Gleitlager sind weltweit milliardenfach im Einsatz – sei es in Fahrradpedalen, Förderbändern oder Autogetrieben. Hier ersetzen viele Betriebe klassische geschmierte Metalllager durch Pendants aus schmierfreien Hochleistungskunststoffen. Warum sich dieser Wechsel gleichzeitig positiv auf die Nachhaltigkeit wie auf die Wirtschaftlichkeit auswirken kann, sei im Folgenden beleuchtet.
Entscheiden sich Ingenieure für klassische Gleitlager aus Metall, haben sie die Wahl zwischen geschmierten und trocken laufenden Lagern. Geschmierte Metalllager können aus einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien bestehen – darunter Weißblech, Bronze, Messing, Stahl oder diverse Legierungen. Das Problem: Ohne ausreichende Schmierung, welche die Reibung zwischen Buchse und Welle reduziert und vor Korrosion schützt, drohen Defekte, die im schlimmsten Fall zu teuren Folgeproblemen an Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen führen können. Darüber hinaus sind Metalllager relativ schwer und je nach Material und Herstellungsform vergleichsweise teuer.
Eine beliebte Alternative sind daher Gleitlager aus Metall, die mit einer extrem dünnen Gleitschicht aus Polytetrafluorethylen (PTFE), auch als Teflon bekannt, einen Trockenlauf ermöglichen. Hier ist problematisch, dass die Schicht in der Regel empfindlich und nicht besonders verschleißfest ist. Zudem könnte die chemische Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS), zu denen auch PTFE gehört, in Zukunft wegen potenzieller Gefährdungen für Umwelt und Gesundheit verboten werden.
Reibung und Verschleiß kosten weltweit 250 Milliarden Euro pro Jahr
Eine Studie von Shell Lubricants im Bausektor zeigt: Von 400 befragten Unternehmen geben 46 Prozent an, dass es häufig zu Ausfällen von Baugeräten aufgrund unzureichender Schmierung kommt. Dies ist kaum überraschend, denn ein Bagger etwa hat durchschnittlich rund 20 Schmierstellen, die regelmäßig neues Schmierfett benötigen. Immer höhere Anforderungen an Produktivität auf der einen und Fachkräftemangel auf der anderen Seite sorgen dafür, dass notwendige Wartungsarbeiten nicht immer sachgemäß durchgeführt werden. Die Folge: Die Lager gehen kaputt und verursachen einen Ausfall des Fahrzeugs mit teuren Folgekosten.
Das Problem unsachgemäß durchgeführter Wartung im Allgemeinen und der unzureichenden Schmierung von Lagerstellen im Speziellen betrifft nicht nur die Baubranche, sondern die gesamte Weltwirtschaft. Laut dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) verursachen Reibung und Verschleiß weltweit Kosten von 250 Milliarden Euro pro Jahr. Auch die Umwelt wird beeinträchtigt: Die Herstellung von Schmiermitteln erfordert in der Regel fossile Rohstoffe wie Erdöl, und viele Schmierfette enthalten umweltschädliche Additive wie Antioxidationsmittel, Korrosionsschutzmittel und Detergentien. Diese Faktoren veranlassen immer mehr Anwender, nach Alternativen zu Metallgleitlagern zu suchen.
Checkliste für den Einkauf eines Gleitlagers
- Gibt es Vorgaben oder Limitationen bei der Dimensionierung des Lagers? Welche Maße sind wichtig, welche flexibel? Durch effiziente Kommunikation lassen sich hier teure Sonderanfertigungen vermeiden.
- Berücksichtigen Sie die Oberflächengüte und Beschaffenheit der Gegenlaufpartner: Rauheit, Härte und falls notwendig Korrosionsschutz spielen eine wichtige Rolle.
- Betrachten Sie das Bewegungsprofil: Art, Geschwindigkeit und Dauer der Bewegung haben Einfluss auf den Verschleiß, sind aber auch ein Faktor im PV-Wert, der die Wärmeerzeugung in der Lagerstelle beschreibt. Wird mehr Wärme erzeugt als abgeleitet werden kann, versagt das Lager.
- Analysieren Sie Ihre Umgebungsbedingungen: Umgebungstemperaturen, Schmutz oder Staubkontakt, Wettereinflüsse, Berührungen mit korrosiven Chemikalien wirken sich stark auf die Materialauswahl aus.
