Wir stecken mittendrin im digitalen Wandel. Und der bedeutet: Daten. Viele Daten. Wurden Daten vor wenigen Jahren noch als schlichte Aufzeichnungen angesehen, gelten sie heute als - meist noch unerschlossene - Goldgruben. Das gilt für alle wirtschaftlichen Bereiche – von der Verwaltung über den Vertrieb bis hin zu Marketing und Produktion. Sie müssen mit einer wachsenden Datenflut umgehen lernen. Besonders die Logistik steht im Digitalisierungsfokus, da sie zu einem der größten Verursacher dieser Datenexplosion geworden ist.
Das wirkliche Potential dieser Daten wird jedoch erst durch den Einsatz von Analytics-Methoden sichtbar. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (ML) zielen darauf ab, Maschinen in die Lage zu versetzen, Daten mittels Tiefenanalysen auszuwerten, sondern auch, fundierte Strategien zu entwickeln, präzise Prognosen abzugeben und - letztendlich - selbstständige Entscheidungen zu treffen. Basis von KI und ML sind Algorithmen, also Vorgehensweisen für bestimmte Aufgaben, die einem strukturierten Schema folgen.
Werden diese KI-Systeme also mit reichhaltigen historischen Datenbanken gefüttert, erkennen sie vorhandene Datenstrukturen und -muster und können aus ihnen lernen. Das Ergebnis kann sein, Vorhersagen über die Pünktlichkeit von Lieferungen zu treffen oder die effizienteste Transportroute zu identifizieren.
So weit, so gut. Doch was, wenn die Daten unbrauchbar sind? Ein kritischer Faktor hierbei bleibt nämlich die Datenqualität. Diese misst, wie gut die Informationen die Kriterien für
- Genauigkeit,
- Vollständigkeit,
- Gültigkeit,
- Konsistenz,
- Einzigartigkeit,
- Aktualität und
- Zweckmäßigkeit
erfüllen, Je präziser die Daten sind, mit denen ein KI-System gefüttert wird, desto besser - und manchmal auch unerwarteter - sind die Ergebnisse, die es produziert.
Datenqualität: Das Fundament für KI in der Supply Chain
Daten sind also das Lebenselixier der KI. Ohne genaue, relevante und zeitnahe Daten wird jede KI-Initiative scheitern. Das gilt insbesondere für die Supply Chain, wo eine Vielzahl von Faktoren in Echtzeit berücksichtigt werden muss. Das sind zum Beispiel
- Wetterbedingungen,
- politische Entwicklungen,
- plötzliche Nachfragespitzen,
- Streiks,
- Staus auf Straßen oder in Häfen,
- politische Unruhen,
- gesundheitlich bedingte Engpässe, etwa durch Grippewellen oder eine Pandemie.
Im Kern geht es bei Datenqualität nicht nur um das reine Sammeln von Informationen, sondern darum, wie diese Informationen interpretiert, gespeichert und später verwendet werden. In der Supply Chain können selbst kleine Ungenauigkeiten in den Daten erhebliche Auswirkungen haben: Fehlende oder falsche Lieferdetails können zu Verspätungen führen, ungenaue Lagerbestandsdaten können zu Über- oder Unterbeständen führen, und fehlerhafte Nachfrageprognosen können die gesamte Lieferkette durcheinanderbringen.
Daher müssen Unternehmen, bevor sie in KI-Tools investieren, ein solides Datenmanagement und -reinigungsverfahren einrichten. Hierbei geht es nicht nur um die Menge der Daten, sondern um ihre Relevanz, Genauigkeit und Aktualität.
Ein einfaches Beispiel ist das geplante Zeitfenster für die Entladung eines Lkw an einer Rampe. Verpasst ein Fahrzeug den ihm zugewiesenen Slot, kommt es zu sehr langen Wartezeiten, denn bislang wird dann ein anderes Fahrzeug, das bereits vor Ort ist, für die Entladung vorgezogen. In Zukunft kann diese Anwendung jedoch durch die Erfassung von Echtzeitdaten deutlich flexibilisiert und weiter dynamisiert werden: Sind die prognostizierten Ankunftszeiten aller Lkw bekannt, kann beispielsweise eine Künstliche Intelligenz sehr schnell die passenden Zeitfenster und die optimale Reihenfolge ermitteln. Darüber hinaus ermöglicht die Datenerfassung auch eine bessere Auslastung vorhandener Ressourcen, etwa bei Lkw oder Personal.
