Stefan Witte (links) von der Technik und Lukas Scheeben (rechts) vom Einkauf an einen Stapel Säcke gelehnt

Stefan Witte (li.) und Lukas Scheeben arbeiten bei Pöppelmann eng zusammen, um den Materialkreislauf enger zu schließen. (Bild: Clean Fotostudio GmbH, Montage: mi-connect)

Herr Scheeben, als strategischer Einkäufer beschaffen Sie unter anderem Rezyklate. Wo kommen diese zum Einsatz?

Lukas Scheeben: In der Pöppelmann-Gruppe werden Kunststoff-Recyclingmaterialien seit Jahrzehnten eingesetzt. Das Know-how nutzen wir, um den Anteil von Rezyklaten im Verhältnis zu Neuware weiter zu steigern. Die Initiative ‚Pöppelmann blue‘ vereint die Maßnahmen zum Schließen des Materialkreislaufs über alle vier Geschäftsbereiche.

Herr Witte, welche Rolle spielt das Thema in der Entwicklung?

Stefan Witte: In unserer Division ­KAPSTO entwickeln wir Schutz-, Griff-, Schraubkappen und -stopfen sowie Flansch­abdeckungen für spezielle Kundenanforderungen. Wir setzen den Fokus auf reduzierten Materialeinsatz sowie das Schließen von Materialkreisläufen durch Recyclingfähigkeit und den Einsatz von Rezyklaten. Optimierten Materialeinsatz erreichen wir zum Beispiel durch das Thermoform-Verfahren. Zusätzlich entwickeln wir Schutzelemente-Normreihen aus sogenanntem Post-Consumer-Rezyklat.

Fertigung von Kunststoff durch Beschaffung von Recycling-Rohstoff

Wo liegen die technischen Herausforderungen beim Rezyklat?

Witte: Bezieht man die Rezyklate vom Markt (wir nutzen auch solche aus dem internen Materialkreislauf), besteht die Herausforderung in der gleichbleibenden Materialeigenschaft und Qualität.

Finden Sie am Markt denn die Rezyklate, die Sie brauchen?

Scheeben: Nicht jeder Lieferant, der Rezyklate für unsere Pflanztöpfe liefert, kann das auch für Fahrzeugteile oder Schutzelemente. Wir auditieren alle Lieferanten und prüfen die Qualitätsstandards unter diesem Blickwinkel.

Wie tauschen Sie sich aus?

Witte: Bei den Schutzelementen haben wir viele wiederkehrende Standardmaterialien, von denen wir bereits genau wissen, wo wir sie sinnvoll einsetzen können. Überdies sprechen wir mit den Lieferanten, wenn es um spezielle Anforderungen zum Beispiel bei der elektrischen Leitfähigkeit, Chemikalien- und Temperaturbeständigkeit geht.

Wer treibt den Einsatz von Rezyklaten?

Scheeben: Ein wichtiger Treiber ist sicherlich der Kunde. Ein anderer Treiber ist, dass wir mit unserer Initiative Pöppelmann blue und der damit verbundenen Nachhaltigkeitsstrategie einen Maßstab setzen wollen. Hinzu kommt die EU-Plastics-Strategy und die damit einhergehenden Ziele bezüglich des Einsatzes von Rezyklaten und Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Das stellt die ganze Branche vor eine Herausforderung.

Witte: Bei den Schutzelementen sprechen wir über Teile mit einer zum Teil sehr kurzen Verweildauer, etwa zum Schutz beim Transport oder Lackieren. Das Konzept ist, die Teile danach einzusammeln und in den Kreislauf zurückzuführen.

Hersteller von Recycling-Rohstoffen sind meist Mittelständler

Wie sieht der Beschaffungsmarkt aus?

Scheeben: Zum einen haben wir es mit mittelständischen Kunststoffrecyclern zu tun. Dazu kommen große Folienhersteller, deren Produktionsnebenprodukte wir verwerten. Und es gibt die großen Player wie beispielsweise den Grünen Punkt. Oft gibt es wenige Informationen zur Materialqualität. Das heißt, wir schauen uns die Lieferanten sehr genau an, auditieren und prüfen, ob das die richtigen Partner für Pöppelmann sein können. Und wir haben eine Wareneingangsprüfung, die das abdeckt, was der Lieferant im ersten Schritt vielleicht noch nicht gewährleisten kann.

Welchen Ansatz verfolgt der Einkauf gegenüber der Technik?

Scheeben: Wir steuern den Einkauf über die Gesamtkosten. Ziel ist 100 Prozent Liefertreue und Qualität unter Berücksichtigung der Gesamtkosten. So gehen wir in Gespräche mit der Entwicklung. Für uns ist das ein Austausch auf Augenhöhe. Wir haben einen Pool von strategischen Partnern, die wir den Entwicklungsbereichen zur Verfügung stellen. Die Kollegen können sich darauf verlassen, dass dies Partner sind, die sich für unsere Anforderungen eignen.

Welche Rolle spielen die Materialkosten? Sind Rezyklate preisgünstiger?

Scheeben: Ein Rezyklat mag gelegentlich günstiger sein. Demgegenüber stehen unter Umständen aber höhere Prozesskosten, längere Zyklen, mehr Ausschuss. Entscheidend sind die Gesamtkosten, wobei die Verarbeitung immer effizienter werden wird. Es kommt sehr darauf an, was man einsetzt.

Vita Stefan Witte

Porträtbild des Pöppelmann Mitarbeiters Stefan Witte

Stefan Witte ist seit 1992 für Pöppelmann tätig. Zunächst als Technischer Zeichner, später als Assistent der Projektleitung. Heute ist Stefan Witte Projektleiter im Bereich KAPSTO (Schutzelemente). - Bild: Clean Fotostudio GmbH

Ressourcenschonung bringt Imagegewinn

Sind Ihre Kunden bereit, dafür mehr zu zahlen?

Witte: Die Bereitschaft ist dann vorhanden, wenn für Kunden ein Vorteil entsteht, etwa ein Imagegewinn. Unsere Pilotkunden für das Kreislaufprojekt müssen sich zudem nicht um die Entsorgung der Kunststoffteile kümmern. Sie können sicher sein, dass wir nachhaltig mit dem Material umgehen und ihm ein zweites Leben in der gleichen Anwendung schenken. Wir sprechen hier nicht von einem Downcycling, sondern einem Bauteil, das die gleichen Anforderungen erfüllt und der gleichen Qualität entspricht.

Wo kaufen Sie sie ein? Lokal oder global?

Scheeben: Für Pöpplemann blue arbeiten wir vorrangig mit dem Grünen Punkt zusammen. Hier beziehen wir das Post-Consumer-Rezyklat mit Ursprung Gelber Sack. Die Recyclingmaterialien aus dem postindustriellen Bereich, das heißt die Nebenprodukte anderer Kunststoffverarbeiter, beziehen wir europaweit.

Sind Rezyklate knapp?

Witte: Ein Rezyklat ist nur dann verfügbar, wenn es Produktionsnebenprodukte gibt. Und dieses unterliegt durchaus saisonalen Schwankungen und der Auftragslage der Kunststoffverarbeiter. Das ist bei Materialien aus dem Gelben Sack anders. Aber Pöppelmann ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit dem Einsatz von Rezyklaten beschäftigt. Diesen Wettbewerb spüren wir und sind froh, dass wir strategische Partner entwickelt haben, die uns seit Jahren kontinuierlich beliefern. Unser Vorteil ist, dass wir den Markt sehr gut kennen.

Welche Wünsche haben Sie an die Aufbereiter? Mehr Kapazität, bessere Qualitäten?

Scheeben: Beides. Durch neue Aufbereitungsanlagen kommt es in der Regel ja auch zu Qualitätsverbesserungen. Und die sind entscheidend, damit Recyclingmaterialien nicht nur zur Parkbank, sondern zu hochtechnischen Kunststoffteilen verarbeitet werden können.

Witte: Grundsätzlich kann man sagen, dass heutzutage die Qualität der einfachsten Kunststoffnebenprodukte für viele Artikel gut genug ist. Hat man wie wir jedoch Spezialanforderungen, muss man prüfen, ob die Materialeigenschaften und die Qualität stimmen.

Kunststoffe zahlen durch Recycling auf Nachhaltigkeit ein

Wenn Sie Produkte konzipieren, wann kommt der Einkauf ins Boot?

Witte: Sehr früh, weil wir erst schauen, bei welchem Artikel es überhaupt sinnvoll ist, ein Rezyklat einzusetzen. Dann ist der Einkauf gefragt, den Markt abzuklopfen: Bekommen wir die Materialien mit den notwendigen Eigenschaften und der geforderten Qualität und ist sie gleichbleibend?

