Xieshan oder auch Shoe Mountain im Poyang-See in China.

Xieshan, oder auch der Schuhfelsen, im Poyang-See in China. Sein Fuß ist normalerweise von Wasser umspült. (Bild: chungking - stock.adobe.com)

Touristen kommen und staunen: Der Poyang-See in der Provinz Jiangxi im Osten von Chinas ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Mittlerweile liegt sogar die historische Stätte auf der Insel Luoxingdun komplett auf dem Trockenen, normalerweise hat sie "nasse Füße". Dieser Tage erreichen die zahlreichen Besucher die kleine Pagode und ihr Türmchen trockenen Fußes.

Das Besondere daran: Der See ist der größte Süßwassersee in ganz China. Im Mittel beträgt die Fläche des Sees 3.585 km². Rund 25 km² Wasser kann der Poyang fassen. Seine im Schnitt acht Meter Tiefe sorgen dafür, dass der Wasserstand zwischen Monsun und Trockenheit um gute 20 Meter schwanken kann. So dient er als Rückhaltebecken für Zeiten mit extremen Niederschlägen.

Doch die Rekord-Dürre, die China aktuell im Griff hat, sorgt dafür, dass vom See nur rund 25 Prozent übrig ist. Und jetzt? Nichts als Furchen im trockenstarren Boden. Ein Schauspiel für Besucher, doch mit Folgen für die angrenze Industrie.

Dürre führt zu Strommangel in Industriezentren

Die extreme Trockenheit zeigt sich nicht nur am Poyang-See. Nach Angaben des örtlichen Amtes für Wasserressourcen herrschen in 33 Bezirken und Kreisen in Chongqing Dürreperioden unterschiedlichen Grades, und bisher sind 51 Flüsse und 24 Stauseen ausgetrocknet, berichtet China Heute.

Die Folgen sind drastisch: Da China seine Flüsse und Stauseen zur Stromerzeugung nutzt, können die Elektrizitätswerke nicht mehr arbeiten. Im Gegenzug laufen die noch vorhandenen Kohlekraftwerke auf Hochtouren. Dies ist nicht nur extrem schlecht aus Sicht des Klimaschutzes, sondern reicht auch nicht aus, um die entstandene Lücke vollständig zu füllen. Es kommt daher immer wieder zu Stromausfällen, sodass einzelne Provinzen jetzt Strom rationieren.

Pagode im Poyang-See in China mit Türmchen rechts und links, von Wasser umspült
Die Pagode mit dem angrenzenden Turm auf der Insel Louxingdun ist normalerweise von Wasser umspült. Während der Dürre ist sie trockengefallen. (Bild: HAIYAN - stock.adobe.com)

Angefangen hat es mit der eigentlich für ihren Wasserreichtum bekannten Provinz Sichuan im Südwesten der Volksrepublik sowie im angrenzenden Chongqing. Die Hitze und die ausbleibenden Regenfälle legten die Energieerzeugung aus Wasserkraft still. In Sichuan liefert sie normalerweise 80 Prozent des Stroms. Jetzt ist die Produktion auf gerade einmal die Hälfte zusammengeschrumpft. Zeitgleich kämpfen zahlreiche Klimaanlagen in Wohnungen und Büros gegen die sengende Hitze von bis zu 45 Grad Celsius an und treiben den Stromverbrauch weiter in die Höhe. Eine wachsende Stromnachfrage stößt also auf ein immer geringer werdendes Angebot - ein Szenario, das die chinesische Regierung eigentlich unter allen Umständen verhindern wollte, nachdem es bereits im vergangenen Jahr zu Stromrationierungen gekommen war.

Doch die chinesische Regierung sieht sich erneut zu drastischen Maßnahmen gezwungen: In einigen Regionen und Metropolen wurde festgelegt, dass das Limit für Klimaanlagen bei 26 Grad liegt und sie nicht kühler eingestellt werden dürfen. Alternativ werden sie komplett heruntergefahren sowie Lichter und Rolltreppen ausgeschaltet, um Strom zu sparen. Die Provinzregierung hat unter anderem Tesla dazu verdonnert, einige seiner Ladestationen vom Netz zu nehmen.

Um im großen Stil weniger Strom zu verbrauchen, wurde Industrieunternehmen dort sowie im angrenzenden Chongqing für sechs Tage der Strom abgedreht. Sie mussten ihre Produktion unterbrechen.

Auto-, Aluminium- und Siliziumproduktion stockt

Die Strom- und damit Produktionsunterbrechungen treffen unter anderem die Aluminium-Herstellung. Beispielsweise mussten Unternehmen wie der Aluminiumhersteller Henan Zhongfu oder der Düngemittelhersteller Sichuan Meifeng schließen, ebenso wie eine Fabrik des taiwanischen Apple-Zulieferers Foxconn.

