Wolfgang Mayer (CTO) und Abdullah Cevik (CPO) von Kuka vor Robotern des Unternehmens

Abdullah Cevik (Purchasing Director) und Wolfgang Mayer (CTO), vlnr, sprechen über die Zusammenarbeit von Einkauf und Produktentwicklung bei Kuka. (Bild: Ingrid Alsmann)

Wolfgang Mayer (CTO) und Abdullah Cevik (CPO) treffen sich für Kuka Robotics bereits in den Frühphasen der Produktentwicklung. Der enge crossfunktionale Austausch und die globale Vernetzung halfen dem Roboterhersteller auch über Pandemie-bedingte Versorgungsengpässe. Das Team ist 2020 noch näher zusammengerückt.

TECHNIK+EINKAUF: Herr Mayer, der Geschäftsbereich Robotics ist ein Herzstück von Kuka…

Wolfgang Mayer: Ja, das stimmt. Bei uns entstehen Roboter, Robotersteuerungen, Software, mobile Roboter. Dazu kleinere Zellen, für die wir Engineering und Lösungsgeschäft anbieten. Die großen Fertigungsanlagen und Produktionsstraßen deckt unser Geschäftsbereich Systems ab.

Herr Cevik, Kuka arbeitet in der Produktentwicklung mit einem Projekteinkauf. Ist das die Schnittstelle, an der Sie auf die Technik treffen?

Abdullah Cevik: Wir treffen uns bereits, bevor das Projekt startet, bei der Ideenfindung, und begleiten die Projekte bis zur Serienfreigabe.

Mayer: Mittlerweile stellen wir bereits für die Produktdefinition ein interdisziplinäres Team zusammen, aus dem später das Projektteam wird.

Um was geht es in der Konzeptphase? Wie konkret werden Sie?

Cevik: Das wird schon sehr konkret. Es geht um Bauteile und wie wir diese realisieren. Wir bringen den Markt in das Projekt. Und wir bringen die Kuka-Expertise zu den Lieferanten, damit der Austausch ohne Umwege in der Entwicklung beziehungsweise beim Lieferanten ankommt.

Mayer: Es geht auch um fertigungstechnische Fragen. Sobald wir Ideen für ein Design haben, überlegen wir, wie man das kostengünstig herstellen kann und welche Technologien es gibt. Der Einkauf hat ein tiefes fertigungstechnisches Wissen, kennt die Lieferanten und deren Möglichkeiten und weiß, ab welchen Stückzahlen welche Verfahren attraktiv sind. Das ist für uns eine wichtige Eingangsgröße, damit unser Design später optimal zum Fertigungsverfahren passt.

Design-to-Cost funktioniert also nur gemeinsam mit dem Einkauf?

Cevik: Ganz vorne im Prozess, ganz zu Beginn!

Mayer: Es ist eigentlich ein Kreislauf. Erst die Idee, die über den Einkauf zu mehreren Lieferanten geht. Von dort bekommen wir Input für das Design zurück. Und so optimiert sich die Idee schrittweise zu einer guten Lösung. Das gelingt nicht immer bis zum perfekten Ende, aber in der Zusammenarbeit kommt man auf jeden Fall weiter, als wenn wir sequenziell vorgehen und sagen: „Hier ist die Form, bitte einkaufen.“

Werden Sie durch die Iterationen auch schneller?

Mayer: Die Konzept- und Evaluierungsphase ist dadurch umfangreicher, weil wir viele Optionen bewerten. Aber wir setzen die Entscheidungen später schneller um. Teure Korrekturschleifen haben wir selten.

Beschaffung im Corona-Jahr

2020 war geprägt von Versorgungsengpässen. Wie sah es bei Kuka aus?

Cevik: Es war und ist herausfordernd. Seit März 2020 treffen wir uns täglich weltweit in unserer Gesamtorganisation. Wir haben Lieferanten u. a. in Italien, China, Indien. So konnten und können wir Bedarfe verlagern. Durch unsere globale Supply Chain und die Riesenunterstützung durch die Entwicklung ist die Lieferkette nie gerissen.

