Zwei Personen gehen durch eine Halle mit technischen Maschinen

Die Beschaffung von Halbleitern bleibt schwieirig. Wie können Einkäufer gegensteuern? (Bild: Publitek)

Der weltweite Halbleitermarkt ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen – 5,1 Prozent seit 2019. Die Ereignisse im Jahr 2020 haben jedoch zahlreiche Herausforderungen mit sich gebracht, die Risiken und Schwächen in der Lieferkette aufgedeckt haben. Gleichzeitig verändern neue Technologien und geopolitische Veränderungen den Markt.

Für Einkaufsleiter, die große Mengen der richtigen Bauelemente sichern und die Lieferzeiten unter Kontrolle halten müssen, enthält das Jahr 2021 also jede Menge Herausforderungen. Diese gilt es zu verstehen und abzumildern.

Herausforderungen bei der Beschaffung von Halbleitern

Mit Blick auf die Zeit nach 2020 geht die Semiconductor Industry Association (SIA) davon aus, dass sich das jährliche Wachstum des Halbleitermarktes beschleunigen und im Jahr 2021 an die 8,4 Prozent erreichen wird.

Nach der Abschwächung durch die Corona-Pandemie dürfte die Nachfrage wieder anziehen. Das wiederum stellt die Lieferanten auf die Probe. Das Risiko: steigende Vorlaufzeiten und ein Mangel an Bauelementen.

Einkäufer von Halbleitern haben aufgrund der Pandemie bereits ein Jahr lang Unterbrechungen erlebt. Die Produktion wurde gestoppt oder verzögert – oft mit minimaler Vorwarnung – und die Vorlaufzeiten sind im schlimmsten Fall nur noch eine Fiktion.

Die Beschaffung der richtigen Bauelemente zum richtigen Zeitpunkt erforderte die Fähigkeit, geeignete Alternativen ausfindig zu machen und Vereinbarungen mit neuen Lieferanten zu treffen, wo immer diese sich auch befinden.

Lieferkette für Halbleiter hat nicht viele Auswahlmöglichkeiten

Die traditionell schlanke Halbleiter-Lieferkette hat dies leider nicht begünstigt – mit speziellen Technologien wie Speicher-ICs (Integrated Circuit, integrierter Schaltkreis), die häufig an bestimmten geografischen Standorten oder auf eine kleine Anzahl von Herstellern konzentriert sind.

Dies hat Risiken für OEMs geschaffen, die anfällig für externe Probleme oder die sich ändernden Entscheidungen einiger weniger Lieferanten sind. So hat Taiwan in den letzten Jahren mehrere Erdbeben erlitten. Obwohl sich die Unternehmen schnell wieder erholt haben, kam es zu unvermeidlichen Lieferengpässen sowie kurzfristigen Preiserhöhungen – mit Kosten für die Branche von geschätzten 40 Millionen US-Dollar pro Tag, an dem Taiwans Fabs offline sind.

Geografische Fertigungstrends

Während die USA traditionell als der weltweit führende Halbleiterlieferant galten, hat sich der Schwerpunkt in den letzten Jahren nach Asien verlagert. Betrachtet man speziell die Chipfertigung, machen die USA nur noch 12 Prozent der weltweiten Kapazität aus.

Natürlich haben viele amerikanische Unternehmen einen Teil oder die gesamte Produktion nach China, Taiwan und anderswo ausgelagert, aber die Verlagerung nach Asien ist eindeutig. Was den heimischen Markt betrifft, so ist China mit einem Anteil von 50 Prozent der größte Einzelmarkt für Halbleiter und kauft unter anderem 36 Prozent aller US-Chipverkäufe auf.

Derzeit deckt China jedoch nur 30 Prozent dieses Bedarfs mit eigener Chipfertigung und investiert kräftig, um die Fertigungskapazitäten zu steigern. Auch Taiwan baut seine Halbleiterindustrie aus, wobei fortschrittliche Fertigungsprozesse die Nachfrage ankurbeln.

Und natürlich fügen Fabless-Halbleiteranbieter eine weitere Dimension zu den weltweiten Beschaffungsüberlegungen hinzu. Sie können dazu beitragen, die Nachfrage nach neuen Märkten und Anbietern zu steigern. Darüber hinaus erschweren die hohen Investitionen in die neuesten Halbleiterfertigungsanlagen die Vorhersage und Reaktion auf veränderte Kundenanforderungen.