Aber auch große Lithium- und Polysilizium-Hersteller haben ihre Fabriken in der Region. Darunter sind Tongwei Solar, Tianqi Lithium und Yahua Lithium. Sie produzieren bis zu 40 Prozent des in China hergestellten Lithiumhydroxids, bis zu 20 Prozent des Lithiumkarbonats und bis zehn Prozent des Polysiliziums. Die europäische Solar- und Autoindustrie ist auf Lieferungen aus der Region angewiesen.

Blick auf die Staumauer des Drei-Schluchten-Stausees mit dem Wasserkraftwerk
Das Kraftwerkt am Drei-Schluchten-Stausee kann eine Leistung bis 9,5 GW abrufen - aktuell läuft es jedoch nur auf Sparflamme wegen der Trockenheit. (Bild: Gary Peplow - stock.adobe.com)

Betroffen von den Maßnahmen der Behörden sind auch einheimische Autohersteller wie Nio, der einige seiner Akkuwechselstationen schließen musste. Normalerweise tauschen Nio-Fahrer dort ihre leere Batterie gegen ein frisch aufgeladenes Exemplar aus. Mittlerweile gibt es aber keine frisch aufgeladenen Batterien mehr.

Der japanische Autobauer Toyota musste in der Region gleich ein ganzes Werk vorübergehend schließen. Selbiges passierte dem einheimischen Batteriehersteller CATL, der wiederum Batteriezulieferer unter anderem für BMW und Tesla ist.

Auswirkungen auf Lieferketten noch nicht absehbar

Einige Unternehmen, die von Sichuan aus beliefert werden, melden bereits unterbrochene Lieferketten, unter anderem Teslas Gigafactory in Shanghai und Chinas größter Autohersteller SAIC Motor.

Auch die Produktion deutscher Unternehmen in Sichuan sei unterbrochen, so die Deutsche Außenhandelskammer in China (AHK). „Die mangelnde Energiesicherheit stellt deutsche Unternehmen in China vor große Herausforderungen“, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes AHK-Vorstandsmitglied, in Peking. Er erinnert an das vergangene Jahr, als sich die Energieknappheit bis in den November zog. Produktions- und damit Lieferstillstände waren die Folge.

Was die aktuelle Hitze und Dürre für die Lieferketten genau bedeuteten, müsse sich erst zeigen, zitiert der Tagesspiegel die Analystin Yan Qin vom Finanzdatendienstleister Refinitiv. Zumindest kurzfristig würden die Preise für Industrieprodukte aber steigen. In einer im Januar 2022 veröffentlichten Umfrage der AHK China gaben 15 Prozent der deutschen Unternehmen vor Ort die mangelnde Verfügbarkeit von Energie als „eine ihrer drei größten operativen Herausforderungen“ an.

Kohlekraftwerke befeuern die Misere langfristig

Um die Ausfälle bei der Wasserkraft durch die Dürre aufzufangen, laufen jetzt auch Kohlekraftwerke auf Hochtouren. In Sichuan produzieren die 67 lokalen Kohlekraftwerke 50 Prozent mehr Strom als ihre geplante Kapazität eigentlich vorsieht, heißt es in chinesischen Staatsmedien.

Das besorgt Klimaschützer. China bezieht ohnehin zwei Drittel seines Stroms aus Kohle und ist größter CO₂-Emittent der Welt. Das Land ist entscheidend im Kampf gegen die Erderwärmung. „Die chinesische Regierung steht massiv unter Druck“, so AHK-Chef Hildebrandt. „Bei schwächelndem Wirtschaftswachstum und ambitionierten Klimaneutralitätszielen wird das Ausbalancieren zwischen Energiesicherheit und Dekarbonisierung zunehmend schwierig.“ Daher gewinne der Zugang zu erneuerbaren Energien und smarten Stromnetzen für deutsche Unternehmen vor Ort immer mehr an Priorität.

Dürre Aussichten?

Die erste Runde der Stromsparmaßnahmen ging bis Samstag, den 20. August, sie wurde teilweise bis 25. August verlängert. Nun sind sinkende Temperaturen vorausgesagt und es besteht sogar die Chance auf leichte Regenfälle. Doch bereits für Anfang September sind - zumindest für Sichuans Provinzhauptstadt Chengdu - wieder Temperaturen über 30 Grad Celsius und geringe Regenwahrscheinlichkeiten vorausgesagt. Ob die Pegelstände der Flüsse so bald wieder steigen, bleibt daher abzuwarten.

Einer der Dreh- und Angelpunkte in der Wasser- und damit auch Stromversorgung ist der Jangtsekiang, der längste Fluss Chinas und der drittlängste Fluss der Welt. Er fließt durch Sichuan und Chongqing und versorgt gleich mehrere Wasserkraftwerke, unter anderem den umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamm. Allein das dortige Kraftwerk hat nach chinesischen Angaben eine durchschnittliche Leistung von 9,5 GW. An vielen Stellen ist der Fluss jedoch fast trockengefallen.

Die Touristen am Poyang-See dürften also noch länger zu Fuß bis zur kleinen Pagode und ihrem Turm spazieren können.

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