Güterverkehr auf der Schiene: Der Hafen Hamburg ist an den größten Rangierbahnhof Deutschlands, Maschen, im Süden angebunden.

Güterverkehr auf der Schiene: Der Hafen Hamburg ist an den größten Rangierbahnhof Deutschlands, Maschen, im Süden angebunden. (Bild: DB InfraGO (Screenshot))

Derzeit laufen fast 19 Prozent des Gütertransports in Deutschland über die Schiene. Auf diesem Niveau bewegt sich der Anteil seit einigen Jahren - mit einem "Ausreißer" nach oben in 2017, als der Anteil kurzfristig knappe 20 Prozent betrug. Um Treibhausemissionen zu sparen, sieht der Masterplan Schienengüterverkehr der Bundesregierung vor, dass künftig mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene kommt. Das hehre Ziel: Bis 2030 soll ein Viertel, also 25 Prozent, der Güter per Bahn transportiert werden.

BDI-Chef Siegfried Russwurm hält das für illusorisch. Er kritisiert, dass Deutschland im Vergleich zum Wachstum der Schieneninfrastruktur in Europa stark hinterherhinkt, der Ausbau hierzulande laufe zu langsam. Er betont, dass das deutsche Schienennetz aktuell nicht genügend Kapazität habe und sowohl überlastet als auch renovierungsbedürftig sei. Zudem bemängelt er die langwierigen Genehmigungs- und Bauverfahren. Ohne eine umfassende und effiziente Sanierung sei das 25-Prozent-Ziel selbst bis 2040 nicht erreichbar.

Die größten Rangierbahnhöfe in Deutschland

Bevor Frachtzüge ihre Zielorte erreichen, müssen ihre Waggons in Güterbahnhöfen, auch Rangierbahnhöfen genannt, zu kompletten Zügen zusammengesetzt werden. In Deutschland gibt es laut Bahnangaben noch rund 170 solcher Bahnhöfe.

In den 1950er-Jahren war die Bundesbahn für den Güterverkehr noch unerlässlich. Jeder noch so kleine Bahnhof besaß eine Güterhalle und Ladegleise. Stückgut konnte an rund 4.000 Bahnhöfen aufgegeben werden. In den 90er-Jahren des 20sten Jahrhunderts verabschiedete sich die Bahn von dieser umfangreichen Versorgung im ländlichen Raum und später auch aus den Ballungsräumen. Heute werden Stückgüter in der Regel nur noch auf der Straße transportiert.

Der größte Rangierbahnhof in Deutschland und Europa befindet sich im Norden Deutschlands. Er erstreckt sich über ein Gebiet von 7 Kilometern Länge und 700 Metern Breite und verfügt über ein Schienennetz von 300 Kilometern. Jährlich verlassen etwa 800.000 Waggons diesen Bahnhof, der eine wichtige Rolle für den größten deutschen Hafen spielt. Ein weiterer bedeutender Rangierbahnhof liegt im Südwesten Deutschlands. Er umfasst ein Gebiet von 200 Hektar mit 240 Kilometern Gleisen und 575 Weichen. Täglich werden dort bis zu 4.000 Güterwaggons bearbeitet, und jährlich starten von hier aus 40.000 Güterzüge. Die größten Güter- bzw. Rangierbahnhöfe - nach Anzahl der Gleise - finden Sie in unserer Bilderstrecke.

Ist der Schienengüterverkehr in den letzten 30 Jahren gewachsen?

In den vergangenen 30 Jahren ist der Güterverkehr kontinuierlich und stark gewachsen – beginnend bei 383,9 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 1991 bis fast 500 Milliarden Tonnenkilometer 2019 - ein Anstieg um rund 70 Prozent. Laut Deutschem Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) spiegelt die Zunahme der Güterverkehrsleistung die steigende internationale Arbeitsteilung mit den daraus entstehenden Lieferketten sowie die Entwicklung der deutschen Wirtschaft insgesamt (Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes) wider.

Das Wachstum der Güterverkehrsleistung insgesamt ist vor allem durch den stark gestiegenen Güterverkehr auf der Straße bedingt. Das ist vor allem den logistischen Anforderungen geschuldet. Dazu zählen zum Beispiel kleinere Sendungsgrößen sowie die flexiblere und zeitgenauere Zustellung von Vorprodukten und Rohstoffen in Verbindung mit insgesamt geringen Logistik- beziehungsweise Transportkosten.

Auch auf der Schiene hat der Güterverkehr um mehr als die Hälfte zugenommen - von 82,2 Milliarden Tonnenkilometern 1991 auf knapp 121 Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 2020. Hier wuchs in den vergangenen beiden Jahrzehnten vor allem der Transport im intermodalen Verkehr zwischen einigen europäischen Seehäfen und den Umschlagterminals innerhalb Deutschlands. In diesem Bereich konnten ebenfalls die Transporte bei der Binnenschifffahrt zunehmen, wohingegen die Transporte von Massengütern – vor allem von Rohstoffen, chemischen Vorprodukten, Zement und Mineralölprodukten – sowohl auf der Schiene als auch bei der Binnenschifffahrt rückläufig sind.

