Michael Stietz (Einkauf & Operations, links) und Stephan Odenthal (Forschung & Entwicklung, rechts)

Klimaziele und digitale Transformation der Lieferketten brauchen den intensiven Austausch von Einkauf und Produktdesign. Michael Stietz (Einkauf & Operations, links) und Stephan Odenthal (Forschung & Entwicklung, rechts) erklären, wie sie bei Körber Ökodesign und nachhaltige Vergaben fördern. (Bild: Eva Photo)

Die Klimaziele und die Transformation der Lieferketten brauchen einen intensiven Austausch von Einkauf und Produktdesign. Michael Stietz (Einkauf & Operations) und Stephan Odenthal (Forschung & Entwicklung) erklären, wie sie bei Körber Ökodesign und nachhaltige Vergaben fördern. Auch in die Supply-Planung soll die Technik integriert werden.

TECHNIK+EINKAUF: Herr Odenthal, der Geschäftsbereich Inspection des Körber-Geschäftsfelds Pharma liefert Maschinen für Inspektion, Handling und Verpackung für die (bio)pharmazeutische Industrie. Wo liegen die Schnittstellen der Konstruktion zum Einkauf?

Odenthal: Der Geschäftsbereich ist ein Solution Provider, kein Serienhersteller. Unsere Produkte entstehen aus einem modularen Baukasten mit einem wechselnd hohen Engineering-Anteil je nach Kundenanforderungen. All das hat Einfluss auf die Einkaufsaktivitäten. Der Bereich Engineering Services, den ich ebenfalls verantworte, kümmert sich parallel um Target Costing, Fertigungskalkulation, technische Arbeitsvorbereitung und Lieferantenmanagement. Auch dort haben wir eine Verbindung mit Operations, Disposition und Einkauf.

Für den Konzern leite ich außerdem einen Think Tank, über den es ebenfalls Kollaborationsprojekte mit dem Einkauf gibt. Die Synergien bei den externen Innovationen für das globale Körber-Netzwerk zu heben ist für alle viel wert.

Herr Stietz, Körber hat sehr unterschiedliche Geschäftsfelder. Wie entwickelt sich das Netzwerk aus Sicht des Einkaufs?

Stietz: Körber hat eine zu 50 Prozent externe Wertschöpfung, die maßgeblich durch die Technik beeinflusst wird. Für einen Technologiekonzern ist die Innovationskraft ausschlaggebend. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren sehr konsequent an der Zusammenarbeit zwischen R&D und Einkauf gearbeitet und den Einkauf in ein Supply Chain Management entwickelt.

Wir denken im Netzwerk, das haben wir auf allen Ebenen massiv intensiviert, über die Aktivitäten im erwähnten Think Tank, über Arbeitsgruppen und in dem wir an allen Entwicklungsstandorten ein „Advanced Purchasing“ eingeführt haben. Dabei schauen Einkauf und R&D von Stunde null gemeinsam nach der besten Lösung für die Kundenanforderungen. Die Parameter, die wir dabei berücksichtigen müssen, nehmen zu, die Entscheidungen werden komplexer. Umso wichtiger ist es, dass wir im Team entscheiden.

Wie sieht Ihre Abstimmung konkret aus?

Odenthal: Wenn wir neue Kundenanforderungen bekommen, denken wir direkt an die Supply Chain. Die Fragestellung nimmt zu, weil wir als Solution Provider ganze Gewerke und Einheiten zukaufen. Ohne diese Prozessbrücke könnten wir solche Aufträge gar nicht ausführen beziehungsweise weil wir so vorgehen, hat sich unser Geschäft in den letzten Jahren signifikant zum Positiven verändert.

Sie denken die Lieferkette von Anfang an mit, welche Rolle spielen Kosten und Nachhaltigkeit?

Odenthal: Wir haben Fertigungsspezialisten, die die Konstrukteure beraten, wie man Teile kostengünstig und wiederverwendbar im Sinne der Modularität designen kann. Value Engineering und Nachhaltigkeit gehen beide tief ins Produktdesign und haben Wechselbeziehungen. Wenn ich Kosten optimiere, optimiere ich oft auch die Nachhaltigkeit von Bauteilen und auch andersherum.

Michael Stietz im Portrait
(Bild: Evaphoto)

Vita Michael Stietz

Michael Stietz ist seit Juli 2023 Executive Vice President Operations innerhalb des Körber-Geschäftsfelds Technologies. Zuvor leitete er als CPO den globalen Einkauf sowie das Supply Chain Management der Körber AG. Seine berufliche Karriere startete der Bau- und Wirtschaftsingenieur bei Bilfinger SE in Mannheim.

Kosten und Nachhaltigkeit sind nicht immer konkurrierenden Ziele?

Odenthal: Nicht unbedingt. Ein Teil, das ich nicht brauche, muss ich weder bezahlen, noch hat es einen CO2-Fußabdruck. Ähnlich sieht es mit Teilen aus, für die ich kleinere Halbzeuge (Produkte aus Rohmaterialien in einfachster Form wie Bleche oder Stangen) nutze. Auch diese kosten weniger und ich muss weniger transportieren. Ein elementarer Faktor im Ökodesign ist die Supply Chain, also der Transport.

