Technik und Einkauf bei Trapo: Petra Poschadel-Babik (links) und Stefan Kurtenbach (rechts)

Petra Poschadel-Babik (li.) und Stefan Kurtenbach sprechen sich beim Einkauf für die Produktion eng ab. (Bild: Wilfried Gerharz, Montage: Redaktion)

Als Unternehmen für industrielle Automatisierung entwickelt die Trapo AG Lösungen für Produktion, Lagerhaltung und Logistik. Die komplexen Anlagen sind ausnahmslos Unikate. Dr. Stefan Kurtenbach (Technik) und Petra Poschadel-Babik (Einkauf) erklären, wie sie gemeinsam mit den Herausforderungen immer knapperer Terminvorgaben umgehen.

TECHNIK+EINKAUF: Herr Dr. Kurtenbach, Ihr Team konstruiert Unikate, was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit dem Einkauf?

Stefan Kurtenbach: Wir beginnen mit der Konstruktion der Anlagen jeweils nach Auftragseingang. Die Trapo AG ist in der Lage, selbst komplexe Anlage mit kurzen Lieferzeiten auszuliefern. Dies erfordert eine sehr frühzeitige Kommunikation mit dem Einkauf hinsichtlich der Beschaffung der notwendigen Komponenten, damit passende Lieferanten ausgewählt und sensibilisiert werden können.

Frau Poschadel-Babik, reicht Ihnen dieser Vorlauf?

Petra Poschadel-Babik: Wir supporten ja bereits den Vertrieb durch Richtpreisanfragen. Das heißt, wir sind deutlich früher im Boot. Diese Richtpreise und Dokumente speisen wir in ein Tool, auf das alle Zugriff haben. Die eigentliche Arbeit startet mit dem Kick-Off. Mein Ansprechpartner ist der Projektleiter, der mit dem Kunden die Detailauslegung macht. Alles, was an Peripherie dazu gehört, läuft dann in enger Absprache mit der Konstruktion.

Automatisierung von Logistik und Intralogistik

Was kaufen Sie zu, was fertigen Sie selbst?

Kurtenbach: Wir haben eine Fertigungstiefe von 80 Prozent. Das heißt, wir fertigen und bauen Roboterzellen und kaufen Komponenten wie Roboter und Peripheriegeräte (Etikettierer und Wickler) sowie elektrische Komponenten (Motoren und Sensoren) zu.

Poschadel-Babik: Unser interner Auftraggeber ist die Arbeitsvorbereitung, die den Materialbedarf herausfiltert. Auch bei den Eigenfertigungsteilen entscheiden wir: Haben wir die Kapazität oder vergeben das? Hierfür haben wir auditierte Lieferanten, bei denen die Arbeitsvorbereitung Zeichnungsteile anfragen kann. Auch diese Daten (auditierte Lieferanten, Geheimhaltungs- und Qualitätssicherungsvereinbarungen, Rahmen- und Montageverträge) stellen wir als Einkauf auf unserer Plattform zur Verfügung. Um Bauteile nach außen zu vergeben, reicht aber nicht immer die Zeit. Die Terminschiene ist oft sehr eng.

Sie fertigen Unikate, bauen also keine Anlage zweimal?

Kurtenbach: Trapo hat in den über 60 Jahren seit Bestehen tatsächlich keine Anlagen zweimal gebaut. Es gibt immer kleine Unterschiede. Es werden zwar Komponenten aus dem Standard verwendet (Förderer, Hubgeräte etc.), aber Komponenten, wie unter anderem ein Greifer, müssen stets produkt- und aufgabenspezifisch ausgelegt werden. Poschadel-Babik: Das ist die Herausforderung…

…sagt der Einkauf. Einen Forecast können Sie Ihren Lieferanten eher nicht bieten?

Poschadel-Babik: Natürlich haben wir bestimmte Teile und Lieferanten standardisiert. Trotzdem können wir im Anlagenbau schlecht einen Forecast machen. Unsere Preis- und Rabattvereinbarungen beruhen auf Vergangenheitsdaten. Abrufverträge haben wir kaum, weil unser Bedarf sehr, sehr kundenspezifisch ist.

Kurtenbach: Unser Ziel ist ein flexibles Baukastensystem. Auch für die Anbindung der Schnittstellen macht die Standardisierung von Bauteilen Sinn. Wir konstruieren Sonderanlagen, aber aus wiederkehrenden Komponenten.

