Salar de Uyuni Lithiumsalzgewinnung

Lithiumsalzgewinnung im bolivianischen Salzsee Salar de Uyuni. (Bild: Gerd Mischler)

So hatte sich VW-Chef Herbert Diess das nicht vorgestellt. Kaum war das Joint Venture zwischen dem bolivianischen Staatskonzern YLB und dem schwäbischen Projektentwickler ACISA über den Abbau von Lithium im Salzsee von Uyuni ins Handelsregister eingetragen, kündigte die Regierung des Andenstaates den Vertrag im Dezember 2019 wieder. Bis zu 50.000 Tonnen des Leichtmetalls wollten YLB und Acisa ab 2021 jedes Jahr gemeinsam fördern.

Autobauer brauchen Lithium zur Herstellung der Batterien für ihre E-Mobile. Ohne die deutsch-bolivianische Kooperation wird es für Diess daher erheblich schwerer, in den kommenden Jahren wie angekündigt zehn Millionen Elektroautos zu verkaufen. Das für deren Herstellung nötige Lithium müssen die Wolfsburger nun vom chinesischen Lieferanten Ganfeng beziehen. Noch während der Verhandlungen über das deutsch-bolivianische Joint Venture hatte der vom Dieselskandal gebeutelte VW-Vorstandvorsitzende davor gewarnt, sich bei der E-Mobilität von Rohstoff- und Batterielieferanten aus dem Reich der Mitte abhängig zu machen.

Hohe Länderkonzentration und politische Risiken erschweren Rohstoffeinkauf

Der Reinfall zeigt:

# Die Vorkommen vieler Rohstoffe konzentrieren sich in wenigen Staaten. So ist der Salzsee von Uyuni die größte Lithium-Lagerstätte der Welt. Insgesamt lagern in Bolivien 15 Prozent der weltweiten Ressourcen des Leichtmetalls. Bei seltenen Erden und Kobalt ist die Länderkonzentration noch größer. Fast 90 Prozent des globalen Angebots an Neodym, Praseodym, Lanthan und Co., stammen aus China. Die Demokratische Republik Kongo liefert 59 Prozent des weltweit abgebauten Kobalts.

# In vielen Staaten behindern Korruption und willkürliche Entscheidungen der Regierenden den fairen und rechtssicheren Einkauf von Rohstoffen. Staaten wie China, Russland oder die USA beschränken den Zugang zu den auf ihren Territorien lagernden Rohstoffen für ausländische Unternehmen zudem gezielt. Sie setzen ihre Ressourcen als Waffen in Handelskriegen ein oder verschaffen sich durch unfaire Mittel Zugang zu Vorkommen in anderen Ländern.

# Nicht zuletzt befindet sich der Abbau von Rohstoffen oft zudem in der Hand weniger Anbieter. So stammen über 60 Prozent des weltweit verfügbaren Palladiums aus den Bergwerken von nur zwei Unternehmen – dem russischen      Konzern Norilsk Nickel und dem britischen Minenbetreiber Anglo American. Den Weltmarkt für Lithium kontrollieren der Deutschen Rohstoffagentur zufolge fünf Anbieter – darunter der chinesische Staat, die chinesische Talison Lithium Limited und die US-Konzerne Albermarle sowie FMC.

Rohstoff-Risiken: Der Einkauf dieser zehn Rohstoffe wird künftig zum Problem

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bildet in einem Index ab, welche Risiken für deutsche Unternehmen bei der Versorgung mit 45 Rohstoffen bestehen. Die Wissenschaftler betrachten dabei unter anderem die Reichweite der bekannten Vorkommen eines Elements, die politische und wirtschaftliche Lage in den Förderländern und die Bedeutung eines Rohstoffs für Zukunftstechnologien.

Der Einkauf dieser zehn Rohstoffe könnte laut dem IW-Rohstoff-Risiko-Index in Zukunft zum Problem werden Die Versorgung ist dabei umso kritischer, je näher der für den Rohstoff ermittelte Indexwert an 25 liegt.

