Berechnungen auf Papier liegen auf einem Tisch zwischen einem Stift und einem Taschenrechner

Wie lassen sich Preis und Wert eines Produktes berechnen? Performance Pricing kann helfen. (Bild: Zerbor - stock.adobe.com)

Mit nur einem Satz offenbart der Einkäufer seine ganze Hilflosigkeit: „Da muss doch noch etwas drin sein.“

Mit einem Mehr an Wissen über die Korrelation von Preis und technischer Wertigkeit könnte er besser verhandeln. Aber so bleibt sogar im Fall von Preiszugeständnissen im Dunklen, ob er am Ende nicht doch zu viel bezahlt. Auch heute noch macht oft der billigste Bieter das Rennen, egal was in seinen Teilen drinsteckt.

Das ist die einfachste Lösung. Hinsichtlich vorprogrammierter Qualitätsprobleme ist sie wahrscheinlich die teuerste. Wie können Einkäufer herausfinden, welcher Preis angemessen ist?

Vom Bottom-up zum Top-down-Ansatz

Gründliche Analysen wie die Kostenstrukturanalyse (True-Cost-Analysis) oder die Schattenkalkulation – auch „Bottom-up“ Verfahren genannt - sind sehr aufwendig und teuer. Die Kalkulation beinhaltet die Herstellungskosten für jeden Fertigungsschritt, für Material, Arbeitsstunden, Energie etc.

Die Genauigkeit einer solchen Strukturkostenanalyse steht und fällt zudem damit, wie korrekt und aktuell die erhobenen Daten sind. Mit dem „Top-down“-Ansatz des Performance Pricing gewinnt der Einkäufer die für ihn entscheidenden Erkenntnisse auf wesentlich einfachere Weise.

Es kommt eine statistisch-mathematische Methode zum Einsatz: die Regressionsanalyse. Sie wurde von McKinsey erstmals im Jahr 1994 eingesetzt.

Linear Performance Pricing (LPP)

Das Prinzip ist einfach. Es lässt sich mit einer Excel-Berechnung erklären, deren händische Umsetzung – dies vorausgeschickt – allerdings schnell an Grenzen stößt.

In einem Punktediagramm lässt sich die Korrelation zwischen einem Wertetreiber, etwa dem Gewicht oder Wandstärke, und dem Preis auf einfache Weise darstellen. Die Daten mehrerer Lieferanten ergeben eine Punktwolke, durch die eine „Durchschnittslinie“ gezogen wird.

Durch Überlagerung der einzelnen Graphen – spätesten hier ist eine professionelle Software erforderlich – wird sichtbar, welchen Einfluss die selektierten Wertetreiber auf die Produktkosten haben.

Die Abweichungen oberhalb dieser Linearen – die Ausreißer – zeigen das statistische Potenzial auf, welches es zu überprüfen und nach Erhärtung in der Verhandlung mit dem jeweiligen Lieferanten zu heben gilt. Es kann aber auch angezeigt werden, wie sich Veränderungen am Produkt, etwa eine geringere Wandstärke, auf den Preis auswirken könnten.

Aufgrund des linearen Bezugs zwischen Preis und Leistung wird die Methode Linear Performance Pricing, kurz LPP, genannt.

Schaubild, wie das LPP-Modell funktioniert: Die Software ermittelt die Korrelation von Preis und unterschiedlichen Wertefaktoren um eine Durchschnittslinie herum
Der Preis eines Produktes hängt von mehreren Werten ab. Diese gewichtet die Software. Anschließend zeigt sich, welches Produkt preislich über oder auch unter seinem Wert landet. (Grafik: VDI 2817, Blatt 1)

Warum bei LPP ein Dreisatz nicht (mehr) reicht

In den Anfängen der Regressionsanalyse erfolgten die Berechnungen anhand nur eines Produktmerkmals. Es wäre also mit simplen Dreisatz-Rechnungen getan gewesen. Mit den mittels großer Charts präsentierten Benchmarks ließen sich allerdings die Lieferanten in den Preisverhandlungen gut unter Druck setzen.

Meistens haben Teile oder Teilegruppen aber nicht nur einen Wertetreiber. Bauform, Kapazität, Volumen, Spannung - all diese Faktoren können einen Preis mehr oder weniger stark beeinflussen. Die Daten mehrerer Anbieter ergäben eine große Punktewolke.

„Um mehrere oder viele Wertetreiber in Korrelation untereinander in einer Preisformel abzubilden, bedarf es komplexer mathematische Berechnungen“, so Oliver Soltau, Leiter Controlling/Reporting der Finder GmbH, eines Spezialisten für Schalt-, Steuerungs- und Messtechnik.

Soltau ist stellvertretender Vorsitzender des Richtlinienausschusses „Performance-Pricing“ beim VDI. Mit der im Jahr 2018 veröffentlichten VDI-Richtlinie 2817, Blatt 1 gehört die Methode nun mehr zum industriellen Standard.

