Der Wert von Stahl bemisst sich in China nicht nur in Tonnen. Seit Mao Tse Dong 1958 beschloss, die Bauern in den Dörfern der Volksrepublik aus Sand, Tonerde und Ziegeln Hochöfen mauern und darin Stahl kochen zu lassen, misst China seinen nationalen Selbstwert auch an seiner Fähigkeit, welche Mengen des Werkstoffs es als Nation herstellen kann. Immerhin scheiterte das Projekt des „Großen Vorsitzenden“ tragisch. Bis zu 45 Millionen Chinesen verhungerten, weil Landbewohner auf Anweisung Maos ihre Felder nicht mehr bestellen durften, sondern die Volksrepublik in einem Gewaltakt industrialisieren sollten.
Der Staatsgründer der Volksrepublik wollte so in einem „Großen Sprung“ das Fundament für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in China legen. In der Stahlproduktion sollte das Land binnen acht Jahren das Produktionsniveau der USA erreichen – ein Erfolg, der die „Welt erschüttern“ werde, wie Mao auf dem Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas im Mai 1958 erklärte.
60 Prozent unter Herstellungskosten
In der Tat erschüttert die Stahlproduktion der Volksrepublik die Welt – allerdings erst ein knappes halbes Jahrhundert später. Nachdem China zur Befriedigung seiner rasant wachsenden Inlandsnachfrage seit etwa 2005 gewaltige Stahlwerke aufgebaut hat, produziert es heute rund die Hälfte der 1.600 Millionen Tonnen Rohstahl, die Erzeuger des Werkstoffs jedes Jahr weltweit herstellen. Noch vor fünf Jahren erzeugte die Volksrepublik gerade mal 15 Prozent des globalen Angebots.
Da China aufgrund des nachlassenden Wirtschaftswachstums diese Mengen im eigenen Land aber nicht mehr verarbeiten kann, subventioniert die Regierung in Peking die Stahlkocher in der Volksrepublik nun so massiv, dass diese den Weltmarkt mit Stahl zu Dumpingpreisen überschwemmen können – trotz hoher Transportkosten für das schwere Gut. Wie das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln berichtet, boten chinesische Stahlkocher ihre Produkte im vergangenen Jahr um bis zu 60 Prozent unter ihren Gestehungskosten an. Die Preise für die wichtigsten Stahlsorten brachen dadurch um bis zu einem Drittel ein.
EU-Strafzölle für Dumpingstahl helfen nur vorübergehend
Die Europäische Union führte daraufhin im April 2017 Strafzölle von bis 35,9 Prozent gegen chinesischen Billigstahl ein. Damit unterstützt sie eine Trendwende beim Preis für den wichtigsten Industrierohstoff, die bereits im Verlauf des vergangenen Jahres eingesetzt hat. Damals beschlossen die größten Stahlproduzenten wie ArcelorMittal oder ThyssenKrupp, Hochöfen stillzulegen oder die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zu reduzieren.
Durch diese Angebotsverknappung sind die Preise für einzelne Stahlerzeugnisse zwar seit einigen Monaten wieder im zweistelligen Bereich gestiegen, die nach wie vor weltweit vorhandenen Überkapazitäten in der Stahlindustrie können derartige Maßnahmen aber ebenso wenig aus der Welt schaffen wie die politische Einflussnahme auf den Stahlpreis in vielen Staaten. Wie Zahlen des Statistikportals Statista zeigen, können die größten Stahlkocher weltweit mit 1,63 Milliarden Tonnen im laufenden Jahr gut 100 Millionen Tonnen mehr des Werkstoffs herstellen als Unternehmen rund um den Globus nachfragen.