Rohstoff Indexwert Anwendungen
Kobalt  20,8  Batterien, Katalysatoren
Tantal  20,3  Medizintechnik, Kondensatoren, Stahlveredelung
Gallium  19,1  Photovoltaik, Elektronische Industrie
Wolfram  19,1  Stahlveredelung, Leuchtmittel
Niob  18,4  Stahlveredelung, Elektronik
Rhodium  18,1  Automobil-, Chemie- und Schmuckindustrie
Yttrium  18,0  Reaktortechnik, Röhrentechnik
Indium  17,9  Optik, Elektronik
Mangan  17,9  Eisen- und Stahlindustrie
Flouorit  17,8  Stahlindustrie, Gießereien

 Quelle: IW Köln, IW Consult

Der globale Rohstoffbedarf steigt massiv

Neben der Anbieterkonzentration und dem zunehmenden Protektionismus macht die steigende Nachfrage nach Industriemetallen deren Beschaffung zum Meisterstück vieler Sourcingprofis. In den vergangenen drei Jahrzehnten ist der globale Bedarf an Rohstoffen um 50 Prozent gestiegen.

Besonders stark legte die Nachfrage nach Metallen für Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität, dem Bau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien oder der additiven Fertigung zu. So hat sich der Bedarf an Metallpulvern sowie Stahl-, Titan-, Aluminium-, oder Nickel-haltigen Legierungen für den 3D-Druck seit 2009 mehr als vervierfacht, berichtet der Bundesverband der Deutschen Industrie.

Insgesamt verarbeiteten Industrieunternehmen 2019 weltweit mehr als 60 Milliarden Tonnen an Metallen und anderen Rohstoffen. Mit 90 der 118 Elemente des Periodensystems kamen doppelt so viele Rohstoffe zum Einsatz wie vor 100 Jahren.

Palladium & Co: Rohstoffe unter der Einkäufer-Lupe

Antimon Gefahrenschild
(Bild: Fotohansel/AdobeStock)

Was macht Rhodium so speziell, warum ist Xenon das teuerste Edelgas und wie sieht die Versorgung mit Antimon aus? TECHNIK+EINKAUF portraitiert die wichtigsten Rohstoffe speziell für Einkäufer und sagt, welche Besonderheiten Sie bei der Beschaffung beachten müssen => Rohstoffe A bis Z.

Deutschland fehlen Industriemetalle

Nur die wenigsten davon gibt es in Deutschland. Zwar verfügt die Bundesrepublik über Braun- und Steinkohle, Erdgas, Kaolin, Kali, Tone und Kies. Mit hierzulande abgebauten Quarzsanden lässt sich Silizium herstellen, mit Kalkstein aus deutschen Steinbrüchen Beton.

Metalle und Hightech-Rohstoffe jedoch müssen deutsche Unternehmen aus dem Ausland einführen. Die Bundesrepublik ist deshalb der fünftgrößte Rohstoffimporteur weltweit.

Rohstoffpreise sind äußerst volatil

Für Einkäufer wird es dabei immer schwieriger, bestimmte Metalle überhaupt zu beschaffen. Oft müssen sie zudem extreme Preisschwankungen in den Griff bekommen. So lag die höchste Notierung für Zink an der London Metal Exchange 2019 ganze 35 Prozent über dem tiefsten im Jahresverlauf für das Metall erzielten Preis. Die Notierung für Blei schwankte um 28 Prozent, die für Kupfer um 19 Prozent. Nickel verteuerte sich im gleichen Zeitraum um 31 Prozent. Zinn dagegen wurde um zwölf Prozent billiger.

Drei von vier Einkäufern sehen in solchen Volatilitäten das größte Risiko für ihre Beschaffung. Zu diesem Ergebnis kommt die Rohstoffstudie 2019 der Einkaufsberatung Inverto. Wie schon im Vorjahr haben Rohstoffpreise für 71 Prozent der Umfrageteilnehmer den größten Einfluss auf das Geschäftsergebnis ihrer Unternehmen.

