Die richtige Auswahl und Dimensionierung von Kühlgeräten sind Voraussetzung für eine effiziente Schaltschrank-Klimatisierung. Nicht selten jedoch wird bei der Projektierung von Anlagen deren Kühlung oft erst ganz zum Schluss betrachtet: Sind die konstruktiven Details gelöst, wird nach einem geeigneten Klimasystem Ausschau gehalten.
Die immer kleineren elektronischen Bauelemente und die dadurch steigende Packungsdichte in Schaltschränken haben die Empfindlichkeit der Systeme gegenüber äußeren Einflüssen wie Staub, Öl, Feuchtigkeit und Temperatur erhöht. Insbesondere ist Wärme nach wie vor immer noch der Feind Nummer 1 für hoch empfindliche Mikroelektronik. Was die Lebensdauer von Halbleitern betrifft, gilt dabei die Faustregel: Eine Erhöhung der Betriebstemperatur um 10 K, bezogen auf die maximale zulässige Betriebstemperatur, verkürzt ihre Lebensdauer bereits schon um die Hälfte. Um eine dauerhafte Funktionalität der Elektronik zu gewährleisten, muss somit die im Gehäuse generierte und zusätzlich je nach Umgebungsbedingungen von außen eingestrahlte Wärme effizient abgeführt werden.
Die Grundlage jeder Kühlung ist die Betrachtung der Wärmeübertragung zwischen zwei oder mehr Systemen. Geht man von unterschiedlichen Wärmepotenzialen aus, so erfolgt der Wärmestrom immer von der höheren auf die niedrigere Temperatur. Es gibt dabei drei verschiedene Arten der Wärmeübertragung:
Wärmeleitung: Wärme wird von der Materie transportiert, ohne dass diese sich selbst mitbewegt. Die Energie wird von Teilchen zu Teilchen weitergegeben.
Konvektion: Energie strömt mit der Materie. Das Transportmittel, zum Beispiel Flüssigkeit und Gas, nimmt Energie in Form von Wärme auf und gibt Energie als Wärme ab.
Strahlung: Wärme wird in Form von Strahlungsenergie, direkt ohne materielle Träger, von einem Körper zum anderen übertragen.
Entscheidend für die Art der Wärmeabführung aus Schaltschränken ist es, ob diese offen (luftdurchlässig) oder geschlossen (luftundurchlässig) sind. Während die Wärme bei offenen Gehäusen durch den Luftstrom abgeführt wird, kann dies bei geschlossenen Schränken nur über die Gehäusewand durch Eigenkonvektion erfolgen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Umgebungstemperatur niedriger als die Temperatur innerhalb des Schaltschrankes ist. Um aber eine optimale Betriebstemperatur im Inneren der luftundurchlässigen Schaltschränke auch bei hohen Außentemperaturen zu gewährleisten, müssen Kühlgeräte zum Einsatz kommen.
Um generelle Fehler bei der Klimatisierung zu vermeiden, stehen elektronische Werkzeuge zur Verfügung, die dem Anlagen- und Maschinenbauer bei der Berechnung seiner Kühllösung unterstützen. Computerbasierte Planungshilfen helfen schon in einem frühen Projektstadium und geben Hilfestellung auf dem Weg zum richtigen Klimatisierungskonzept. Bei der Projektierungssoftware „Therm” von Rittal werden zum Beispiel einfach die wichtigsten Eckwerte wie gewünschte Schrankinnentemperatur, Umgebungstemperatur und installierte Verlustleistung sowie die Schaltschrankdimensionen eingegeben.
Als Ergebnis liefert die Software Vorschläge für eine optimale Kühlkonzeption, die alle Leistungs- sowie Umgebungsbedingungen berücksichtigt und Einbau-, Anbau- oder Dach-Klimasysteme vorschlägt. Die Resultate orientieren sich an den Vorgaben DIN 57 660 bzw. IEC 890 und DIN 3168 für Schaltschrank-Kühlgeräte. Die Anwendung ist einfach zu bedienen und alle erforderlichen Parameter von Rittal Komponenten (Schrank, Klimagerät etc.) können dazu direkt auf der Homepage von Rittal abgerufen und in die Software eingegeben werden.
Die aufwendige Berechnung der optimalen Klimatisierungslösung für Schaltschränke lässt sich jetzt auch per Smartphone über die neue Therm App von Rittal durchführen. In nur fünf einfachen Schritten führt das Anwendungsprogramm schnell zur exakten Dimensionierung etwa von Kühlgeräten, Wärmetauschern und Filterlüftern. Die kostenlose Therm App steht bereits für iPhone und iPad zur Verfügung. Eine Lösung für das Betriebssystem Android steht ebenfalls zur Verfügung.