Sind die Alternativen denn frei gefahren?

Mayer: Da haben wir anlassbezogen sehr schnell reagiert. An vielen Stellen haben wir zwei, manchmal drei Lieferanten, aber auch das muss man managen. Das war eine ausgesprochen rasante Zeit.

Bleiben Sie bei Ihrer globalen Strategie?

Cevik: Auf jeden Fall. Wir haben von hier aus selbst unsere Kollegen in China versorgen können. Kuka ist global und in Richtung Multisourcing aufgestellt, das werden wir weiterverfolgen.

Mayer: Da sind wir sehr bestärkt worden. Aber auch in unserer Zusammenarbeit. Wenn man so eine kritische Phase gemeinsam durchsteht, stärkt das den Zusammenhalt und man bekommt Verständnis füreinander.

Hatten Sie die komplette Kette immer im Blick?

Cevik: Am Anfang hat man natürlich vor allem die Key-Teile im Fokus, hütet sie, zählt sie jeden Tag und stimmt sie ab. Und am Ende ist es dann die berühmte Unterlegscheibe.

Mayer: Genau das ist das Dilemma. Die werthaltigen, komplexen Teile hat jeder im Kopf und eine Vorstellung davon. Aber dass eine Beilagscheibe oder ein Kondensator knapp werden kann, nicht unbedingt. Das ist im Normalfall ja Massenware.

Cevik: Wir sind natürlich sehr tief in der Materie, aber bei der Vielfalt an Artikeln, mittlerweile über 20.000, ist das komplex. Wir haben zudem viele Logistiksysteme wie Kanban, bei denen wir uns auf die Lieferanten verlassen. Und dann greift der Monteur am nächsten Tag in die Kiste und die Beilagscheibe fehlt.

Gehen Sie jetzt mit Sicherheitsbeständen anders um? Ist das eine Erkenntnis aus der Pandemie?

Cevik: Bislang hatten wir Sicherheitsbestände, um uns in der Produktion etwas Flexibilität zu schaffen. Das ist eine ganz andere Betrachtung als ein Sicherheitsbestand aufgrund eines Lockdowns. Das werden wir bewerten, aber der Spagat zwischen Versorgung und Cashflow gehört im Einkauf nun mal dazu.

Abdullah Cevik von Kuka als Portrait
(Bild: Ingrid Alsmann)

Vita Abdullah Cevik

Der CPO und Prokurist Abdullah Cevik ist seit 1998 für Kuka tätig. Sein Weg führte ihn von der Qualitätssicherung und Qualitätsleitung vor zwölf Jahren in den Einkauf. Die globale Einkaufsorganisation für Kuka leitet Abdullah Cevik seit 2012.

Gemeinsames Team erweitert den Horizont

Hat sich der Blick der Technik auf den Einkauf verändert?

Mayer: Natürlich ist die Technik daran interessiert, dass die Produkte zum Kunden kommen. Ist das gefährdet, fühlt sich das auch für uns nicht gut an. Ist die Organisation jedoch in der Lage, das aufzufangen, bestärkt das das Vertrauen, dass die, die eine solche Beschaffungskrise meistern, auch in anderen Situationen gute Lösungen finden. Das schafft Vertrauen. Das hilft in unserer gemeinsamen Arbeit.

Cevik: Umgekehrt vom Einkauf in Richtung Technik sehen wir, dass die Entwickler genauso die Realitäten kennen und wir sicher sein können, dass, wenn wir ein Alternativmaterial qualifizieren müssen, jederzeit eine Lösung finden.

Mayer: Wir haben von beiden Seiten unseren Horizont erweitert. Früher waren wir eher zwei getrennte Bereiche und inzwischen gibt es kompetenzmäßig eine Überlappung. Wir arbeiten viel enger zusammen, und wenn ich gemeinsam erfolgreich bin, entsteht aus dem, was zuvor getrennt war, ein gestärktes Team.

Wie haben sich Ihre Beschaffungsmärkte verändert?

Cevik: Die Beschaffungsmärkte haben für uns vor allem dahingehend verändert, dass sie einfacher erreichbar sind, egal wo die Lieferanten auf der Welt sitzen.