Wie hoch ist der Schienengüterverkehr in Deutschland im Vergleich zur Straße und der Binnenschifffahrt?

Güterverkehr in Deutschland, Vergleich von Schiene, Straße und Binnenschifffahrt in Tonnenkilometer
Umfang des Güterverkehrs in Deutschland: Vergleich von Schiene, Straße und Binnenschifffahrt in Tonnenkilometer. (Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0))

Definition und Unterschiede: Güterbahnhof, Rangierbahnhof, Verschiebebahnhof

Die Übergänge zwischen den Bahnhofsarten sind fließend. Güterbahnhöfe (abgekürzt Gbf) sind die Bahnanlagen, auf denen Güter auf Waggons oder von ihnen abgeladen werden können. Dort findet kein Personenverkehr statt.

Der Rangierbahnhof (abgekürzt Rbf) ist eine Bahnanlage, auf der Güterwagen zu Güterzügen zusammengestellt werden. Die Züge können beispielsweise zu gemischten Güterzügen aus verschiedenen Waggontypen bestehen. Züge mit nur einem Waggontyp heißen Ganzzüge. Der Rangierbahnhof wurde lange auch als Verschiebebahnhof bezeichnet. Heute gibt es nur nach wenige überregionale Zugbildungsbahnhöfe für den Einzelwagenverkehr.

Diese Rangierbahnhöfe bestehen aus Einfahrgruppe, Richtungsgruppe und Ausfahrgruppe. Die Richtungsgruppe hat die größte Anzahl von Gleisen. Zwischen Einfahr- und Richtungsgruppe liegt in der Regel ein Ablaufberg. Dort werden die eingefahrenen Güterzüge zerlegt und die Waggons rollen in die Richtungsgleise - allein durch die Schwerkraft .

Den überregionalen Zugbildungsbahnhöfen sind regionale Knotenbahnhöfe angegliedert. So ist der lange Zeit größte Rangierbahnhof Europas in Hamm (Westf.) heute als regionaler Knotenbahnhof dem Rangierbahnhof Hagen-Vorhalle angegliedert. Am Rhein haben die ehemals wichtigen Güterbahnhöfe Koblenz-Lützel und Bingerbrück ihre Bedeutung verloren und wurden teilweise zurückgebaut. Dieses Schicksal teilt der Rangierbahnhof in Löhne (Westf.) mit ihnen. Der früher größte Rangierbahnhof in Ostwestfalen ist heute ein Biotop.

Was zählt zum inländischen Güterverkehr?

Der Güterverkehr auf der Schiene unterteilt sich, je nach Start und Zielort: Inlands-Schienengüterverkehr findet von allen in Deutschland zugelassenen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Binnenverkehr mit Start und Ziel in Deutschland statt. Im- und Exportverkehr ist jener mit Start- oder Ziel im Ausland. Das heißt, hier ist nur der Teil auf dem deutschen Schienennetz mitgerechnet.

Auch der Transitverkehr mit Start- und Ziel im Ausland wird nur teilweise auf dem deutschen Schienennetz mitgerechnet. Nicht berücksichtigt in der Güterverkehrsstatistik werden Transporte innerhalb von Schienennetzen von Werksbahnen, zum Beispiel Bahnen in Tagebauen, in Häfen und innerhalb von großen Industriebetrieben. 2020 wurden rund 121 Milliarden Tonnenkilometer zurückgelegt. Vor Corona im Jahr 2019 waren es sogar 129,2 Milliarden Tonnenkilometer.

Wie hoch ist der CO2-Ausstoß des Güterverkehrs auf der Schiene?

CO2-Ausstoß des Schienengüterverkehrs, Vergleich der CO2-Äquivalente von Güterverkehr auf der Straße, auf der Schiene und per Binnenschiff.
Vergleich des CO2-Ausstoßes des Güterverkehrs auf der Straße, auf der Schiene und per Binnenschiff, gemessen in CO2-Äquivalenten. (Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0))

Die DLR hat die Umweltauswirkungen des Güterverkehrs ermittelt, maßgeblich dafür sind CO2-Äquivalente. Diese Maßeinheit vereinheitlicht die Darstellung der Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid, Methan und Distickstoffmonoxid. Danach betrugen die CO2-Äquivalente im Jahr 2020 im gesamten Güterverkehr Deutschlands 58,1 Millionen Tonnen - ein Anstieg in den vergangenen 30 Jahren um etwa 60 Prozent von 41,42 Millionen Tonnen 1991. Getrieben wurde der Anstieg vor allem vom Güterverkehr auf der Straße mit einem Anteil von 97,5 Prozent. Auf den Schienengüterverkehr entfallen magere 0,26 Prozent.