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Odenthal: Nehmen wir eine Metallplatte. Die Platten gibt es als 30er, 40er oder 50er Halbzeug. Konstruiert die Technik eine 31 Millimeter dicke Platte, kaufen und transportieren wir eine 40er-Platte, fräsen neun Millimeter weg und haben am Ende die gewünschten 31 Millimeter. Ich verbrauche also ungleich mehr Material, das ich bezahlen und transportieren muss, als wenn ich mit einer Stärke von 29 Millimetern plane. Wir müssen die Kosten für die Supply Chain und die Nachhaltigkeit in dem Moment beeinflussen, in dem der Konstrukteur das Bauteil plant. Der Hebel sitzt am Anfang.

Inwiefern nutzen Sie dieses Wissen bereits?

Odenthal: Wir arbeiten konzernweit an Mechanismen, an Tools, die dem Konstrukteur im Designprozess Feedback geben, was ein Bauteil kostet, welcher CO2-Output damit verbunden ist und wie sich Kosten und Emissionen verändern, wenn er das Design anpasst. Im nächsten Schritt kommt der Einkauf ins Spiel, der dafür sorgt, dass wir die optimierten Bauteile möglichst regional einkaufen und nicht um die halbe Welt fliegen müssen.

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Welche Anforderungen stellt das nachhaltige Setting an den Einkauf?

Stietz: Den Einkauf betreffen die CO2-Emissionen über den Scope 3.1 sehr stark. Hier steht die ganze Zulieferindustrie am Beginn einer Transformation. Wenn ich einen Wunsch in Richtung Zulieferer habe, dann lautet der: Wenn ich für ein Produkt oder ein Bauteil einen Preis bekomme, dann möchte ich auch den CO2-Footprint dieses Produktes sehen und idealerweise die Veränderung dazu zum Vorjahr. Oder ein Alternativprodukt mit der Information, ob dieses Bauteil mehr oder weniger CO2 emittiert. Hier stehen die Firmen noch am Anfang. Aber das Thema schlägt überall auf. Wenn wir mit unseren Lieferanten sprechen, sehen wir keinerlei Unverständnis, alle haben das mehr oder weniger auf der Agenda.

Wie sehen die Klima- und Nachhaltigkeitsziele von Körber aus?

Stietz: Für Scope 1 und 2 wollen wir 2025 CO2-neutral sein, gleiches gilt für ausgewählte Emissionskategorien in Scope 3. Die Transformation ist ein integraler Bestandteil der Unternehmens- und Funktionsstrate­gien. Es geht genauso um die Frage eines nachhaltigen Produktdesigns wie um Vergabeentscheidungen.

  • Wie stelle ich mein Lieferantenportfolio auf?
  • Wo kaufen wir ein?
  • Wie sehen unsere Supply Chains künftig aus?
Stephan Odenthal im Portrait
(Bild: Evaphoto)

Vita Stephan Odenthal

Stephan Odenthal ist Leiter der Kons­truktion und des Engineering Services (u.a. Fertigungsoptimierung, Target Costing, technisches Produktmanagement) im Körber-Geschäftsfeld Pharma, Geschäftsbereich Inspection in Markt Schwaben und moderiert für Körber den Think Tank Product Design. Der Maschinenbauingenieur ist seit 1999 tätig.

Schulen Sie Ihre Konstruktion im Ökodesign?

Odenthal: Ja, das tun wir. Nachhaltigkeit muss man grundlegend verstehen. Zum Beispiel, wie sich bei einem Bauteil der CO2-Fußabdruck berechnet, welche Einflussgrößen es gibt.

  • Wir haben in Workshops Bauteile nach Operationsschritten und Lieferketten berechnet, damit die Kolleginnen und Kollegen ein Gefühl dafür bekommen, was ist ein Kilogramm CO2, was steht dahinter?
  • Welchen Einfluss hat das Rohmaterial, gerechnet ab der Miene, welchen die Fertigung?
  • Welchen Einfluss hat der Transport, welchen die Transportmöglichkeiten?

Viele Fachleute reden im Zusammenhang mit dem Downstream vor allem über die Nutzungsphase, aber die ist manchmal gewissermaßen eher der ‚Junior­partner‘ im Abgleich mit den Implikationen eines Transports, zum Beispiel wenn eine Maschine über eine weite Strecke im Flugzeug transportiert wird. Diese Zusammenhänge zu verstehen, halte ich für sehr wichtig.

Der Einkauf ist schon immer ein Treiber für Alternativen, früher aus Kostengründen, nun auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. Welche Spielräume haben Sie?

Stietz: Nachhaltigkeit spielt bei Körber in allen Prozessschritten des Einkaufs eine Rolle. Das beginnt mit der Lieferantenqualifizierung, bei der wir fragen, gibt es einen ‚Corporate Carbon Footprint‘ oder ist der Lieferant bereits in der Lage, Produkt- und Carbon-Footprints zu berechnen. Wenn ja, mit welcher Methodik und für welche Bauteile?