Vier von zehn Einkäufern erwarten 2020 steigende Rohstoffkosten

Zugleich rechnen vier von zehn Einkäufern damit, dass in den kommenden 18 Monaten vor allem Energierohstoffe wie Erdöl und –gas teurer werden. Jeder dritte Teilnehmer der Umfrage erwartet, dass 2020 die Preise für seltene Erden steigen. Rund jeder fünfte Befragte stellt sich auf höhere Beschaffungskosten für Gold, Silber, Platin und Palladium, Eisen, Stahl, Aluminium und Kupfer ein.

Bei diesen Rohstoffen rechnen Einkäufer mit steigenden Preisen

Anteil der Teilnehmer, die laut der Rohstoffstudie 2019 der Einkaufsberatung Inverto, im kommenden Jahr Preissteigerungen bei den genannten Rohstoffen erwarten.

Rohstoff Anteil der Antworten
Erdöl und Erdgas 37 Prozent
Seltene Erden 29 Prozent
Edelmetalle (Platin, Palladium, Gold, Silber, etc.) 22 Prozent
Eisenmetalle, Stahl 21 Prozent
Lithium 21 Prozent
Kupfer 19 Prozent
Aluminium 19 Prozent

Quelle: Inverto

Hamsterkäufe in der Industrie

Mehr als zwei von drei Beschaffern optimieren daher derzeit ihre Lagerhaltung und beschaffen größere Rohstoffmengen auf Vorrat, so das Ergebnis einer Umfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK). Das allein reicht aber nicht.

Fast jeder zweite Einkäufer gab in der Inverto-Studie an, in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Entwicklung und Produktion nach Lösungen zu suchen, mit denen sich der Materialbedarf insgesamt senken lässt. Jedes dritte Unternehmen ersetzt besonders kritische Rohstoffe mit alternativen Werkstoffen.

Hedging macht Rohstoffkosten berechenbar

Noch klüger handeln Einkäufer, die sich gegen das Risiko steigender Rohstoffpreise durch Hedging absichern. Das garantiert Unternehmen berechenbare Kosten für ihren Rohstoffbedarf. Allerdings schlagen entsprechende Finanzprodukte mit drei bis fünf Prozent des Einkaufspreises eines Metalls zu Buche.

Das lohnt sich erst, wenn Unternehmen eine Mindestmenge eines Rohstoffs verbrauchen. Während der Laufzeit der von ihnen genutzten Hedginginstrumente sollten Einkäufer mindestens eine Million Euro für den abgesicherten Rohstoff ausgeben, empfehlen Experten.

Lieferanten lassen sich nur noch ungern auf Festpreisgarantien ein

Der Bedarf vieler kleinerer Unternehmen liegt deutlich darunter. Für sie bietet es sich daher an, das Hedging an Lieferanten zu delegieren und sich von diesen für eine bestimmte Zeit feste Preise für die benötigten Rohstoffe zusichern zu lassen. Laut der Inverto-Umfrage tun dies vier von zehn Einkäufern.

Allerdings garantieren Lieferanten aufgrund der volatilen Entwicklung an den Rohstoffmärkten Preise nur noch selten für mehr als ein paar Monate. Wie die Studie ergab, musste sich jeder zweite Einkäufer zuletzt mit deutlich kürzer laufenden Festpreisvereinbarungen zufriedengeben.

Kluge Einkäufer setzen auf natural hedging

Um Preis- und Beschaffungsrisiken zu vermindern, suchen zwei Drittel der Befragten zudem nach alternativen Bezugsmärkten und Lieferanten für die von ihnen benötigten Rohstoffe. Einkäufer, die Vorprodukte in jedem Währungsraum beschaffen, in dem ihr Unternehmen auch seine Produkte vertreibt, gleichen dadurch neben politischen Risiken auch Wechselkursschwankungen aus.

Idealerweise können sie für dieses „natural hedging“ in jedem Währungsraum auf zwei bis drei Lieferanten für jeden Rohstoff zugreifen. Auch Pleiten wie sie Herbert Diess und ACISA mit der bolivianischen YLB erlebt haben, ließen sich so vermeiden.

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