Liegt das an der Anbindung zu China?

Cevik: Nicht unbedingt. Durch die Globalisierung sind wir in der Lage, mit Koreanern, Australiern, wem auch immer eng zusammenzuarbeiten. Allein die Zeitverschiebung engt uns etwas ein. Ansonsten läuft die Kommunikation genauso wie mit einem Lieferanten vor der Haustür. Hinzu kommen die Logistikwege. Heute schicken Sie ein Päckchen in Korea los und es liegt übermorgen auf Ihrem Tisch. Durch das Containergeschäft können wir überall beschaffen. Zölle, Zollabwicklung, Logistikschleifen, führen kaum mehr dazu, dass sich Lieferungen verzögern, wenn man es entsprechend plant.

Wolfgang Mayer Kuka als Portrait
(Bild: Ingrid Alsmann)

Vita Wolfgang Mayer

Der CTO von Kuka Robotics, Wolfgang Mayer, ist seit 1996 für das Unternehmen tätig. Zuvor leitete der Maschinenbauingenieur für Kuka die Forschung und Entwicklung im Bereich Mechatronik und begleitete verschiedene Funktionen in der Applikations- und Softwareentwicklung. Seit 2020 hat er die Funktion des CTO inne.

Roboterbauer mit weltweiter Beschaffung

Gibt es Technologien, die Sie verstärkt zukaufen? Schließlich hat auch der Roboter immer mehr Elektronik und Sensorik.

Mayer: In der Elektronik holen wir das Know-how eher ins eigene Haus, designen selbst und arbeiten mit globalen Fertigern.

Cevik: Bei den mechanischen Bauteilen, etwa den Getrieben, haben sich hingegen die Möglichkeiten am Weltmarkt verbessert und wir haben mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit und für Innovationen, von denen wir partizipieren. Nicht alles ist so reif, dass man es schon im Produkt einsetzen kann, aber diese Pflänzchen begleiten wir global und beobachten die Entwicklung.

Trotzdem gibt es besonders seit der Pandemie vermehrt Stimmen, wieder mehr lokal zu sourcen …

Cevik: Die Globalisierung eröffnet uns überhaupt erst die Chance, uns mit der Welt zu messen. Sobald Wettbewerber von ihrem lokal günstigen Markt profitieren, wie wollen Sie konkurrieren, wenn Sie diese Möglichkeiten nicht nutzen? Diesbezüglich hat sich für Kuka die Welt in den letzten Jahren enorm verändert. Bis vor zehn Jahren haben wir selbst im Einkauf kaum Bedarf gehabt, Englisch zu sprechen. Heute sind internationale Verhandlungen und Verträge selbstverständlich. Auch die globale Logistik braucht Experten. Es ist nicht mehr nur der eine Lkw, der uns beliefert, sondern es sind Schiffe, die wir verfolgen, ob sie den Hafen rechtzeitig erreicht haben. Dem können wir uns aber nicht mehr entziehen. Die Vorteile überwiegen.

Wie scouten Sie den weltweiten Markt, nutzen Sie digitale Lösungen?

Cevik: Auf jeden Fall. Mit sehr positivem Ergebnis. Oft sind wir der KI sogar einen Schritt voraus, weil wir uns intensiv mit der Materie beschäftigen. Aber bei einer neuen Technologie, bei neuen Lieferanten, gibt es innovative, digitale Lösungen, die für uns sehr interessant sind.

Mayer: Es ist uns aber auch wichtig, mit Lieferanten lange zusammenzuarbeiten. Erst dann entsteht eine Atmosphäre der Offenheit, in der Lieferanten Ideen mit uns teilen, uns die Möglichkeit geben, mitzugestalten und diese für uns nutzbarer zu machen. Hinzu kommen Start-ups. Das muss man aber einordnen. Hier geht es oft um eine Technologie- und weniger um eine Produktentwicklung. Der Weg ist länger. Nicht alle Projekte sind erfolgreich, aber aus einigen lässt sich wirklich etwas machen.