Welche Arten von Daten gibt es?
Daten lassen sich unterschiedlich klassifizieren, hier gibt es diverse Ansätze. Einige davon sind:
- Erscheinungsform: Ton-, Bild- oder Textmaterial
- Verwendung: Stammdaten, Bestandsdaten, Bewegungsdaten
- Datenschutz: vertraulich, nicht vertraulich
- Funktion: Transport, Wareneingang, Warenausgang, Lager, Kommissionierung
- Zustand: digital, analog
In einer ersten Transformation übersetzen Tools analoge in digitale Daten. Erst im nächsten Schritt können aus diesen Digitaldaten Informationen herausgelesen werden.
Der digitale Spediteur
Ein digitaler Spediteur, der KI anwendet, wechselt also die Rolle: Statt lediglich als Mittler oder "Übergabestation" zwischen Lieferant und Kunde zu fungieren, bündelt und analysiert er verschiedenste Daten in Echtzeit und wird so zur agilen Schnittstelle. Der entscheidende Mehrwert sieht so aus:
- Datensichtbarkeit: Digitale Spediteure stellen Plattformen zur Verfügung, die jeden Schritt, von der Abholung bis zur Lieferung, verfolgen. Dadurch wird die gesamte Lieferkette sichtbarer, was KI-Systemen genauere Prognosen ermöglicht.
- Adaptivität: Die Marktbedingungen ändern sich fortlaufend. Digital ausgerichtete Spediteure aktualisieren ihre Systeme ständig, um diese Entwicklungen abzubilden. Somit basieren die von KI generierten Modelle stets auf aktuellen Daten und reflektieren die neuesten Marktanforderungen.
- Automatisierte Entscheidungen: Mit Unterstützung von KI treffen digitale Spediteure automatisierte Echtzeitentscheidungen, sei es bei der Routenwahl, beim Bestandsmanagement oder bei Absatzprognosen. Das bedeutet einen effizienten und damit günstigeren Betrieb.
Ein Logistiker, der zum digitalen Spediteur geworden ist, heißt Flexport. Dessen Plattform ist ein digitales Netzwerk, gespeist von Daten aus verschiedensten Quellen wie See- und Flughäfen, Reedereien und Luftfahrtunternehmen. Live-Tracking von Schiffen und Flugzeugen wird durch GPS- und AIS-Daten gewährleistet, und es gibt sogar Schnittstellen mit Kundeninformationssystemen. Partnerschaften mit Transportfirmen und Zollbehörden sichern den fließenden Verlauf von Sendungen. Die Flexport-Plattform nutzt zudem historischen Daten, um die Genauigkeit von Zeitplänen zu bewerten und präzise Ankunftsprognosen zu ermöglichen.
Ein Beispiel ist das Verlagshaus Kosmos. Mit einer fast zweihundertjährigen Geschichte, die von Büchern bis zu Experimentierkästen und Spielen reicht, machte das Wachstum des Unternehmens die Beschaffung immer komplexer. Eine digitale Lösung sollte her. Für Kosmos wurde die Flexport-Plattform zu einem essentiellen Tool im Supply Chain Management. „Im Alltag ist das Dashboard der wahre Star. Es bietet uns die Möglichkeit, einfach und schnell aussagekräftige Data Reports zu ziehen, um dann flexibler auf bestimmte Herausforderungen innerhalb der Lieferketten reagieren zu können“, so Armin Sinnwell, Mitglied der Geschäftsleitung beim Kosmos Verlag.
Diese Erfahrungen verdeutlichen: Obwohl KI zweifellos transformative Potenziale für die Supply Chain besitzt, muss die Qualität und Relevanz der Daten, auf denen sie fußt, höchsten Standards entsprechen. Ein digitaler Spediteur ist allerdings nicht nur selbst Dienstleister, er wird vor allem zum Schlüsselpartner, der sicherstellt, dass seine Kunden ihrerseits auf qualitativ hochwertige Daten zugreifen können, um ihre eigenen KI-basierten Vorhaben umzusetzen.
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