Warum eine Software den besseren Job macht

In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut und in mehrjähriger Weiterentwicklung entstand mit „Analycess“ eine von der Firma Processbench angebotene Software, welche alle komplexen Berechnungen durchführt und dem Benutzer ein leicht zu bedienendes Werkzeug anhand gibt.

„In einem Durchgang können viele Datenpunkte recht schnell statistisch analysiert werden. Man ist nicht mehr auf bloße Vermutungen darüber angewiesen, welches die Kostentreiber eines Produkts sein könnten. Identifizierte Ausreißer können dann bei Bedarf über die Strukturkostenanalyse genauer untersucht und das berechnete Kostenmodell somit kalibriert werden“, sagt Soltau.

Es sei allerdings sinnvoll, bei der Implementierung von Performance Pricing eine professionelle Starthilfe zu nutzen. Die für eine externe Beratung investierten Kosten zahlten sich in der Regel immer durch eine steilere Lernkurve und effizientere Implementierung nebst belastbaren ermittelten Potenzialen aus.

Was besagt die VDI-Richtlinie „Performance Pricing (PP)“?

Vom Bedarf zum Experiment, von der Praxis zur Routine - so lässt sich Entwicklung von Performance Pricing in den letzten rund 25 Jahren beschreiben.

„Inzwischen wenden viele Unternehmen die Methode zur statistischen Preis-Wert-Analyse im Einkauf und der einkaufsnahen Entwicklung an, allerdings sehr firmenspezifisch. Dies erschwert die firmenübergreifende Akzeptanz, zum Beispiel in Verhandlungen“, weiß Oliver Soltau.

Mit der VDI 2817 sei es gelungen, die Methodik auf wissenschaftliche Fundamente zu stellen. Die Richtlinie beschreibt ein in der industriellen Praxis bewährtes siebenstufiges Vorgehensmodell, das alle Schritte von der Auswahl der zu analysierenden Produktgruppe bis zur Abschätzung des Potenzials beinhalte.

1. Auswahl der zu untersuchenden Produkte und Dienstleistungen

2. Identifikation und Diskussion der Wertetreiber

3. Datensammlung und Verifizierung

4. Erstellung eines statistischen Modells

5. statistische Validierung des Modells

6. Evaluierung des Modells

7. Auswertung und Festlegung von Maßnahmen

Ein neues Richtlinien-Blatt (2) ist in Arbeit. Es soll den Anwendern Beispiele aus bereits erfolgreich erzeugten Kostenmodellen vorstellen.

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Non lineares Performance Pricing (NLPP)

Inzwischen arbeiten Unternehmen, aber auch Beratungsgesellschaften und Softwareschmieden an Weiterentwicklungen und Perfektionierungen von Möglichkeiten, Zielpreise zu ermitteln.

Eine exponierte Rolle spielt dabei das Softwareunternehmen Saphirion AG mit Sitz in Zug/Schweiz, das die Windows-basierte Anwendung NLPP (Non Linear Performance Pricing) entwickelt hat. Diese geht von der Grundannahme aus, dass sich Preise nicht immer linear entwickeln, was vor allem auf die Korrelation der Merkmale zueinander zurückgeführt wird.

„Die Information, ob ein Merkmal zum Preis linear oder nicht-linear korreliert, versteckt sich in den Daten. Die hohe Kunst ist es, die Art der Korrelation zur erkennen“, so Geschäftsführer Robert M. Münch.

„Die Software prüft automatisch anhand von Algorithmen, welches von insgesamt sechs Verfahren - linear oder non-linear - den Zusammenhang zwischen Produkteigenschaften und Preis am besten widerspiegelt und somit die höchste Aussagekraft hat.“

Daraus ergeben sich drei Zielpreis-Korridore:

  • zu teuer
  • Benchmark
  • bester Preis.

Wie kann Performance Pricing Einkäufern helfen?

Als Waffe, mit der Lieferanten bei Preisverhandlungen in die Knie gezwungen und auf einen Preis X festgelegt werden, sollte Performance Pricing nicht verstanden werden.

Der kluge Einkäufer erkennt in den statistischen Auswertungen vielmehr die Potenziale für Kostensenkungen. Gemeinsam mit dem Lieferanten klärt er sodann, wie Kosten ohne Qualitätsverlust reduziert werden können.

„Eine lineare Leistungspreisermittlung kann dazu beitragen, Geschäftsbeziehungen zu schützen – schließlich ist das Verfahren um ein Vielfaches transparenter und erheblich marktnäher als Zielpreis-Feststellungen nach dem noch immer verbreiteten Muster 'Vorjahrespreis minus drei Prozent'“, so Jaymin Patel, Senior Project Manager und Experte für Kostenoptimierungsmodelle bei Inverto, der auf Einkauf und Supply Chain Management spezialisierten Tochter der Boston Consulting Group.

Damit eigne sich das Verfahren besonders für Unternehmen, denen nachhaltiges Wirtschaften und ein partnerschaftlicher Umgang mit Lieferanten ein Anliegen sei.

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