Einen Schritte weiter geht die Simulation per CFD (Computational Fluid Dynamics). Diese ermöglicht die Optimierung der Klimatisierung, noch bevor die Anlage gebaut wird. Durch die Simulation und Visualisierung von Temperatur-, Druck- und Luftströmungsverhältnissen lassen sich damit kritische Wärmenester schon im Vorfeld aufspüren und durch gezielte Luftführung beseitigen. Ferner liefert das Verfahren wertvolle Hinweise, an welchen Stellen zum Beispiel Temperaturfühler und Rauchmelder den größten Nutzen versprechen. Wegen der Komplexität der Software, der erforderlichen kältetechnischen Erfahrung und den dazu benötigten sehr leistungsfähigen Rechnern ist es sinnvoll, solche Simulationen als Dienstleistung an erfahrene Partner zu vergeben.
Jedoch auch bei bereits betriebsfertig aufgebauten Schaltschränken gibt es die Möglichkeit der nachträglichen Optimierung. Ein bewährtes Verfahren dazu ist die Thermografie. Per Wärmebildkamera lassen sich temperaturkritische Punkte erkennen und durch gezielte Maßnahmen entschärfen. Damit wird sichergestellt, nicht den gesamten Schrank wegen einzelner, möglicherweise kritischer Bauteile kühltechnisch überzudimensionieren. Hier sind Spezialisten gefordert, die konkrete praktische Erfahrungen im Erstellen und Auswerten von Thermogrammen haben. Als zertifizierte Dienstleistung nach DIN EN 473 (Regelwerke für Thermografie-Personalqualifizierung) wird dieser Service von Rittal ebenfalls angeboten.
Autoren: Ralf Schneider, Leiter Business Development Climatisation, Rittal, Herborn und Kathrin Irmer
Checkliste für den Einkauf von Schaltschrank-Klimatisierung
1. Wurde die Klimatisierungsberechnung zum Beispiel mit der Software “Therm” von Rittal durchgeführt? | |
2. Sind die Aufstellungsbedingungen beim Endkunden berücksichtigt (Temperatur, Luftqualität, Wasserqualität)? | |
3. Die Verlustleistung der im Schrank installierten Komponenten (plus Einstrahlung) überschreitet die spezifische Kühlleistung des kühlgerätes nicht? | |
4. Sind die Lüftungsräume ober- und unterhalb der Komponenten gemäß Herstellervorgabe berücksichtigt? | |
5. Sind die Komponenten gemäß ihres Aufbaus mit Kühlluft durchströmt; wurde bei Komponenten mit Eigenbelüftung auf die Strömungsrichtung in Verbindung mit dem Kühlgerät im Schrank geachtet? | |
6. Sind die Lüftungsgitter der eingebauten Komponenten frei von Hindernissen, inklusive Leitungen? | |
7. Ist der Kaltstrom nicht direkt auf aktive Komponenten gerichtet? | |
8. Entspricht die Schaltschrank-Innentemperatur der Werkseinstellung (+35°C)? | |
9. Wurde bei Sollwertveränderungen die Freigabe der Elektroplanung eingeholt? | |
10. Ist der Schrank allseitig abgedichtet (mindestens IP 54), insbesondere im bereich Kabeleinführungen, um das Eindringen von Umgebungsluft zu verhindern? | |
11. Sind zur Vermeidung von erhöhtem Kondensatanfall Türendschalter installiert? | |
12. Ist eine sichere Kondensatableitung gemäß Bedienungsanleitung installiert (Geräte mit integrierter Kondensatverdunstung, ext. Kondensatverdunstung oder Konedensat-Auffangflasche)? | |
13. Wurde je nach Umgebungsbedingungen ein korrektes Filtermedium eingesetzt (Info über benötigtes Filtermedium siche Herstellerkataloge)? |
Drei Fragen an Konrad Mayer, Audi AG
Welche Schaltschrank-Klimatisierung nutzen Sie und in welchem Umfang?
Bei Audi schreiben wir grundsätzlich Luft-Wasser-Wärmetauscher vor. In unserer Aggregatefertigung ist fast jede Maschine mit einem Schaltschrankkühler ausgestattet, so dass wir beispielsweise am Standort Győr in Ungarn ungefähr 2 000 Geräte im Einsatz haben.
Welche Kriterien bei der Auswahl beachten Sie besonders?
Die Geräte sollten wartungsfreundlich und robust laufen. Die tatsächliche Kühlleistung muss mit unseren Anschlussbedingungen ermittelt werden; die Katalogdaten sind wenig hilfreich. Da aus konstruktiven Gründen oftmals Dachaufbauvarianten eingebaut werden, ist auf eine sinnvolle Luftführung zu achten. Diese muss meist zusätzlich installiert werden.
Nutzen Sie Tools, um die richtige Auslegung der Klimageräte zu machen? Wie gehen Sie da vor?
Wir lassen uns vom Schaltschrankkonstrukteur die berechnete Verlustleistungsberechnung vorlegen und im Zweifelsfall rechnen wir selbst nach. Die errechneten Werte sind aber keine Garantie für eine funktionssichere Schaltschrankkühlung. Die Einschätzung und Entscheidung erfordert viel Erfahrung und manchmal auch Bauchgefühl.