Prozesse regelmäßig aktualisieren

Um seinen Einkauf erfolgreich zu gestalten, sollten alle Prozesse regelmäßig hinterfragt und angepasst werden. (Bild: AspctStyle - stock.adobe.com)

In vielen Unternehmen macht der indirekte Einkauf einen erheblichen Anteil des Einkaufsvolumens aus, in einigen Fällen sind das bis zu einem Drittel. Indirekte Dienstleistungen und Materialien, vom Reinigungsdienst bis zum Kugelschreiber, werden über die gesamte Unternehmensstruktur hinweg benötigt. Dennoch verliert man sie leicht aus dem Blick, da sie nicht im Wertschöpfungsprozess verarbeitet werden, also keine direkte Wertschöpfung erzielen. Hinzu kommt, dass diese Materialien nur in unregelmäßigen Abständen und eher kleinen Volumina benötigt werden. Daher werden sie bei der Optimierung der Prozesse und der eigentlichen Kosten für die Einkaufsmaterialien oft vernachlässigt.

Dies führt dazu, dass die Prozesse im indirekten Einkauf erfahrungsgemäß wenig standardisiert und digitalisiert sind. Folglich passiert genau das, was Unternehmen eigentlich vermeiden wollen: lange Durchlaufzeiten und hohe Kosten. Entsprechend groß sind die Einsparpotenziale. Abhilfe können moderne digitale Plattformen zur Prozessautomatisierung schaffen. Sie bieten enorme Möglichkeiten zur Optimierung und Kostensenkung beim Kauf von Dienstleistungen, Verbrauchsmaterialien und anderen indirekten Gütern.

Schwachstellen als Potenziale sehen

Den meisten Beschaffungsabteilungen ist bewusst, dass der indirekte Einkauf weniger im Blick ist und dort viel zu verbessern wäre. Auch die Bereitschaft, diese Potenziale durch digital automatisierte Prozesse zu heben, ist vorhanden. Allerdings steckt der Teufel wie so oft im Detail. Ein guter Anfang ist, die entscheidenden Schwachstellen gemeinsam mit allen Beteiligten im Unternehmen zu identifizieren. Dazu gehören:

  1. Abteilungen wie IT und Marketing bestellen Materialien oder Dienstleistungen am Einkauf vorbei, Maverick Buying genannt – was für Einkäufer und Einkäuferinnen wiederum Mehraufwand bedeutet. So kommen auf diesem Wege beispielsweise Rechnungen ohne Bestellbezug ins System. Dies kommt vor allem in Unternehmen vor, in denen es keine klaren Beschaffungsprozesse und Rahmenverträge mit Lieferanten gibt, Mangel an oder Unzufriedenheit mit offiziellen Lieferanten herrscht, wenig Einkaufskompetenz in Fachabteilungen besteht oder bestellende Abteilungen mit dem Einkauf im (Ziel-)Konflikt stehen.
  2. Die Durchlaufzeit, also die Bearbeitungszeit inklusive Liege- und Wartezeiten für einen Bestellvorgang: Während die reine Bearbeitungszeit häufig nur wenige Stunden dauert, nimmt der intensivste Prozessschritt, die Lieferantenauswahl, zum Teil mehrere Wochen in Anspruch. Dies liegt in der Regel daran, dass indirekte Materialien von einer Vielzahl von Lieferanten bezogen werden.
  3. Die manuelle Bearbeitung von Auftragsbestätigungen. Dieser sehr einfache, repetitive Arbeitsschritt dauert noch einmal mehrere Minuten und ist zudem fehleranfällig.

Indirekter Einkauf: Wenig digital und standardisiert

Chart zur Befragung von T.CON über den indirekten Einkauf
Befragung von T.CON unter mehr als 30 Kundenunternehmen, die den Einkauf über ein SAP-ERP-System abbilden, zum Thema indirekter Einkauf (Bild: T.CON)

„Schwachstellen, wie zu 60 Prozent manuell durchgeführte Prozesse, finden wir häufig vor“, so Christoph Schmidt, Professional Lead Materials Management beim Beratungshaus T.CON. „Das führt unter anderem dazu, dass die Prozesskosten pro Bestellung bei über 50 Euro liegen – fast dreimal so hoch wie nötig.“ Grund genug, den indirekten Einkauf zu optimieren. Wirkungsvolle Hebel sind: ein strukturierter und transparenter Prozess, eine durchgängige elektronische Unterstützung, ein hoher Automatisierungsgrad, etwa bei Genehmigungen, Kommunikation zwischen Unternehmen und Lieferanten, und der Datenpflege, sowie eine hohe Standardisierung.