Welche Probleme hat der Güterverkehr im deutschen Schienennetz?

Um die Verkehrswende inklusive der gesteckten Klimaziele zu erreichen, sollen mehr Güter statt auf der Straße auf der Schiene transportiert werden. Bis 2030 soll der Schienenanteil am gesamten Güterverkehrsaufkommen von derzeit etwa 18 auf 25 Prozent wachsen. Ein fernes Ziel, denn das würde bedeuten, dass die transportierte Gütermenge auf der Schiene rasant ansteigen muss: Bei gleichbleibender Gütermenge wären es mehr als 30 Prozent in den kommenden acht Jahren. Geht man von einem weiterwachsendem Güteraufkommen aus, wären es  um über 50 Prozent im Vergleich zu heute.

Probleme sind jedoch sowohl ein altes und überlastetes Schienennetz als auch eine Infrastruktur, die heutigen Bedürfnissen nicht mehr gerecht wird. Beispielsweise sind Häfen auf vorgelagerte Güterbahnhöfe angewiesen. Diese können zum Teil aber keine Züge abfertigen die länger sind als 620 Meter. Das sind 120 Meter weniger als der europäische Standard. Jeder Waggon weniger wirkt sich wiederum auf die Wirtschaftlichkeit von Güterzügen aus.

Darüber hinaus teilen sich Personen- und Güterverkehr dieselben Schienen und der Personenverkehr soll sich bis 2023 verdoppeln - so sieht es zumindest der aktuelle Koalitionsvertrag vor. Hinzu kommt: Auf einigen zweigleisigen Abschnitten können Züge nicht von einem aufs andere Gleis wechseln, weil Weichen aus Kostengründen ausgebaut wurden, so Peter Westenberger vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen. So kommt es immer wieder zu Staus auf der Schiene, wenn ein Zug einen anderen überholen muss.

Der Verband Allianz pro Schiene rechnet damit, dass bundesweit mehrere hundert Schienenkilometer neu gebaut werden müssen.

Warum ist der grenzüberschreitende Güterverkehr auf der Schiene so schwierig?

Zum Vergleich: Ein Fünftel des europäischen Frachtverkehrs läuft über Schienen. Doch wer Güter per Bahn über mehrere Grenzen schickt, sieht sich mit einem besonderen Problem konfroniert: An jedem Grenzübergang müssen die Wagen an ein jeweils nationales Einsenbahnverkehrsunternehmen (EVU) übergeben werden - inklusive neuer Lok und neuem Lokführer. Das liegt zum einen daran, dass Loks in jedem einzelnen Land, durch das sie fahren, eine separate Zulassung benötigen. Zudem müssen Lokführer die Sprache des jeweiligen Landes sprechen - mindestens auf dem Niveau B1, denn die jeweils nationalen Infrastrukturbetreiber sprechen ausschließlich ihre nationale Sprache. Eine einheitliche Sprache, etwa Englisch wie in der Luftfahrt - hat sich nicht durchgesetzt. Der Güterverkehr auf der Straße hat es auch deshalb so leicht, weil solche Sprachkenntnisse oder gesonderte Zertifizierungen von Lkw nicht notwendig sind.

Der dritte Grund für den Aufwand an den Grenzen liegt im deutschen Bahnnetz selbst. Denn selbst, wenn der Lokführer ein Sprachtalent ist und die Lok die nötige Zulassung hätte, sind die Grenzübergänge selbst nicht elektrifiziert. Das heißt für E-Loks: Sie fahren bis zur Grenze, eine Diesellok zieht den Zug über die Grenze, wo der Zug dann wieder elektrisch weiterfahren könnte. Es braucht also auf jeden Fall einen zwischengeschalteten Akteur.

Müssen Güterzüge Maut zahlen?

Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen für jeden Meter, den sie zurücklegen eine Art Maut zahlen, den sogenannten Trassenpreis. Dieser wird vom Betreiber der Strecke erhoben. Dabei ist die Trassenmaut verpflichtend, sie ist von der EU vorgeschrieben - und zwar für Güterzüge als auch Reisezüge sowie allein fahrende Loks. Noch bis 30. November 2024 zahlt der Bund eine Trassenpreisförderung zahlte, was fast eine Halbierung der Schienenmaut bedeutete. 2023 machte diese Förderung rund 377 Millionen Euro aus, für 2024 rechnet der Bund mit 179 Millionen. Ziel ist, den EVU Investitionen zu ermöglichen beziehungsweise einen Teil der Entlastung an die Kunden weiterzugeben.

Portrait Dörte Neitzel Redakteurin Technik+Einkauf
(Bild: mi connect)

Die Autorin: Dörte Neitzel

Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.

Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.

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Energie-Einkauf: Beschaffungsstrategien, Photovoltaik, Industriewärmepumpen

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