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Beschaffung in Russland: Länderanalyse für den Einkauf

Reformstau, internationale Sanktionen, ein gewaltiger Modernisierungsbedarf sowie der große Einfluss des Staates in vielen Unternehmen bremsen die russische Wirtschaft. Im vergangenen Jahr legte das Bruttoinlandsprodukt im größten Land der Welt gerade mal um 1,5 Prozent zu.

Allerdings nur, weil der Preis für Rohöl 2017 anstieg. Fällt dieser würgt dies die Dynamik der russischen Wirtschaft ab. Denn Russland macht 81 Prozent seiner Exportgeschäfte mit dem Verkauf fossiler Brennstoffe oder Industriemetalle. Das produzierende Gewerbe kann mit dem derzeitigen Exportboom bei Rohstoffen nicht mithalten. Während die Förderung von Erdgas 2017 um über acht Prozent zulegte, erwirtschafteten Industrieunternehmen gerade mal ein Prozent mehr als im Vorjahr. Sie behindern vor allem die von den USA und der EU wegen der Annexion der Krim gegen Russland verhängten Sanktionen.

Beschaffung in Russland: Länderanalyse für den Einkauf

Foto: Pixabay/rperucho

Auch zwei Drittel der in der russischen Föderation tätigen deutschen Unternehmen fühlen sich von den Maßnahmen stark eingeschränkt. Insgesamt haben die Sanktionen die russische Wirtschaft bislang 60 Milliarden Euro gekostet. Das ermittelten Ökonomen der Universität Kiel. Um den Schaden der Sanktionen möglichst gering zu halten, verpflichtet der Kreml russische Unternehmen dazu einen sehr hohen Teil ihrer Wertschöpfung in Russland zu erbringen.

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Diese Politik der Importsubstitution hat auch deutsche Unternehmen zu umfassenden Investitionen in der russischen Föderation veranlasst – darunter die Maschinenbauer DMG Mori und Siemens, den Pumpenhersteller Wilo, den Produzenten von Heizkörpern Kermi oder Autobauer Daimler. Landmaschinenhersteller Claas hat zusammen mit John Deere, der Kuhn Group und AGCO einen Landtechnikcluster in der Region Krasnodar aufgebaut. Die Roboterschmiede Kuka will demnächst eine Produktion in Russland eröffnen.

Wirtschaftliche Fakten zur Beschaffung in Russland

Offizieller Name Russische Föderation / Rossijskaja Federazija
Hauptstadt Moskau
Amtssprache Russisch
Bevölkerung 142,4 Millionen
Bruttoinlandsprodukt 2017 1.527 Mrd. US-Dollar
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
11.947 US-Dollar
Wirtschaftswachstum 2017 / 2018 / 2019 1,5 % / 1,5% / 1,5%
Inflationsrate 2017 / 2018 / 2019
3,7 % / 2,8% / 3,9%
Importe 2017 228,2 Mrd. US-Dollar
Exporte 2017 359,2 Mrd. US-Dollar
Freihandelsabkommen Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Republik Moldau,  Ukraine, Usbekistan, Tadschikistan, Weißrussland, Vietnam

Beschaffung in Russland: Die wichtigsten Ausfuhrgüter

Russland ist eines der rohstoffreichsten Länder der Welt. Für Deutschland ist es der wichtigste Lieferant von Erdöl und –gas. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums beschafft die Bundesrepublik rund ein Drittel ihrer Erdgas- und 35 Prozent ihrer Ölimporte in der russischen Förderation. Außerdem stehen petrochemische Produkte und metallische Rohstoffe auf der Einkaufsliste. Insgesamt sind deutsche Unternehmen die drittwichtigsten Abnehmer russischer Erzeugnisse nach China und den Niederlanden.