Vita Petra Poschadel-Babik

Petra Poschadel-Babik von Trapo
Petra Poschadel-Babik ist Einkäuferin bei Trapo. (Bild: Wilfried Gerharz)

Die Betriebswirtin Petra Poschadel-Babik arbeitete 17 Jahre als Logistikleiterin in der Schweiz, bevor sie für die Trapo AG vor zweieinhalb Jahren die Einkaufsleitung übernahm. Das Einkaufsteam umfasst vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Flexible Lösungen für jede individuelle Maschine

Gibt es Ausweichmöglichkeiten?

Poschadel-Babik: Wo immer möglich, haben wir mehrere Lieferanten am Start. Bei sehr kritischen Artikeln betreiben wir auch eine gewisse Lagerhaltung. Was uns hilft, ist die eigene Fertigung. Das heißt, wenn alle Stricke reißen, können wir immer selbst an die Drehbank. Mit wieviel Vorlauf arbeiten Sie in größeren Projekten?

Kurtenbach: Bei Projekten mit einem Umfang von mehreren Millionen Euro reden wir vom Kickoff bis zur Inbetriebnahme über die Dauer von einem halben Jahr aufwärts. Konstruiert wird zwei Monate, dann startet der Einkauf, wir fertigen und nehmen in Betrieb. Die Belieferung durch die Lieferanten erfolgt sukzessive. So wie wir es brauchen.

Trapo liefert weltweit. Wo sitzen Ihre Lieferanten?

Poschadel-Babik: Historisch liegt der Schwerpunkt von Trapo im deutschsprachigen und europäischen Markt, deshalb kommt ein Großteil unserer Lieferanten aus Deutschland. Für den amerikanischen Markt vereinbaren wir Gewährleistungsübertritte. Größere Lieferanten haben zudem ihre Niederlassungen vor Ort. Die Regionalität hat für uns im Assembling einen großen Vorteil. Aufgrund der knappen Liefertermine starten wir den Prozess, sobald das Hauptmaterial da ist. Zusatzkomponenten werden später geliefert und montiert. Das erlaubt eine größere zeitliche Flexibilität.

Kurtenbach: Unser Ziel ist ein flexibles Baukastensystem. Auch für die Anbindung der Schnittstellen macht die Standardisierung von Bauteilen Sinn. Wir konstruieren Sonderanlagen, aber aus wiederkehrenden Komponenten.

Vita Stefan Kurtenbach

Stefan Kurtenbach von Trapo
Stefan Kurtenbach ist verantwortlich für die Technik bei Trapo. (Bild: Wilfried Gerharz)

Der Maschinenbauingenieur Stefan Kurtenbach studierte an der RWTH Aachen und promovierte im Bereich Robotik. Seit 2017 ist er als Entwicklungsleiter für die Trapo tätig und leitet seit 2018 zusätzlich das Technische Büro des Unternehmens (Konstruktion, Forschung & Entwicklung).

Anforderungen: Industrie 4.0 ist für Lieferanten ein Muss

Nutzen Sie für Innovationen auch den Input neuer Lieferanten?

Poschadel-Babik: Im Vordergrund steht die Funktion. Die Lieferanten müssen technologisch mithalten können. Ist geklärt, was am besten zur Anwendung passt, gehen wir in die Verhandlung. Welche Komponenten sind dazugekommen? Kurtenbach: Kameratechnik, Sensorik, alles, was der Anlagendigitalisierung und Transparenz dient. Nicht nur, um zu garantieren, dass der Produktfluss funktioniert, sondern auch, um zu wissen: Wo hakt es? Wie schnell laufen die Produkte durch die Anlage? Hierfür haben wir TIM, das Trapo Intelligent Management System, entwickelt, das alle Sensordaten in der Cloud verarbeitet. Dadurch erkennt man Bottlenecks, kann gezielt in die Anlage eingreifen, bestimmte Förderer zum Beispiel schneller laufen lassen. Oder man erkennt frühzeitig, wann man Antriebe tauschen sollte. Wir nutzen das Tool auch für unsere eigenen Abteilungen und zur firmenübergreifenden Auswertung. Damit sehen wir zum Beispiel, an welchen Stellen im Projekt es hakt, wo Kosten aus dem Ruder laufen und können frühzeitig gegensteuern.

Wie sieht das auf der Einkaufsseite aus?

Poschadel-Babik: Hier haben wir mit den Lieferanten, die für uns Software erstellen, Kundenschutzvereinbarungen, um sicherzustellen, dass der Lieferant auf diesem Projekt nicht mit dem Kunden weiterarbeitet, sondern dass das geschützt ist. Das heißt, wir supporten den kompletten Prozess für die Technik vertragsseitig.

