Ein alltägliches Szenario in vielen Unternehmen: Die Rechnungsabteilung braucht neue Tintenpatronen. Die zuständige Mitarbeiterin kontaktiert nun per Chat ihren Ansprechpartner vom Einkauf. Der Gesprächspartner fragt zielgerichtet alle wichtigen Informationen ab, füllt das Bestellformular aus und leitet die Bestellung dann direkt an den Lieferanten weiter. Was erst einmal uninteressant klingt, hat jedoch einen Clou: Der Ansprechpartner aus der Einkaufsabteilung ist ein Roboter. Doch wie funktioniert das?
Was sind Voice- und Chatbots?
Zuallererst muss mit einem Vorurteil gebrochen werden. Sich einem Bot gegenüber zu verständigen, setzt keinerlei Kenntnis voraus. Die Kommunikation mit einem Roboter ist spätestens seit Einzug smarter Assistenten so natürlich geworden wie ein Gespräch. Alles, was Voicebots wie Alexa, Google Home & Co. dabei tun ist, dass sie Sprachbefehle in Text umwandeln, die der Assistent dann interpretiert und versteht.
Nichts anderes gilt für den Einsatz von Chatbots im Einkauf. Das oben beschriebene Szenario überspringt einzig die Übersetzung von Sprache zu Text. Mitarbeiter:innen eröffnen das Gespräch mit dem Chatbot über eine einfache Chat-Oberfläche, mit der sie dann kommunizieren. Für das grundlegende Verständnis nutzen Chatbots Technologien wie NLP und NLU.
Was bedeuten Natural Language Processing (NLP) und Natural Language Understanding (NLU)?
Die Prozesse, die sich hinter NLP und NLU verbergen, lassen sich am Besten durch ein Beispiel erklären. Damit Angestellte die Freiheit haben, dem Chatbot gegenüber ihren Bedarf durch verschiedene Sätze auszudrücken, nutzt dieser NLP und NLU. “Wir brauchen neue Tintenpatronen.” und “Die Tintenpatronen sind leer.” führen so zum gleichen Ergebnis, da der Chatbot einen Bestellvorgang für neue Tintenpatronen einleitet und Rückfragen, wie beispielsweise “Werden schwarze oder farbige Patronen benötigt?” oder “Um welche Drucker handelt es sich?”, stellt.
Wird der Chatbot jedoch mit der Aussage: “Die Drucker sind leer.” konfrontiert, fragt er in erster Instanz, ob Papier, Tintenpatronen oder Toner fehlen. Diese Form der automatischen Interpretation von Aussagen könnte ohne NLP- sowie NLU-Hintergrund-Prozesse nicht erfolgen. Gut zu wissen: Zusammengefasst werden Interpretationsprozesse aller Art meist unter dem Dachbegriff der KI bzw. AI: künstliche Intelligenz oder “artificial Intelligence”. Nachdem der Chatbot alle Posten zur Bestellung erfragt hat, füllt er, mittels RPA, automatisch das Bestellformular aus.
Was heißt Repetitive Process Automation (RPA)?
Prozesse, die stets dem gleichen, vorgegebenen Muster folgen, wie etwa das Ausfüllen eines Bestellformulars, können durch Chatbots automatisiert werden. So füllt der Bot während des Chats automatisch die entsprechenden Posten im Formular aus, ganz ohne menschliche Hilfe.
Danach kann die Zusammenarbeit mit dem Bot zweierlei erfolgen: Entweder der Chatbot löst die Bestellung direkt aus oder er fordert die Freigabe von einem/einer Angestellten im Einkauf. Sobald diese erfolgt ist, wird die Bestellung vom Chatbot weiterverarbeitet.. Der Grad der Automatisierung ist, je nach Anwendung, frei wählbar. Damit nach der Bestellung alles reibungslos ins jeweilige Kundensystem eingepflegt werden kann, nutzt der Bot die entsprechende Programmierschnittstelle.
Wozu dienen Programmierschnittstellen beim Einsatz von Chatbots?
Jedes Unternehmen organisiert die Kunden- oder Lieferanten-Übersicht anders. Systeme, die genau für diese Zwecke genutzt werden, gibt es von zahlreichen Herstellern. Für die automatische Übertragung von Einkäufen und Lieferstatus sowie Lieferterminen ist es demnach wünschenswert, wenn das Management-Programm und der Bot zusammenarbeiten.
Hierzu bieten nahezu alle Hersteller großer Management-Software APIs (Application Programming Interfaces, zu deutsch: Programmierschnittstellen) an. Sie dienen einzig dazu, dass eine Übersetzung und Zusammenarbeit mit dem jeweiligen System möglich ist. So stehen dem Einsatz des Bots keine Hürden im Weg. Doch das ist bei Weitem noch nicht alles, was ein Chatbot kann.
Wofür setzt man Chatbots ein?
Für den Einsatz von Bots gibt es unzählige Beispiele. Eines davon wurde in diesem Text genauer betrachtet. Generell werden Bots heutzutage gerne für die interne sowie externe Kommunikation genutzt und erledigen mittels RPA auch zugehörige Aufgaben. So kann ein Chatbot sogar, auf Wunsch, vollkommen eigenständig den Bedarf von Ressourcen erkennen und diese nachbestellen.
In der Lieferantenkommunikation werden Chatbots auch für Einstiegsverhandlungen eingesetzt, in denen Zielpreis und Marge dem Chatbot vorher bekannt gegeben werden. Im Dialog erfragt der Chatbot dann ein Angebot und verhandelt dabei, wenn gewünscht, sogar ein wenig nach. Dies lohnt sich vor allem dann, wenn die Zeit für kleinere Verhandlungen dadurch eingespart werden kann. Auch in der Kundenkommunikation gibt es zahlreiche Anwendungsszenarien. In Online-Shops erscheint bspw. ein Chatfenster, in dem Chatbot-Ansprechpartner ihre Hilfe zur Auswahl der Produkte anbieten oder auch weitere Informationen zur Ware liefern.
Fazit: Der Einsatz von Bots im Einkauf lohnt sich
Werden Chatbots für automatisierte Prozesse eingesetzt, entlasten sie den Einkauf an den zeitintensivsten Stellen. Wo zuvor Frustration durch eine Anhäufung von stockenden Bestellprozessen herrschte, ist nun Zeit für wichtige und tiefgehende Verhandlungen. Ganz nebenbei kommt es nie wieder zu Ausfällen durch fehlende Ressourcen, da es mit Chatbots rund um die Uhr einen Ansprechpartner gibt.
Die Autorin: Michelle Skodowski
Michelle Skodowski ist Mitgründerin der BOTfriends, einem Chatbot-Experten und Full-Solution-Provider für Conversational AI in der DACH-Region. Als COO verantwortet sie Chatbot- und Voicebot-Projekte. Während ihres Bachelorstudiums im Fach E-Commerce an der Fachhochschule Würzburg sammelte sie bereits berufliche Erfahrungen bei eBay und Bosch Rexroth, ehe sie direkt nach dem Studium mit drei Studienkollegen BOTfriends gründete.
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