Deutsche Importe aus Russland 2017 31,5 Milliarden Euro
Deutsche Exporte nach Rusland 2017 25,9 Milliarden Euro
Deutsche Einfuhren aus Russland nach Warengruppen
(in Prozent der gesamten Importe aus Russland)
· Erdöl (34,8%)
· Erdgas (28,4%)
· Petrochemie (12,5%)
· Nichtedelmetalle (8%)
· Kohle (5,4%)
· Sonstige (10,9%)

Einkauf in Russland: Die wichtigsten Rohstoffe

Nur Saudi-Arabien fördert mehr Erdöl als die russische Föderation. Auch bei der Produktion von Erdgas muss sich das Land nur den Vereinigten Staaten geschlagen geben. Ganze 19,1 Prozent der globalen Erdgasförderung erfolgen in Russland. Insgesamt brachte das Land 2017 gut 691 Milliarden Kubikmeter zu Tage – knapp acht Prozent mehr als im Vorjahr. Die Förderung von Erdöl blieb aufgrund der mit der Organisation erdölexportierender Staaten vereinbarten Kürzungen mit 574 Milliarden Tonnen auf dem gleichen Niveau wie 2016.

An Russlands Bedeutung als einem der wichtigsten Lieferländer fossiler Rohstoffe wird sich so schnell nichts ändern. In dem Land lagert rund ein Viertel der weltweiten Erdgasreserven. Bei den Erdölvorkommen liegt es an sechster Stelle hinter Venezuela, Saudi-Arabien, Kanada, Iran und Irak. Neben fossilen Brennstoffen lagern in der russischen Föderation große Vorkommen von Industriemetallen wie Eisen, Kupfer, Bauxit, Nickel, Zinn oder Diamant. Außerdem gibt es in Russland umfangreiche Uranlagerstätten und seltene Erden.

Rohstoffe: Öl, Erdgas, Kohle, Nickel, Zinn, Eisen, Bauxit, Kupfer, Platin, Magnesium, Wolfram, Diamanten, Seltene Erden

Produktivität, Qualität und Kosten im Beschaffungsland Russland

Um den Einfluss der Oligarchen und Raubtierkapitalisten auf die russische Wirtschaft zu brechen, hat der Kreml die Kontrolle des Staates in den vergangenen Jahren in immer Wirtschaftsbereichen massiv ausgebaut. Bis zu 70 Prozent der Wertschöpfung leisten heute staatlich kontrollierte Unternehmen. Doch diese sind schwerfällig und wenig produktiv. Die Produktivität aller Produktionsfaktoren ist in den vergangenen Jahren sogar gesunken. Das bremst das Wirtschaftswachstum ebenso wie die überbordende Bürokratie, die streng regulierten Märkte und der hohe Anteil von Großunternehmen. Kleine und mittelständische Betriebe erwirtschaften in Russland nur ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts.

In keinem anderen Land der Welt verfügen zwar so viele Menschen über einen Hochschulabschluss wie in Russland. Der Bildungsstand der 53,5 Prozent Russen, die über ein akademisches Diplom verfügen, ist dennoch sehr niedrig. Veraltete Bildungsinhalte sowie schlechtbezahlte und –ausgebildete Lehrer sorgen schon auf der Schule dafür, dass russische Schüler in PISA-Tests in Mathematik und Naturwissenschaften ebenso wie bei der Lesekompetenz weit unter dem Durchschnitt der übrigen OECD-Mitglieder abschneiden. Die Organisation führt die internationalen Vergleichstests zum Leistungsstand von Schülern durch.

Das durchschnittliche Lohnniveau scheint den schlechten Bildungsstand zwar auszugleichen. Allerdings zahlen Arbeitgeber für Mehrarbeit in den ersten zwei Stunden 50 Prozent des Stundenlohns als Zuschlag. Müssen Arbeitnehmer mehr als zwei Überstunden machen, beträgt die Zulage 100 Prozent. Ebenso üppig fallen die Zuschläge für Nachtarbeit aus.

Dadurch wird Arbeit ebenso teuer wie durch den zunehmenden Fachkräftemangel. Vor allem Unternehmen aus der IT-Branche, dem Maschinen- und Bergbau sowie der Öl- und Gasförderung haben inzwischen große Probleme ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Zumal die erwerbstätige Bevölkerung in Russland immer älter wird und daher jedes Jahr um rund 600000 Personen abnimmt.