Insbesondere das Streben nach immer kleineren Geometrien erfordert enorme finanzielle Ressourcen, da 5nm-ICs im Jahr 2020 in die Serienfertigung übergingen und innerhalb weniger Jahre 3- als auch 2nm-Prozesse umgesetzt werden sollen.

Technologische Neuerungen in der Halbleiter-Produktion

Die Technologie steht natürlich nicht still, und neue Materialien und Prozesse wirken sich auf die Halbleiter-Lieferkette aus. Dies erhöht zwar die Optionen für Einkäufer, bringt aber auch eine zusätzliche Ebene an Komplexität bei der Bauteilauswahl mit sich.

So ersetzt Siliziumkarbid (SiC) in einigen Halbleiteranwendungen zunehmend Silizium">Silizium (Si), zum Beispiel bei hohen Leistungen im Bereich erneuerbare Energien und Automobilelektronik. Aufgrund des schnellen Wachstums bei E-Fahrzeugen und Solarenergie hat dies dem SiC-Markt zu einem jährlichen Wachstum von mehr als 16 Prozent verholfen – und eine weitere Beschleunigung wird erwartet, obwohl ein Großteil dieses Wachstums auch auf den verstärkten Einsatz von SiC in der Stahlproduktion zurückzuführen ist.

Ein weiteres Material mit wachsendem Marktanteil ist Galliumnitrid (GaN), das eine kostengünstige Alternative für Leistungstransistoren und LEDs darstellt. Das Wachstum dieser relativ neuen Halbleitertechnologien führt dazu, dass OEMs zunehmend Bauelemente entwickeln, die früher als hochmodern galten, und dass Neuerungen ihren Weg aus dem F&E-Labor zur Serienfertigung in einem unaufhaltsamen Tempo vollziehen.

Das ist gut für die Kunden, interessant für Entwickler – aber möglicherweise problematisch für Einkäufer.

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Warum Einkäufer einen Plan B brauchen

Bei so vielen Veränderungen auf dem Halbleitermarkt müssen Einkäufer Prioritäten setzen, wie sie das Risiko reduzieren können. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass ein unerwartetes Ereignis uns alle dazu zwingen kann, unsere Pläne über den Haufen zu werfen, egal wie sorgfältig wir sie auch geprüft haben.

Einkäufer müssen sicherstellen, dass sie sich bei Großaufträgen und kritischen Bauelementen nicht zu stark auf nur einen oder zwei Lieferanten konzentrieren. Sie müssen die Auswirkungen geopolitischer Fragen und technologischer Veränderungen bewerten.

Es reicht nicht aus, nur Single-Sourcing zu vermeiden. Einkäufer sollten sicherstellen, dass sie Kontinuität, Flexibilität und Nachhaltigkeit in ihrem Liefernetzwerk aufrechterhalten. Das ist leichter gesagt als getan. Diese erhöhte Komplexität kann zusätzliche Kosten, mehr Verwaltungsaufwand und eine größere Fehlerwahrscheinlichkeit mit sich bringen – sowie den Mehraufwand, die richtigen Lieferanten zu finden und Angebote zu vergleichen.

Digitalisierte Lieferkette

Eine Alternative ist der Umstieg auf eine digitalisierte Lieferkette, die die erforderlichen Daten sammelt und die Möglichkeit bietet, mit mehreren Lieferanten zu arbeiten, um Risiken zu minimieren. Damit lassen sich auch neue oder alternative Lieferanten finden, und es lässt sich ermitteln, wann neue technologische Lösungen Chancen eröffnen.

Wenn wir eine Lektion aus dem Jahr 2020 gelernt haben, dann die, dass wir mit dem Unerwarteten rechnen müssen. Große Dinge können und werden ohne Vorwarnung passieren, und es reicht nicht aus, die Scherben nachher zusammenzukehren. Durch die richtigen digitalen Tools können Einkäufer sicherstellen, dass sie auf alles vorbereitet sind, was als Nächstes kommt – mit der Robustheit und Effizienz, die ihr Unternehmen benötigt.

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