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So reagiert Kuka auf das Lieferkettengesetz

Führt ihre globale Suche dazu, dass Sie verstärkt neue Partner ins Boot holen?

Cevik: Absolut. Aber wir haben auch global sehr langjährige Partnerschaften, speziell in Japan Lieferanten, mit denen wir seit über 20 Jahren zusammenarbeiten. Parallel schaffen wir eine Basis für neue Partner. Wir sind bei Audits dabei und schauen uns die Lieferanten sehr genau an. Besonders soziale Aspekte wie Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz, der Ausschluss von Kinderarbeit und ökologische Aspekte sind für Kuka sehr wichtig.

Demnächst steht das Lieferkettengesetz vor der Tür. Welchen Einfluss nehmen Sie auf die Stufen Ihrer Lieferkette?

Cevik: Konfliktmineralien sind im Elektronikumfeld ein großes Thema. Hinzu kommen ökologische Fragen. Dies alles bringen wir in die Tier-N-Stufen ein. Das heißt, wir wollen vom Lieferanten einen Nachweis, woher er etwa sein Gold bezieht. Gleiches gilt für Chemikalien. Wir kennen unsere Materialien und wissen, welche Chemikalien, welche Mineralien oder Metalle darin vorkommen.

Mayer: Dennoch würde ich mir hier weniger Handarbeit wünschen, Systeme, die das komfortabler unterstützen sowie bessere Daten von den Lieferanten. Die Antworten sind heute leider noch nicht alle auf Knopfdruck zu erzeugen. Die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen ist für Kuka eine Selbstverständlichkeit und passt absolut zu unseren Wertvorstellungen, aber das alles produziert noch sehr viel Aufwand.

2020 war nicht einfach. 2021 bleibt herausfordernd. Welche Ziele verfolgen Sie?

Mayer: Wir wollen nicht nur für unsere Automobilkunden da sein, sondern für viele andere Branchen auch. Dabei in der Breite das richtige Angebot in den Produkten zu haben, ist in der nahen Zukunft wichtig, nicht nur was die Robotersysteme angeht, sondern auch Softwarelösungen und digitale Produkte, um Dienstleistungen über digitale Funktionen abzubilden. Hinzu kommt die Mensch-Roboter-Zusammenarbeit. Perspektivisch geht es nicht nur um Anwendungen in der Industrie, sondern auch um professionelle Service-Robotic.

Das heißt, Sie rücken noch näher an den Menschen ran?

Meyer: In diese Richtung wird es definitiv gehen.

Der Kuka-Roboter als Dienstleister?

Mayer: Das ist eine Perspektive, auf jeden Fall. Wir sind ja bereits Zulieferer im Medizinbereich. Und es gibt, wenn man über professionelle Servicerobotic spricht, weitere Anwendungsfelder, etwa im Supermarkt oder in der Reha, die wir uns sehr gut vorstellen können. Aber wir bleiben im Profibereich. Haushaltsroboter haben wir weniger im Sinn.

Und im Einkauf?

Cevik: Uns treiben aktuell zwei Themen. Zum einen gibt es unsere zentrale Entwicklung in Augsburg. Ein Ebenbild ist jetzt in China entstanden und wir als globaler, strategischer Einkauf sind für beide Standorte zuständig. Zudem müssen wir die eben aufgezählten künftigen, neuen Technologiefelder begleiten, für Lösungen sorgen und hierfür unseren Lieferantenstamm entsprechend erweitern.

Das Unternehmen: Kuka

Kuka ist ein international tätiger Automatisierungskonzern mit einem Umsatz von rund 3,2 Milliarden Euro und rund 14.000 Mitarbeitern. Als einer der weltweit führenden Anbieter von intelligenten Automatisierungslösungen bietet das Unternehmen den Kunden alles aus einer Hand: vom Roboter über die Zelle bis hin zur vollautomatisierten Anlage und deren Vernetzung in Märkten wie Automotive, Electronics, General Industry, Consumer Goods, E-Commerce/Retail und Healthcare. Der Hauptsitz des Roboterbauers ist Augsburg.

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