Was ist wichtig, damit die Abstimmung zwischen Einkauf und Technik funktioniert?

Kurtenbach: Kurze Wege sind das Wichtigste. Und Verständnis. Die Technik braucht das Verständnis, dass wir nicht bis eine Woche vor Liefertermin auskonstruieren können, weil der Einkauf für die Beschaffung ein Zeitfenster benötigt. Umgekehrt hat der Einkauf Verständnis dafür, dass wir eine gewisse Zeit brauchen, um Teile technisch sauber zu definieren.

Poschadel-Babik: Was schon mal schwierig werden kann… Aber auch hier hilft die Transparenz über unsere Plattformen, über die sämtliche Informationen zum Projekt abrufbar sind. Hinzu kommt für mich der räumliche Vorteil, Einkauf und Projektleitung sitzen Tür an Tür. Auch für die Abstimmung von Inbetriebnahme- und Montageterminen arbeiten wir eng zusammen. Und wenn wir dann auch noch termingerecht von den technischen Büros mit dem Projektbedarf bedient werden, dann klappt das alles sehr, sehr gut.

Automatisierte Fertigung spart Zeit, Absprachen mit Kunden sind Zeitfresser

Gibt es Abläufe, die Sie gerne optimieren würden?

Kurtenbach: Was uns in der Technik viel Zeit kostet, ist die wichtige, intensive Kommunikation und Planungszeit mit den Kunden. Wir sind im höchsten Maße flexibel, was dazu führen kann, dass der abschließende, konkrete Bedarf erst sehr kurzfristig entsteht.

Poschadel-Babik: Das ist in der Tat nicht einfach und führt oft dazu, dass wir im Projektverlauf mit dem Lieferanten über mehrere Angebotsrevisionen gehen. Wir bieten unseren Kunden ein sehr breites Spektrum, und manchmal entsteht zum Beispiel erst relativ spät der Wunsch nach einer Sonderlackierung. Das kann aber bedeuten, dass dies bei einem Lieferanten einen Loop von drei Wochen verursacht. Parallel dazu ist es unsere Aufgabe, die internen Abläufe immer wieder zu hinterfragen und zu optimieren.

Wie hoch ist Ihr Automatisierungsgrad?

Poschadel-Babik: Wir haben vieles automatisiert. Ein Beispiel ist unser dreistufiges Mahnsystem, das jeden Freitag läuft. Wir erinnern automatisiert an Auftragsbestätigungen, an Liefertermine und wir mahnen bei Nichtbelieferung. Wobei wir bei bestimmten Projekten oder kritischen Lieferanten natürlich auch persönlich Kontakt aufnehmen. Wir arbeiten mit einem integrierten System, auf das auch die Kollegen aus der Arbeitsvorbereitung zugreifen und so über den Status der Bestellungen transparent informiert sind.

Kurtenbach: Unsere Prozesskette von der Konstruktion bis zur Fertigung ist durchgängig digital. Vom CAD- und Produktdatenmanagementsystem, über das ERP-System und von dort zu Fertigung und Einkauf. In der Fertigung greifen die Mitarbeiter auf die teilweise bis zu 1.000 Zeichnungen pro Anlage über digitale Terminals zu.

Wo geht die Reise produktseitig hin?

Kurtenbach: Die wichtigste Eigenschaft der Produkte, die wir entwickeln, ist Flexibilität. Sei es beim Robotergreifer, der immer mehr Greiffunktionen in sich vereint. Oder fahrerlose Transportsysteme, die flexible Abläufe ermöglichen und die stationäre Fördertechnik ablösen. Kunden wollen heute verschiedene Produkte über das System laufen lassen.

Das Unternehmen: Trapo AG

Die Trapo AG mit Sitz im münsterländischen Gescher-Hochmoor ist weltweit Partner für industrielle Automatisierung: Konzeption und Engineering, Fertigung und Inbetriebnahme sowie After-Sales-Service für Maschinen und Anlagen. Branchenübergreifend werden Trapo-Lösungen beim Picken, Packen, (De-)Palettieren, Verpacken, Warehousing und in der Sortier- und Verteiltechnik eingesetzt. Das Ziel: dem global steigenden Bedarf zur Automatisierung sämtlicher Produktionsprozesse gerecht zu werden. Der Anspruch: Lösungen zur Automatisierung der vielfältigen Verpackungsprozesse zu bieten, bevor der Bedarf entsteht. Das 1957 gegründete Unternehmen beschäftigt 220 Mitarbeiter. 2017 erwirtschaftete die Trapo AG rund 37 Millionen Euro.

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