Verbesserungsmöglichkeiten im indirekten Einkauf

Überblick über mögliche Verbesserungen je nach Prozessschritt
Überblick der Prozessoptimierungsschritte: Ein standardisiertes, automatisiertes Vorgehen im indirekten Einkauf macht Beschaffungsprozesse zuverlässiger. (Bild: T.CON)

Bearbeitungszeit halbieren

Oft wird der Strategiewandel im indirekten Einkauf als Aufgabe der IT-Abteilung betrachtet. Diese ist aber für gewöhnlich mit dem Tagesgeschäft überlastet. Abhilfe kann hier eine digitale Plattform zur Prozessautomatisierung schaffen. Sie fasst verschiedene Tools zur Task- und Prozessautomatisierung zusammen. Sie kann Mitarbeitende in den Fachabteilungen von aufwendigen Routineaufgaben befreien und Durchlaufzeiten verkürzen.

Robotic Process Automation (RPA) und Workflows, unter Einbeziehung von KI-Funktionen und Dokumenterkennung, bieten Möglichkeiten, die Arbeit intelligent zu unterstützen. Die digitalen Prozesse können dabei von technikaffinen Key-Usern weitestgehend selbstständig gestaltet werden. Grafische Editoren ermöglichen den Fachexperten die visuelle Implementierung beispielsweise folgender digitaler Prozessschritte:

  • Strukturierte Bestellung auch nicht kategorisierter Materialien mithilfe einfacher und standardisierter E-Formulare.
  • Workflows mit regelbasierten Freigaben über ein Task-Center (auch mobil).
  • Extraktion von Informationen aus unstrukturierten Dokumenten, wie Auftragsbestätigungen und Rechnungen (zum Beispiel im E-Mail-Posteingang), mithilfe von AI Business Services.
  • Die automatisierte Verarbeitung und Verbuchung von Informationen wie Auftragsbestätigung per RPA-Bot.

„Unsere Analysen zeigen, dass sich die Bearbeitungszeit pro Bestellvorgang durch Digitalisierung und Automatisierung auf rund 46 Prozent reduzieren lässt“, sagt Christoph Schmidt. „Die Kosten lassen sich dabei auf etwa 18 Euro senken.“ Diese Produktivitätsgewinne könnten in Zukunft durch weitere Fortschritte, beispielsweise eine verbesserte Erkennung unterschiedlicher Dokumentenarten und -formate, weiter steigen.

„Nur mithilfe einer intelligenten Automatisierung, bei der sich Mensch und System die Arbeit strategisch teilen, können Unternehmen trotz zunehmenden Fachkräftemangels qualitative und stabile Prozesse gewährleisten“, meint Christoph Schmidt.

Soll-Ist-Vergleich von KPIs im indirekten Einkauf - mit und ohne Automatisierung

Soll-Ist-Vergleich von KPIs mit und ohne standardisierten Prozesse
Die Untersuchung von T.CON zeigt: Ein automatisierter indirekter Einkauf bringt in allen Bereichen Einsparungen. (Bild: T.CON)

Automatisierung bringt ‚Quick Wins‘

Die Optimierung des indirekten Einkaufs ist komplex. Fehlender Austausch zwischen den Fachabteilungen, Organisations-Silos und unterschiedliche Anforderungen verteilter Standorte machen das Projekt herausfordernd. Da sich Abläufe, Ziele und Vorgaben von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden, gibt es auch kein Standardvorgehen. Daher ist es ratsam, sich vor Projektbeginn von Experten beraten zu lassen. Sie wissen aus Erfahrung, welche Vorgehensweise sinnvoll ist und wie Automatisierungsprojekte so gelingen, dass sie nicht nur zur kurzfristigen Kostensenkung, sondern zu einer nachhaltigen Wertsteigerung führen.

„Unternehmen sollten den indirekten Einkauf als kritischen Punkt erkennen, bei dem die Automatisierung viele Quick Wins bringt“, so Christoph Schmidt. Zudem: Solche Projekte sind schnell und politisch leicht umsetzbar, da sie keinen strategischen Einfluss auf Produkte haben – den Aufwand für alle Beteiligten aber erheblich reduzieren.

Autorin: Catrin Schreiner

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