Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihrem monatlichen Oil Market Report alle bisherigen negativen Nachfrageprognosen übertroffen. Sie rechnet im April mit einem Rückgang der Ölnachfrage um 29 Millionen Barrel und im Gesamtjahr um 9,3 Millionen Barrel täglich bzw. um über 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die IEA macht deutlich, dass die OPEC+ auch bei einer rigorosen Umsetzung der Produktionskürzungen das Problem der überlaufenden Lagerbestände kurzfristig nicht lösen kann. Denn auch im Mai und Juni soll die Nachfrage stärker fallen als das Angebot. So gab denn auch der Lagerbericht des US-Energieministeriums DOE einen Vorgeschmack auf das Ausmaß der Problematik: Demnach sind die US-Rohölvorräte in der letzten Woche um 19,25 Millionen Barrel gestiegen - ein neuer Rekordanstieg nach dem schon rekordhohen Zuwachs von 15,2 Millionen Barrel in der Woche davor -, die von Benzin und Destillate um 4,9 bzw. 6,3 Millionen Barrel.
Die Benzinvorräte liegen auf einem Rekordniveau, die Rohölvorräte nur noch gut 30 Millionen Barrel davon entfernt. Das relativiert die Diskussion über einen möglichen Verleih der nicht genutzten Kapazitäten für die Strategischen Ölreserven der USA (SPR) an Privatunternehmen. Dabei geht es um 23 Millionen Barrel, die in normalen Zeiten eine massive zusätzliche Reserve wären, heutzutage jedoch für gerade einmal einen Wochenzuwachs der Bestände ausreichen dürften.
Der WTI-Ölpreis hat daraufhin mit 19,2 US-Dollar pro Barrel ein neues 18-Jahrestief markiert.
Droht ein Stopp der Ölproduktion in USA und Kanada?
Die Rohstoffexperten der Commerzbank rechnen damit, dass die massiven Produktionskürzungen in den USA unabhängig von den Entscheidungen der OPEC+ die Überschüsse reduzieren werden. Einer der größten US-Produzenten hat gestern sein erst vor einem Monat aufgestelltes Produktionsziel für Öl und Gas in Nordamerika für die kommenden Monate um fast 30 Prozent beziehungsweise netto 200.000 Barrel täglich reduziert.
Die Schieferölproduktion wird dabei komplett stillgelegt. Neben den freiwilligen werden derzeit in Texas und Oklahoma angeordnete Produktionskürzungen diskutiert. Der texanische Ölregulierer, die Eisenbahn-Komission (TRRC) dürfte schon nächste Woche eine Entscheidung dazu fällen. Aus Sicht der Commerzbank-Analysten wäre diese sogenannte Pro-Rationierung aus technischen und regulatorischen Gründen praktisch aber kaum umsetzbar.
Deutlich aussichtsreicher erschein ihnen der jüngste Vorschlag der US-Regierung, den Ölproduzenten Geld dafür zu zahlen, dass sie das Rohöl im Boden belassen - bis zu 365 Millionen Barrel Rohöl im Boden würden demnach zu den Strategischen Ölreserven zählen.
Die meisten US-Ölproduzenten dürften sich freuen, dass sie nicht etwa in Kanada sitzen, denn die kanadische Ölsorte Western Canadian Select (WCS) verharrt seit März mit Unterbrechungen um 5 USD je Barrel. Hier sollte man tatsächlich eine baldige Reaktion der Provinzregierung Albertas ähnlich wie Ende 2018 erwarten, als sie wegen des lokalen Überangebots Produktionseinschränkungen anordnete.
Gold auf 7,5-Jahreshoch
Von seinem 7,5-Jahreshoch (1.750 US-Dollar pro Feinunze) ist Gold zwar schon wieder etwas abgesunken, doch eine langfristige Kehrtwende ist nicht in Sicht. Denn der Rohstoff-Analyst der Commerzbank, Carsten Fritsch, ist sich sicher, dass der Preisanstieg nicht spekulativ getrieben ist.
Der wachsende Schuldenberg der USA gepaart mit der Geldschwemme der Zentralbanken fast überall auf der Welt, sollte die Nachfrage nach Gold als Krisenwährung und wertstabile Anlage hochhalten. Daher hält Fritsch an seiner Prognose von 1.800 US-Dollar pro Feinunze Gold bis Jahresende fest. Zwischenzeitliche Preisrückgänge seien lediglich Verschnaufpausen.