Eisenerz: Preisschwankungen von bis zu 70 Prozent in einem Jahr
Aussagen über die künftige Entwicklung des Stahlpreises sind somit ebenso unsicher, wie solche über die Preisentwicklung von Eisenerz – dem wichtigsten Rohstoff für die Stahlerzeugung. Einkäufer in der Stahlindustrie mussten für eine Tonne Eisenerz in den vergangenen zwölf Monaten Preise zwischen 55 und 90 Dollar hinlegen – eine kaum mehr beherrschbare Schwankungsbreite von fast 70 Prozent. Da China derzeit mit über einer Milliarde Tonnen Eisenerz rund zwei Drittel der weltweiten Jahresproduktion aufkauft, wirken sich politische Vorgaben für die Stahlindustrie in der Volksrepublik auch massiv auf den Preis von Eisenerz aus.
Dabei ist weltweit genug von dem Rohstoff vorhanden. Immerhin fünf Prozent der Erdkruste bestehen aus dem Element, das sich zudem leicht und kostengünstig abbauen lässt. Wichtigster Anbieter von Eisenerz ist Australien, das über 70 Prozent seiner Einkünfte aus dem Bergbau mit dem gräulichen Metall erwirtschaftet. Dementsprechend belegten mit der britisch-australischen Rio Tinto Group und der ebenfalls britisch-australischen BHP Billiton Group 2016 auch zwei auf dem fünften Kontinent beheimatete Bergbauunternehmen den zweiten und dritten Platz in der Rangliste der wichtigsten Eisenerz abbauenden Unternehmen.
Zehn Prozent des weltweiten Eisenerzangebots stammen aus einer einzigen Mine
Rio Tinto baut nach Angaben des Brancheninformationsdienstes Intelligence Mine allein in der Mine Hamersley rund zehn Prozent des weltweiten Angebots an Eisenerz ab.
Vor den britisch-australischen Gesellschaften liegt nur noch die brasilianische Vale S.A.. Immerhin verfügt Brasilien Angaben des US Geological Survey (USGS) zufolge mit 23 Milliarden Tonnen über die weltweit zweitgrößten Reserven an Eisenerz nach Australien mit 52 Milliarden Tonnen. Weitere wichtige Lagerstätten finden sich in der Russischen Föderation, China und Indien. Insgesamt belaufen sich die globalen Reserven auf 170 Milliarden Tonnen Eisenerz.
Die noch nicht erforschten Ressourcen dürften mit über 800 Milliarden Tonnen sogar mehr als vier Mal so groß sein, schätzt der USGS. Bei der derzeitigen jährlichen Förderung in Höhe von gut 1,5 Milliarden Tonnen Eisenerz sind die bekannten Lagerstätten erst in über 110 Jahren ausgebeutet. Die Ressourcen reichen sogar für über 530 Jahre.
Deutschland ist größter Stahlerzeuger in der EU
Ausgehen wird Eisenerz den deutschen Stahlerzeugern somit so schnell nicht. Die deutsche Hüttenindustrie stellt nach Auskunft der Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe mit 43 Millionen Tonnen jedes Jahr 2,6 Prozent des weltweiten Angebots an Stahl her und ist damit nach China, Japan, Indien, den USA, Russland und Südkorea der siebtwichtigste Anbieter von Stahl weltweit. In der Europäischen Union ist Deutschland mit Abstand der größte Erzeuger von Rohstahl vor Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien.
Auch für deutsche Schlüsselbranchen wie den Automobil- und Maschinenbau stehen deutsche Stahlproduzenten wie ThyssenKrupp Steel und die Salzgitter AG an erster Stelle ihrer Supply Chains. So geben Einkäufer aus dem Maschinenbau etwa jeden fünften Euro für die Beschaffung von Stahlerzeugnissen aus. Im Maschinenbau entfallen immerhin noch zwölf Prozent der Vorleistungseinkäufe auf die Stahlbranche.
Mengenmäßig nimmt jedoch die Bauindustrie rund ein Drittel des Stahlangebotes in Deutschland ab, um damit unter anderem Träger und Bewehrungen herzustellen. Die Automobilindustrie verbraucht 26 Prozent des Angebots in Form von Blechen sowie Gussteilen. Weitere zwölf Prozent des angebotenen Stahls verbaut der Maschinenbau.