Durchschnittlicher Bruttomonatslohn eines Arbeiters
496 Euro
Analphabetenquote 0,3%
Durchschnittliche Dauer des Schulbesuchs 12 Jahre
Anteil der Bevölkerung mit sekundärer Schulbildung 94,6%
Anteil der Bevölkerung mit Universitätsabschluss
53,5%
Human Development Index Platz 49 von 188
Global Competitiveness Index
Platz 43 von 138
Offizielle Arbeitslosenquote 2017 5,2%
Wachstum der Arbeitsproduktivität (2009-2015)
Wachstum der Total Factor Productivity (2009-2015)
1%
0,5%

Neben den Problemen am Arbeitsmarkt setzen auch die in vielen Betrieben veraltete Technik und die indische Bürokratie der Produktivität des Landes Grenzen. Vor allem im Bergbau, der Eisen- und Stahlverarbeitung sowie der Bauwirtschaft sind viele Betriebe so hochverschuldet, dass sie sich Investitionen in moderne Anlagen nicht leisten können. Zugleich schützt der Staat als Eigentümer viele Unternehmen in diesen Branchen ebenso wie im Transportwesen und der Schwerindustrie vor dem Wettbewerb.

Legendär ist auch die indische Bürokratie. Allerdings hat die Regierung von Premierminister Narendra Modi im Sommer 2017 eine wegweisende Reform in die Wege geleitet. Durch die Einführung einer allgemeinen Mehrwertsteuer entstand auf dem indischen Subkontinent erstmals ein einheitlicher Binnenmarkt. Da Unternehmen Güter beim Transport von einem Bundesstaat in einen anderen nun nicht mehr deklarieren und verzollen müssen, erwartet die Weltbank, dass die indische Wirtschaft künftig allein durch den Wegfall des mit dem Transport verbundenen bürokratischen Aufwands um bis zu einem Prozentpunkt stärker wachsen wird.

Beschaffung in Russland: Infrastruktur und Logistik

Russland ist das größte Land der Erde. Entsprechend umfangreich ist mit 88000 Kilometern auch sein Eisenbahnnetz. Nur China und die USA verfügen über noch mehr Schienenstränge. Außerdem wurden 96.000 Kilometer der russischen Flüsse schiffbar gemacht oder durch Kanäle ergänzt. Das Autobahnnetz kann da mit nur 1.534 Kilometern nicht mithalten. Insgesamt verfügt das russische Riesenreich über 540.000 Kilometer Straßen. Davon ist jedoch ein Drittel nicht befestigt. Die drei wichtigsten Flughäfen befinden sich allesamt in der Hauptstadt Moskau. Erst auf dem vierten Rang folgt der Airport in Sankt Petersburg. Die Stadt an der Newa hat allerdings den wichtigsten Hafen Russlands.

Wichtigste Seehäfen Moskau Scheremetjewo, Moskau Domodedowo, Moskau Wnukowo, St. Petersburg, Sotschi
Wichtigste Flughäfen St. Petersburg, Noworossijsk, Wladiwostok
Autobahnnetz 1.534 Kilometer
Eisenbahnnetz 88.000 Kilometer
Wasserstraßen 96.000 Kilometer

Risiken bei der Beschaffung in Russland

Die Zahl der Risiken, auf die sich Einkäufer in Russland vorbereiten müssen, ist lang. Allerdings fallen viele davon nicht sofort in den Blick. So landet das Land im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International auf dem 135. von 168 Plätzen. Selbst in Moldawien oder Pakistan lassen sich Polizisten, Richter und Politiker nicht so häufig schmieren wie in Russland.

Weitere Probleme bereiten Einkäufern die Sanktionen der USA und der EU gegen Russland. Einerseits ist nicht vorhersehbar, ob der Kreis der heute von den Maßnahmen betroffenen russischen Unternehmen im Zuge internationaler Spannungen mit dem Kreml künftig nicht erweitert wird.

Zum anderen haben die Sanktionen, russische Banken von den internationalen Kapitalmärkten abgeschnitten. Unternehmen ist dadurch der Zugang zu günstigen Finanzierungsquellen verwehrt. Dadurch steigt das Risiko, dass russische Lieferanten Insolvenz anmelden.

Ein offensichtliches Risiko für die Lieferkette geht dagegen von den gewaltigen Entfernungen und extremen Wetterverhältnissen im russischen Winter aus. Sie sorgen nicht selten dafür, dass einzelne Städte und Regionen über Land nicht mehr erreichbar

Quellen: gtai, Auswärtiges Amt, UNESCO, UNDP, WEF, OECD

Bild: Pixabay/xusenru

Autor: Gerd Meyring

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