Die Klimaziele sind im Lieferanten-Lifecycle-Management fest etabliert, von der Qualifizierung über die Bewertung bis zur Auftragsvergabe. Bei manchen Vergaben hat die Gewichtung des CO2-Fußabdrucks mittlerweile die des Materialpreises erreicht.

Wir arbeiten uns heran und versuchen, das Netzwerk zusammenzuführen. Die Verantwortung startet bei uns und geht über alles, was wir in unserem täglichen Handeln und Tun beeinflussen können. Der Kunde sollte dann idealerweise unsere Maschinen und Produkte zum Beispiel mit grünem Strom betreiben und wir müssen dafür sorgen, dass diese für den Transport aus Termingründen nicht im Flugzeug landen.

Wie wichtig sind Maßnahmen zur Lieferantentwicklung?

Stietz: Unser Lieferantenqualitätsmanagement ist auch für die nachhaltige Transformation unser wichtigster Einflussfaktor. Die Lieferantenstruktur ist zweigeteilt. Auf der einen Seite die Großkonzerne. Dort ist das Thema CO2 omnipräsent und ich muss mich nicht über Grundlagen austauschen. Auf der anderen Seite der kleinere Mittelstand. Dort geht es darum, mit den Inhabern zu sprechen, Aufmerksamkeit zu schaffen, Hilfe anzubieten.

Die Unterstützung ist wichtig?

Stietz: Auf jeden Fall! End-to-End bedeutet, dass wir End-to-End miteinander reden, um an gewissen Fragestellungen gemeinsam zu arbeiten. So wie unsere Kunden mit uns diskutieren, genauso tun wir das sehr konkret mit unseren Lieferanten.

Seit wann diskutieren Sie Klimafragen?

Stietz: Den Dialog haben wir vor anderthalb Jahren noch einmal intensiviert. Das wird ein gemeinsamer Weg über viele Jahre, das passiert nicht von jetzt auf gleich. Was sich klar verändert hat, ist die Gewichtung: Neben Qualität, Timing, Innovation und Preis ist Nachhaltigkeit das entscheidende Vergabekriterium.

Körber hat über 10 000 Lieferanten. Wie gut kennen Sie Ihr Liefernetzwerk?

Stietz: Ausgabentransparenz ist der Startpunkt für alle Strategien und Entscheidungen. Wir wissen im Konzern über alle Einheiten tagesaktuell sehr genau, wer was bei wem, wann und wo einkauft. Unsere globale Einkaufsgemeinschaft mit mehreren 100 Kolleginnen und Kollegen arbeitet in einer einheitlichen Systemlandschaft, an die alle Lieferanten angeschlossen sind. Alle Stammdaten, alle Informationen inklusive aller Zertifikate sind dort hinterlegt. Wir schicken keine E-Mails und PDFs mehr hin und her. Unsere Einkäufer in Kuala Lumpur haben genau den gleichen Blick auf die Daten wie die Kolleginnen und Kollegen in Markt Schwaben oder in Dallas. Diese Transparenz ist das Resultat der konstanten Umsetzung einer Digitalstrategie, der wir seit Jahren mit Investitionen gefolgt sind.

Hat die Transparenz in der Lieferkrise geholfen?

Stietz: Absolut! Jede Geschäftseinheit hat ihre Lieferantenbasis, aber es gibt Schnittmengen. Dort beginnt die Kollaboration, hier können wir Synergien heben und flexibel agieren. Insbesondere im A-Segment ging es um Risikominimierung, Flexibilisierung, Alternativen und reduzierte Abhängigkeiten, um handlungsfähig und reak­tionsfähig zu bleiben.

Das Unternehmen: Körber

Körber ist ein international führender Technologiekonzern mit rund 13.000 Mitarbeitenden und mehr als 100 Standorten weltweit. Die Körber AG führt den Konzern mit seinen fünf Geschäftsfeldern Digital, Pharma, Supply Chain, Technologies und Tissue.

Wird es aufgrund der Erfahrungen mehr Dual- oder Multisourcing geben?

Stietz: Entscheidend ist, dass wir wissen, wo starke Abhängigkeiten bestehen. Es gibt Kunden und Vorgaben, für die gibt es nur diese eine technische Lösung. Dann gehen wir den Weg der Single Source bewusst und gestalten die Lieferantenbeziehung entsprechend. Für mich ist das eine Frage des Portfoliomanagements. Wer ist C-Lieferant, wer B-Lieferant, wer A-Lieferant, wer ist strategisch und was machen wir mit diesen Lieferanten, wo sind die Flaschenhälse. Das in den Warengruppen zu sortieren, hört nie auf, das ist ein laufender Prozess. Trotz eines Einkaufsvolumens von 1,5 Milliarden Euro sind wir nicht bei allen Lieferanten Top-Kunde. Deshalb gilt es, sich zu kennen, Netzwerke zu haben, über den Einkauf hinaus, mit Kollegen wie Stefan Odenthal, mit Geschäftsführenden, mit Vorständen, um aktiv Portfoliomanagement zu betreiben und zu leben. Genau das hat uns auch in der Lieferkrise geholfen.

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