Die Veredelung erfolgt häufig mit Chrom, Vanadium, Molybdän oder Wolfram.
Auch Schrott als Rohstoff für Stahl
Knapp die Hälfte des von diesen Branchen verarbeiteten Stahls haben Zulieferer dabei aus Schrott hergestellt. Jedes Jahr verarbeiten deutsche Stahlerzeuger rund 20 Millionen Tonnen Altstahl. Mit dieser Menge könnten sie Tag für Tag acht neue Eifeltürme bauen. Da er sich ohne Qualitätsverluste beliebig oft recyceln lässt und Entsorgungsbetriebe in den meisten Ländern flächendeckende Strukturen zur Sammlung alten Stahls aufgebaut haben, wird weltweit kein Material häufiger wiederverwertet als Stahl.
Unterschiedliche Stahlsorten
Dabei gibt es nicht nur den einen Stahl, sondern unterschiedliche Stahlsorten. Die unterscheiden sich durch Eigenschaften bzw. Zusammensetzung
Unterscheidung nach Werkstoff
- Unlegierte Stähle
- Mikrolegierte Stähle
- Niedriglegierte Stähle
- Hochlegierte Stähle
- Stahlguss
Unterscheidung nach Mindeststreckgrenze
- Stähle für Stahlbau
- Stähle für Druckbehälter
- Stähle für Leitungsrohre
- Stähle für den Maschinenbau
- Kaltgewalzte Flacherzeugnisse aus höherfesten Stählen
- Flacherzeugnisse zum Kaltumformen
Unterscheidung nach Zusammensetzung
- Einsatzstähle und Vergütungsstähle
- Niedriglegierte Stähle
- Hochlegierte Stähle
- Schnellarbeitsstähle
Zusammenfassung Rohstoff Stahl | |
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Beschreibung: | · Eisen(erz) ist das chemische Element ‚Fe‘ mit der Ordnungszahl 26 · Das metallisch glänzende, gräuliche Element ist nach Sauerstoff, Silizium und Aluminium das vierthäufigste Element der Erdkruste und nach Aluminium das zweithäufigste Metall. · Eisen ist extrem fest und zäh. Aufgrund seiner „Widerstandskraft“ beim Schmiedeprozess benannten es die Römer mit dem lateinischen Begriff für „Zorn“ beziehungsweise „Heftigkeit“ – „ira“. · Reines Eisen ist als Element jedoch nicht stabil und korrodiert bei Kontakt mit Sauerstoff und Wasser sofort. |
Verwendung: | · Bauindustrie (33%) · Automobilbau (26%) · Maschinenbau (12%) · Metallwaren (12%) |
Größte Förderländer von Eisenerz: | · China (32,3%) · Australien (28,3%) · Brasilien (13,4%) |
Größte eisenerzfördernde Unternehmen (mit jeweiliger Produktionsmenge in Mio.Tonnen 2016) | · Vale S.A.(14,7%) · Rio Tinto Group (11,7%) · BHP Billiton Group (11,6%) |
Vorhandene Reserven*: | 170.000 Mio. Tonnen |
Vorhandene Ressourcen**: | 800.000 Mio. Tonnen |
Statistische Reichweite der Reserven: | 113 Jahre |
Statistische Reichweite der Ressourcen: | 533 Jahre |
Recyclingquote: | Stahl ist das Material, das weltweit am häufigsten wiederverwertet wird. |
Substituierbarkeit: | In einzelnen Anwendungsbereichen lässt sich Stahl durch Aluminium, Plastik oder Verbundwerkstoffe ersetzen. |
Jahresproduktion Eisenerz 2016: | 1.515 Mio. Tonnen. |
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, US Geological Survey, Statista
*Reserven = aktuell bekannte, mit der vorhandenen Technologie rentabel ausbeutbare Vorkommen
**Ressourcen = aktuell bekannte, aber noch nicht rentabel ausbeutbare Vorkommen
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