- Bestimmen Sie Zusatzanforderungen, etwa Konformität mit FDA oder EU 10/2011.
- Anforderungen an die Laufleistung: Können Aussagen zur Laufleistung des Lagers unter Berücksichtigung aller Einflüsse gemacht werden? Welche Wartungszyklen werden vorausgesetzt?
- Welche Garantieversprechen und Leistungen bietet der Hersteller an?
- Welche Anforderungen bestehen an die Recyclingfähigkeit der Produkte? Wie hoch ist das CO2-Äquivalent, das bei Herstellung und Transport der Produkte entsteht?
- Beratung und Auslegungshilfe: Bekommen Sie bei der Wahl des Polymerlagers Unterstützung durch einen Ansprechpartner und/oder ein Onlinetool, um Ihre Wahl abzusichern?
Polymergleitlager als schmierfreie Alternative
Die Suche nach neuen Wegen führt immer häufiger zu Lösungen aus Hochleistungskunststoffen. Sie bieten zwar nicht die gleichen Eigenschaften wie Lager aus Metall, können richtig ausgewählt allerdings einen Großteil der Anforderungen gleichwertig bewältigen. Für extreme Lasten bieten die in Faserverbundbuchsen verarbeiteten Endlosfilamente beispielsweise eine höhere Zugfestigkeit als Stahl. Mit der richtigen Verarbeitung lassen sich hochfeste Gleitlager herstellen, deren Druckfestigkeit mit der von Metalllagern mithalten kann – die empfohlene maximale Flächenpressung liegt bei bis zu 200 Megapascal.
Darüber hinaus bieten Polymerlager zusätzliche Vorteile: Sie sind korrosionsfrei, chemikalienbeständig, bis zu 80 Prozent leichter als Metalllager und bis zu 40 Prozent günstiger. Sie weisen in vielen Fällen auch eine bessere CO2-Bilanz auf als klassische Metalllager. Hersteller wie igus sind bereits dazu übergegangen, die CO2-Emissionen auszuweisen, die bei Herstellung und Transport der Polymerlager anfallen. Alles gute Gründe für einen Wechsel. Die größte Stärke der Polymerlager aber liegt in ihren selbstschmierenden Eigenschaften. igus etwa integriert mikroskopisch kleine Festschmierstoffe in das Material, die während der Bewegung für geringe Reibwerte sorgen und zuverlässig vor Verschleiß schützen, ohne dass eine externe Schmierung notwendig ist. Dadurch entfällt das Risiko unsachgemäßer Schmierung. Anwender sparen Personalaufwand sowie Beschaffungskosten für Schmiermittel und automatische Schmieranlagen.
In der Welt der Kunststoffgleitlager gibt es eine große Vielfalt an Materialien. Basispolymere, Füll- oder Verstärkungsstoffe und Additive lassen sich zu Compounds kombinieren, die auf unterschiedlichste Anforderungen spezialisiert sind. Durch eine sorgfältige Auswahl der Materialien kann die Lebensdauer von Gleitlagern maximiert und zudem Einsparpotenzial realisiert werden, indem Overengineering vermieden wird. Daher ist es entscheidend, vor dem Wechsel alle wesentlichen Anwendungsparameter zu bestimmen und mit Polymerlager-Kandidaten abzugleichen. Igus bietet Onlinekonfiguratoren, damit sich passende Polymergleitlager schnell finden und bestellen lassen. Anwendungsberater unterstützen Nutzer überdies dabei, zur am besten geeigneten Lagerlösung zu gelangen.
Anwender sparen bis zu 14 Millionen Euro Schmierstoffkosten
Klassische Metalllager benötigen ständige Nachschmierung. Gleitlager aus Hochleistungskunststoffen von Igus dank integrierter Festschmierstoffe nicht. Dadurch lassen sich Einkaufskosten für Schmiermittel einsparen. Je nach Anwendung zwischen 7.000 und 14 Millionen Euro pro Jahr, zeigt die Studie der RWTH-Wissenschaftler. Hinzu kommen jährlich zwischen 8.000 und 2 Millionen eingesparte Arbeitsstunden für das manuelle Nachschmieren von Lagerstellen. „Die Zahlen beweisen eindrucksvoll, wie sich durch eine vermeintlich kleine Umstellung unterm Strich enorme Summen und Ressourcen einsparen lassen“, unterstreicht Lars Butenschön, