Containerschiff mit einer großen Chemieanlage im Hafen

Der Transport von Anlagenteilen war für den Anlagenbauer oftmals eine Herausforderung. (Bild: Linde)

Der Bau einer industriellen Großanlage ist ein komplexes und zeitlich eng getaktetes Projekt. Die beteiligten Zulieferer müssen enorme Mengen an Gütern und Materialien termin- und qualitätsgerecht bereitstellen.

Der Einkauf muss den Überblick über die Lieferkette bewahren, Prozesse überwachen und die Logistik koordinieren. Eine Mammutaufgabe, gerade bei Großprojekten.

Management der Supplier im Megaprojekt

Um Ware, Kosten und Lieferantendaten stets im Blick zu haben, digitalisiert der Einkauf von Anlagenspezialist Linde daher sein Lieferantenmanagement. Auf diese Weise minimiert das Unternehmen die Datenflut und kostspielige Fehlersuchen innerhalb der Lieferkette. Und davon profitieren auch die Zulieferer.

Es ist ein Projekt der Superlative: Für das Petrochemie-Projekt in Al Jubail, Saudi-Arabien, wurden 35 Millionen Kubikmeter Sand, Gestein und Erde bewegt. Auf einer Fläche, die mit mehr als sechs Quadratkilometern so groß ist wie 575 Fußballfelder, thronen heute 26 Einzelanlagen.

Sie bilden den Chemiekomplex der Sadara Chemical Company – einem Joint Venture der Unternehmen Saudi Aramco und Dow Chemicals.

Insgesamt 20 Milliarden Dollar investierten die Firmen in den Standort Al Jubail. Mittlerweile mäandern dort 2.500 Kilometer Rohrleitungen und 11.000 Kilometer Kabel über das Gelände. Zu Hochzeiten der Bauphase waren 60.000 Arbeiter vor Ort mit dem Aufbau beschäftigt. Sie sorgten dafür, dass 160.000 Tonnen Stahl dort hinkamen, wo sie benötigt wurden.

Aber nicht nur beim Material bricht Sadara alle Rekorde: Nie zuvor wurde eine Chemieanlage dieser Größe, bestehend aus so vielen Teilanlagen, in nur einer Bauphase innerhalb weniger Jahre erstellt. Die weltweite Koordination war eine der größten Herausforderungen.

Denn nur wenn Ingenieure, Einkäufer und Qualitätsmanager ihr Handwerk beherrschen, ihr Know-how zusammenwerfen und die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit einsetzen, stimmt am Ende der Gesamtklang.

Komplexer Beschaffungsprozess über Grenzen hinweg

Mehr als 4.000 Anlagen in 70 Ländern weltweit hat Linde bereits errichtet. Für solche auf mehrere Monate angelegten Großprojekte gilt es, weit mehr als 10.000 Termine und rund hundert Ingenieure zu koordinieren. Oft umfasst allein das Einkaufsvolumen mehrere Hundert Millionen Euro.

Damit solche Megaprojekte fristgerecht in geforderter Qualität und im geplanten Budgetrahmen fertiggestellt werden können, fertigt Linde Anlagenteile modular. Der Vorteil: Mehrere Werke erstellen einzelne Module zeitgleich, die dann vor Ort zusammengesetzt werden. Das spart Zeit.

Je nach Projektgröße arbeitet Linde mit bis zu 150 Lieferanten weltweit zusammen. Die zahlreichen Ausrüstungs- und Materialbestellungen verteilen Einkäufer international auf viele Hersteller in allen wichtigen Einkaufsmärkten dieser Welt – alles unter Termindruck und höchsten Qualitätsanforderungen.

Chemieanlage von Linde
Die HyCO- und Ammoniak-Anlagen von Linde beliefern die Sadara Chemical Company am Standort Al Jubail mit den essenziellen Gasen Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Ammoniak. (Bild: Linde)

Erfolgsfaktor: Schnelle Informationen per App

„Nahezu alle Güter, die wir ordern, sind Einzelanfertigungen. Von der Stange kann man nur sehr selten etwas kaufen“, sagt Alexander Kaiser, Head of Global Procurement bei Linde Engineering. „Daher überwachen wir bereits im Fertigungsprozess viele einzelne Meilensteine und begleiten unsere Lieferanten über die gesamte Wertschöpfungskette.“

Fortschritte melden Lieferanten in regelmäßigen Abständen über Berichte, per Foto und bei Besuchen von Linde-Ingenieuren im Werk – vor Ort oder per App. Für fertiggestellte Produkte planen Beschaffer Transporte mit Lkw, Schiffen oder, wenn es eilt, per Flugzeug.

Transportgenehmigungen, Lieferpapiere, Ursprungszeugnisse, Zollrechnungen – mehrere Hundert Dokumente erstellen, prüfen und koordinieren Mitarbeiter, bevor die Güter auf die Reise gehen.

Das Unternehmen: Linde

Die Linde plc ist ein weltweit führendes Unternehmen in der Herstellung von Industrie- und Medizingasen wie Stickstoff, Kohlendioxid und Sauerstoff.

Zum Kerngeschäft zählen zudem Planung und Bau industrieller Großanlagen. Das Portfolio reicht von Luftzerlegungs-Erdgasverflüssigungsanlagen über Ethylen-Cracker bis zu Produktionsanlagen für Wasserstoff, Synthesegasen und Ammoniak.

Bei der Anfertigung der schweren Module arbeitet das Procurement mit internationalen Lieferanten zusammen und hat ein eigenes Konzept für die Lieferantenzulassung und einen sicheren skalierbaren Anfrage- und Bestellprozess entwickelt.

Digitale Plattform koordiniert Supplier

Die Kommunikation mit Lieferanten und Speditionen organisierte Linde lange Zeit per Mail. Daten über Transporte, Materialien und Packstücke speicherten Beschaffungsexperten zwar im ERP-System, zur Analyse und Steuerung wurden aber oft umfangreiche Excel-Dateien erstellt. Keine zuverlässige Lösung – auch weil die Prüfung und Korrektur fehlerhafter Dokumente viel Zeit fraßen und ineffizient waren.

Aus diesem Grund entwickelte das Beschaffungsteam eine digitale Lösung, die den komplexen Beschaffungsprozessen im internationalen Anlagenbau gerecht wurde. Zusammen mit der internen IT und ausgewählten Lieferanten konzipierte ein zehnköpfiges Kernteam die webbasierte Plattform SupplierConnect.

Das Ziel der Digitalisierung im Lieferantenmanagement: mehr Transparenz für alle beteiligten Unternehmen und eine hohe Datenqualität in der gesamten Lieferkette.

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So funktioniert das digitale Lieferantenmanagement bei Linde

Der Mehrwert, nicht nur für den Einkauf, wird schnell klar: Das neue Tool erfasst Informationen

  • zum Lieferantenengineering,
  • zu Lieferfortschritten,
  • Logistikdaten und -dokumenten
  • und unterstützt die Inspektion von Qualitätsstandards vor Ort.

Dafür pflegen Lieferanten künftig ihre Daten über standardisierte Masken in das Tool ein und erhalten bei fehlerhaften Angaben dank eines Plausibilitäts-Checks direkt entsprechende Hinweise.

Darüber hinaus können Lieferanten über das Tool Probleme in der Fertigung oder Verzögerungen beim Transport melden. „Mit SupplierConnect erhalten wir mehr Transparenz, da Mitarbeiter und Lieferanten auf derselben Datenbasis arbeiten“, sagt Kaiser. „Das Tool ist gewissermaßen unsere Single Source of Truth.“

Welche Voraussetzungen braucht die digitale Supply Chain?

Um hohe Skalierbarkeit und ortsunabhängigen Zugriff auf das Tool zu gewährleisten, basiert das digitale Portal auf der SAP Cloud Platform. Eine gute User Experience für Lieferanten gewährleistet das intuitive Designkonzept SAP Fiori.

Darüber hinaus ermöglicht eine spezielle Trainingskomponente der SAP ein schnelles und einfaches Onboarding von Lieferanten. Aktuell arbeiten bereits nach wenigen Monaten über tausend Lieferanten mit dem neuen Tool. Das Feedback ist durchweg positiv.

Die Digitalisierung der Lieferkette war daher auch nicht auf dieses Großprojekt beschränkt. Ziel des Gaseherstellers ist es, alle aktiven Lieferanten bis Ende 2020 auf das SupplierConnect-Portal zu bringen.

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