Mensch in Laborkleidung hält einen Silizium-Wafer, um ihn zu kontrollieren

(Bild: naka - stock.adobe.com)

Nach Meinung des Intel-Chefs Pat Gelsinger dürfte es noch bis 2023 dauern, bis die Talsohle bei der globalen Chip-Versorgung endgültig überwunden ist. Gelsinger rechnet mit dem Tiefpunkt im zweiten Halbjahr 2021. Ein bis zwei Jahre später könnte die Industrie die Nachfrage dann vermutlich wieder erfüllen.

Intel, weltgrößter Chip-Hersteller des Jahres 2020, ist bereits dabei, seine Produktionskapazitäten zu erhöhen. Langfristig will Intel auch Auftragsfertigungen annehmen. Der Konzern nimmt 20 Millionen US-Dollar in die Hand, um zwei Werke in Arizona zu bauen.

"Wir planen weitere Standorte in den USA und in Europa, um weltweit eine nachhaltige und sichere Versorgung mit Halbleitern aufzubauen", so Gelsinger in einem Interview mit der Washington Post. Mittlerweile gibt es dutzende Gerüchte, um mögliche Standorte für das europäische Werk. Abhängig macht Gelsinger die Entscheidung jedoch von (üppiger) staatlicher Förderung.

Mögliche Chip-Fabrik in Deutschland?

In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte der Intel-Chef, es spreche viel für Deutschland. Allerdings bekomme der Konzern in Asien öffentliche Förderungen in Höhe von etwa 40 Prozent der Kosten vom Staat. Bei geschätzten Kosten für eine neue Fabrik von mindestens zehn Milliarden US-Dollar wären das vier Milliarden Dollar. "Und an einem Standort braucht es zwei davon, um Größenvorteile zu nutzen", so Gelsinger. Was die potenzielle Förderung auf acht Milliarden hochschraubt, um den Chip-Giganten nach Deutschland zu locken.

Im Gegenzug verspricht Intel ein langfristiges Engagement. „Wir würden an unserem neuen Standort über ein Jahrzehnt hinweg sechs bis acht Fabs errichten. Das wäre das mit Abstand größte Fab-Projekt auf europäischem Boden aller Zeiten“, heißt es im Handelsblatt.

Derweil schlägt die bayerische Staatsregierung dem US-Konzern das ehemalige Fliegerhorst-Gelände in Penzing, etwa 60 Kilometer westlich von München, vor. Das Gelände wurde bis 2017 von der Bundeswehr genutzt. Der Pluspunkt: Intel führt sein Deutschlandgeschäft von München aus, kennt die Region also bereits.

Neben Bayern hätte auch noch Sachsen gute Chancen. In der Region rund um Dresden gibt es bereits einige Halbleiterproduzenten und -zulieferer. Aber auch Standorte in Frankreich oder Benelux seien im Gespräch. In der zweiten Jahreshälfte 2021 will Intel die Katze aus dem Sack lassen, welcher Standort das Rennen gemacht hat. Die deutsche Politik hat also nicht mehr viel Bedenkzeit, denn Förderungen in dieser Höhe müssen von Brüssel genehmigt werden.

Aktuell keine Übernahmen geplant

An Übernahmen von Konkurrenten denkt Gelsinger dagegen bislang nicht. Der Hintergrund: Es hatte Gerüchte gegeben, dass Intel den US-Auftragsfertiger Global Foundries mit Sitz in Kalifornien für 30 Milliarden US-Dollar übernehmen wolle. Das Dementi von Global Foundries folgte jedoch auf dem Fuße. Zudem kündigte das Unternehmen eine neue Fabrik im US-Staat New York an der Ostküste an. Diese soll in einem Public-Private-Partnership entstehen.

Zudem will Global Foundries eine Milliarde US-Dollar in sein bestehendes Werk Fab 8 in New York investieren, um zusätzlich 150.000 Wafer pro Jahr zu produzieren. Auch in Singapur soll eine neue Fab entstehen, eine weitere Milliarde Dollar soll in die Halbleiterproduktion in Dresden fließen. Künftig sollen in Sachsen eine Million Wafer vom Band laufen.

Hilft der Bau der EU-Chipfabrik gegen den Halbleitermangel?

Die EU hat sich im vergangenen Jahr darauf verständigt, den Bau einer hochmodernen Chip-Fabrik für 2-nm-Chips voranzutreiben. Dafür soll unter anderem der Corona-Hilfsfonds der EU angezapft werden. Rund 135 Millionen Euro stünden laut Binnenmarktkommissar Thierry Breton zur Verfügung.

Im Blick für die Partnerschaften hat die EU Konzerne wie Intel, Samsung oder Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Sie sollen eine solche Fabrik erreichten und bekämen Geld der EU im Gegenzug. Für Breton zählen zum einen die künftige Versorgungssicherheit wie auch Investition in neueste Technologie, daher sollen es auch unbedingt 2-nm-Chips sein.

Doch Infineon-Chef Reinhard Ploss ist skeptisch. Grundsätzlich befürworte er eine zunehmend bessere und sichere Versorgung Europas mit hier hergestellten Chips. Doch da liege genau das Problem: Die Abnehmer dieser superkleinen 2-nm-Halbleiter sitzen nicht in Europa. Die Chips werden vor allem in Smartphones und Computern verbaut. Auch im Mobilfunk (5G) sowie in Hardware für Datenzentren kommen sie zum Einsatz. Produkte wie diese werden aber nicht in Europa hergestellt, sondern vor allem in Asien. Eine 2-nm-Fab hätte hierzulande also schlicht zu wenige Abnehmer.

Sich auf regionale Abnehmer konzentrieren für mehr Versorgungssicherheit

Bevor man neue Bereiche erschließe, solle man sich doch besser auf traditionelle Stärken Europas besinnen, so Infineon-Chef Ploss. So fertigen sowohl Infineon als auch der niederländische Konkurrent NXP Halbleiter mit größeren Strukturen, zum Beispiel 20 nm und mehr. Diese werden in der (hiesigen) Automobilindustrie benötigt. Bosch dagegen baut Chips mit Strukturbreiten bis 65 nm.

Generell gibt es einen eklatanten Mangel an europäischen Produktionskapazitäten für Chips unterhalb von 22 nm. Diese sind aber für künftige Anwendungen wie autonomes Fahren oder Künstliche Intelligenz notwendig. Infineon setzt darüber hinaus auf neue Halbleiter aus Verbundwerkstoffen wie Siliziumkarbid und Galliumnitrit. Es sind also eher die reinen Fertiger, die auf Produktionskapazitäten für immer kleinere Strukturen setzen.

Ein Problem bliebe jedoch: Das Chip-Design findet bislang - und fände auch mit einer 2-nm-EU-Fabrik - weiterhin in den USA und Asien statt. Die Abhängigkeit würde also bleiben, nur würde es dann andersherum laufen: Europa wäre auf ausländische Aufträge angewiesen, um die Fab auszulasten und somit profitabel zu gestalten.

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