quelle: Destatis

Einkauf in Rumänien: Die wichtigsten Rohstoffe

In Rumänien finden sich beträchtliche Vorkommen an Kohle, Salz und Erdöl. Außerdem verfügt das Land über das drittgrößte Erdgasvorkommen aller EU-Staaten. Anders als viele andere Exporteure fossiler Brennstoffe kann das Land seine Förderung weiter ausbauen.

Der österreichische Energiekonzern OMV entscheidet 2018 über eine milliardenschwere Investition in die Erschließung des Gasfeldes Deep Neptun im Schwarzen Meer. Insgesamt investieren internationale Rohstoffkonzerne derzeit hohe Summen in die Exploration neuer Erdgas- und –ölvorkommen in Rumänien

Rohstoffe: Salz, Eisenerz, Kohle, Erdgas, Erdöl

Produktivität, Qualität und Kosten im Beschaffungsland Rumänien

Mit durchschnittlich 7,70 Euro liegen die Kosten für eine Arbeitsstunde in Rumänien laut Destatis deutlich unter dem Durchschnitt der EU von 28 Euro. Der gesetzliche Mindestlohn, nach welchem viele Industrieunternehmen ihre Arbeiter bezahlen, liegt derzeit bei 467 Euro (2.300 Lei Stand 2022). Insgesamt steigen die Lohnkosten in Rumänien seit Jahren rasch an. Berechnungen der österreichischen Raiffeisen Bank zufolge legten sie 2017 um elf Prozent zu. In Boombranchen wie der Automobilindustrie und IT-Branche betrugen die Zuwächse in den vergangenen Jahren teilweise sogar bis zu 30 Prozent.

Da immer mehr Rumänen trotz des Booms ihre Heimat verlassen und die rumänische Bevölkerung zugleich altert, haben Arbeitgeber vor allem in wachstumsstarken Sektoren Probleme, ausreichend Fachkräfte zu finden. Egal, ob es sich dabei um ungelernte Arbeiter oder Ingenieure handelt. Sechs von zehn Unternehmen sehen im Fachkräftemangel inzwischen ein erhebliches Risiko für ihre Entwicklung, so das Ergebnis einer Umfrage der Auslandshandelskammer in Bukarest.

Vor allem im Bau klagen viele Firmen über fehlende Qualifikation der Arbeiter, die Ausbildung müssen sie meist selbst übernehmen.

Durchschnittlicher Bruttomonatslohn eines Arbeiters
1.320 US-Dollar
Analphabetenquote 1,2%
Durchschnittliche Dauer des Schulbesuchs 10,8 Jahre
Anteil der Bevölkerung mit sekundärer Schulbildung 89,1%
Anteil der Bevölkerung, die sich für ein Hochschulstudium einschreibt
25,6%
Human Development Index 2021 Platz 53 von 188
Global Competitiveness Index 2019
Platz 51 von 138
Offizielle Arbeitslosenquote 2021 5,1%
Arbeitsproduktivität im EU-Vergleich (Durchschnitt der EU-28 = 100; Deutschland = 105,1) 66,8

Rumänien ist für seine Bürokratie bekannt. Das gilt vor allem für Vorschriften bei der Buchhaltung und im Umgang mit Behörden nach einer Firmengründung. Im osteuropäischen Vergleich zahlen Firmen in Rumänien allerdings wenig Steuern.

Die häufigsten Probleme sind aber kultureller Art: Rumänische Angestellte teilen nicht unbedingt das deutsche Verständnis von Pünktlichkeit und Perfektion. Insgesamt sind die Menschen dort weniger "deutsch organisiert", daher sind hierarchische Strukturen hilfreich.

Beschaffung in Rumänien: Infrastruktur und Logistik

Rumäniens Verkehrsinfrastruktur ist erneuerungsbedürftig und kann mit dem starken Wirtschaftswachstum des Landes vielerorts nicht mithalten. Vor allem das nur 749 Kilometer umfassende Autobahnnetz wird immer mehr zum Bremsklotz der wirtschaftlichen Entwicklung. Doch auch das übrige Straßen- und Schienennetz kann mit der Infrastruktur in anderen osteuropäischen Staaten nicht mithalten.

In Tschechien, Ungarn oder Polen etwa geben die Regierungen pro Bürger gut ein Drittel mehr für den Ausbau und die Erhaltung ihrer Infrastruktur aus. Rumänien hingegen hat seit der globalen Finanzkrise kaum mehr in sein Straßen- und Schienennetz investiert. Im Logistics Performance Index der Weltbank landet das Land daher auf dem 60. von 160 Plätzen weit hinter Ägypten, Kenia, Botswana oder Uganda.

Bis 2030 will Rumänien zwar gut 37 Milliarden Euro in den Ausbau des Schnellstraßen- und die Sanierung sowie Elektrifizierung des Schienennetzes investieren, dazu ist das Land jedoch auf Fördermittel der EU angewiesen. Allerdings gelingt es Rumänien kaum, Infrastrukturprojekte so vorzubereiten und zu planen, dass es Gelder auch abrufen kann, die ihm zustehen. So konnte die rumänische Regierung bislang nur knapp elf Prozent der Mittel beanspruchen, die in der noch bis 2020 laufenden Förderperiode für das Land reserviert sind. In der vorangegangenen Förderperiode von 2007 bis 2013 rief kein EU-Staat weniger Mittel ab wie Rumänien.

Immer informiert mit den Newsletter von TECHNIK+EINKAUF

Hat Ihnen gefallen, was Sie gerade gelesen haben? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Zwei Mal pro Woche halten wir Sie auf dem Laufenden über Neuigkeiten, Trends und Wissen rund um den technischen Einkauf - kostenlos!

Newsletter hier bestellen!

Wichtigste Seehäfen Konstanza
Wichtigste Flughäfen Bukarest, Cluj, Timisoara, Ia, Sibiu
Autobahnnetz 749 Kilometer
Eisenbahnnetz 20.730 Kilometer

Risiken bei der Beschaffung in Rumänien

Rumänien liegt in einer seismisch sehr aktiven Region der Balkanhalbinsel. Deshalb bebt in dem Land immer wieder die Erde. Ein weiteres Beschaffungsrisiko könnte entstehen, wenn die politische Führung des Landes den bisherigen harten Kurs im Kampf gegen die Korruption aufgeben sollte.

Quellen: gtai, Auswärtiges Amt, UNESCO, UNDP, WEF

Sie möchten gerne weiterlesen?