Business-Meeting von zwei Männern

Der persönliche Kontakt zwischen Einkäufer und Lieferant ist wichtiger denn je. (Bild: Shutter B - stock.adobe.com)

Wann waren Sie das letzte Mal bei einem Lieferanten vor Ort? Also ich meine so richtig auf deren Werksgelände, mit Händeschütteln und Gepräch in Echttonqualität?

Sie können sich gar nicht mehr erinnern, wann das vor Corona war? Absolut verständlich, ist ja inzwischen auch mit Webmeetings viel effizienter. Gerade jetzt, wo Sie wegen Lieferengpässen und Preissteigerungen ja auch wenig bis gar keine Zeit für Lieferantenbesuche haben.

Machen Sie ruhig so weiter. Alles andere geht ja aktuell auch nicht. Ruhig weiter so, bis Ihr Unternehmen in der zweiten Liga spielt oder Ihr Job wegrationalisiert wurde, ist ja effizienter so.

Starker Tobak? Sehe ich nicht so, denn wenn man sich mit verschiedenen Einkäufern unterhält, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass diese es über die letzten zwei bis drei Jahren verlernt haben, Lieferanten vor Ort zu besuchen.

Doch gerade in den aktuellen Zeiten von Fehlteilen, wackeligen Supply Chains und nie gekannten Preiserhöhungen sind solche Besuche um so wichtiger. Wichtig vor allem, damit Sie Themen wie die folgenden konkret angehen können:

  • Setzen Sie sich mit dem Lieferanten zusammen und erarbeiten Sie gemeinsam in einem Raum am Flipchart Lösungen. Diskutieren Sie kontrovers, fallen Sie dem anderen ins Wort und warten Sie nicht wie bei MS Teams bis der andere ausgesprochen hat. Echte Lösungen in den immer dramatisch werdenden Engpässen entstehen nicht dadurch, dass man sich Powerpoint-Folien am Bildschirm zeigt, sondern in dem man Lösungen im Diskurs erarbeitet.
  • Wenn ich Lieferant wäre und nur eine begrenzte Menge an Teilen produzieren kann, an wen würde ich diese bevorzugt vergeben? An denjenigen, der mir täglich E-Mails sendet und wöchentlich zum Webmeeting-Rapport einbestellt. Oder an denjenigen, der mit seinem Geschäftsführer bei mir vorbeikommt, der versucht meine Situation zu verstehen und der Vorschläge beim gemeinsamen Lunch macht, wie es vielleicht funktionieren könnte. Wen würden Sie bevorzugen?
  • Wenn jegliche Preiserhöhungen von Rohstoffen und Energiekosten außerhalb ihres Handlungsspielraum liegen, dann liegt die Lösung in der Optimierung des Produktes selber mittels Design-to-Cost oder Wertanalyse. Das funktioniert umso besser, wenn Sie vor Ort das zerlegte Produkt anschauen und anfassen können, um Kostenoptimierungspunkte im gemeinsamen Team zu erabeiten. Da ist die Digitalisierung noch nicht so weit, dass Sie dies mit VR-Brillen und haptischen Handschuhen machen können.
  • Östlich von Wien ist im Wort „Lieferantenbeziehung“ der zweite Teil des Wortes wichtig. Wie wollen Sie eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung zu einem neuen osteuropäischen Lieferanten aufbauen, wenn Sie sich noch nie im echten Leben begegnet sind oder noch nie gemeinsam zu Abend gegessen haben? Die Unternehmen in den Visegrad-Staaten und im Balkan haben jede Menge zu tun und warten nicht auf Sie, der jetzt zum Beispiel von China nach Polen verlagern will. Ganz zu schweigen, dass Sie den Lieferanten auch vor Ort auditieren sollten. Gegebenenfalls zeigt sich, dass er noch weitere Leistungen für Sie auf Lager hat oder ein anderer Betrieb in unmittelbarer Nachbarschaft dies übernehmen kann. In Zoom oder Teams gibt es keine Nachbarschaft.

Was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist ein Weckruf an alle, den Weg zurück aus der digitalen Wohlfühlecke in das wahre Leben zu finden. Denn nur so lassen sich die aktuellen Probleme im Einkauf lösen: persönlich und vor Ort.

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