Scheeben: Unsere Projekteinkäufer sitzen in der Entwicklung, sind bei allen Projektmeetings dabei und bekommen die Informationen vom Kunden und der Entwicklung aus erster Hand. Sie kennen den Projektstatus und haben die Möglichkeit, das eigene Wissen und das der Lieferanten genau im richtigen Moment einzubringen.

Inwiefern haben Sie Ihre Entwicklungsprozesse dem angepasst?

Witte: Über projektbezogene Entwicklung und ständige Erfolgskontrolle können wir sehr schnell korrigieren und erreichen schneller gute Ergebnisse. Bestes Beispiel ist unsere FastLane für bestimmte Produkte. Das Prinzip lautet 1-1-1, ein Tag für das Angebot, eine Woche für den Prototypen und einen Monat für erste Serienteile. Hierdurch hat der Kunde oft schon sehr weit vor dem geplanten Einsatztermin erste Teile vorliegen.

Wenn Sie in wenigen Wochen Serienteile entwickeln und liefern, was heißt das für die Beschaffung?

Scheeben: Das hat vor allem Auswirkungen auf den Projekteinkauf, der unsere strategischen Partner soweit entwickelt hat, dass diese mitgehen. Wir haben einen eigenen Werkzeugbau mit 120 Mitarbeitern. Das macht uns sehr flexibel. Wichtig ist der kontinuierliche Austausch. Bedarfsgerecht, was braucht der Einkäufer, was der Entwickler?

Witte: Es ist essenziell, zum Projektstart direkt miteinander zu sprechen. Beim Kunden nachzufragen, was er braucht, das zu verstehen, in der Entwicklung umzusetzen und durch die Zusammenarbeit mit dem Einkauf und die Auswahl eines geeigneten Materials in ein Produkt zu realisieren.

Vita Lukas Scheeben

Porträtbild des Pöppelmann Mitarbeiters Lukas Scheeben

Lukas Scheeben ist Industriekaufmann und Betriebswirt (B.A.) mit Schwerpunkt Supply Chain Management. Der strategische Einkäufer ist seit 2013 für Pöppelmann tätig. - Bild: Clean Fotostudio GmbH

Pöppelmann blue als Nachhaltigkeitsstrategie in der Kunststoffverarbeitung

Nachhaltigkeit braucht Transparenz...

Witte: Wir können die Materialien chargengenau nachverfolgen. Wir schauen uns die komplette Lieferkette an, der Einkauf ist vor Ort, auditiert, teilweise mit Kunden. Wir wissen, was unsere Vorlieferanten tun und nutzen dieses Wissen, um die Lieferkette weiter zu verbessern.

Von wie vielen Vorstufen reden wir beim Rezyklat?

Scheeben: Das Material fällt an, muss gewaschen, geschreddert, gemahlen und regranuliert werden. Es gibt Lieferanten, die haben alle Verarbeitungsschritte im Haus. Es gibt aber auch Verfahren, die zwei oder drei Prozessschritte bei unterschiedlichen Partnern erfordern.

Was ist wichtig bei einem offenen Austausch?

Scheeben: Aktuelle Informationen. Um Informationen bereitzustellen und bedarfsgerecht zu kanalisieren, nehmen wir die IT aktiv ins Boot. Und eine Unternehmenskultur und -struktur, die einen agilen Austausch ermöglicht. Wir wandeln uns zu einer prozessorientierten Arbeitsweise.

Witte: Wir arbeiten heute noch enger zusammen. Wir haben schon heute Einkäufer, die in den Abteilungen sitzen, wichtige Informationen zu den Projekten bekommen und vieles dadurch besser beurteilen können.

Das Unternehmen: Pöppelmann GmbH & Co.KG

Der Kunststoffverarbeiter Pöppelmann beschäftigt 2.500 Mitarbeiter. Die vier Divisionen produzieren Schutzelemente für industrielle Produkte und Bauteile, hochpräzise technische Kunststofflösungen für die Automobilindustrie, Verpackungen für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie sowie Pflanztöpfe.

Pöppelmann produziert an fünf Standorten in Deutschland, den USA und Frankreich. Unternehmenssitz ist im niedersächsischen Lohne.

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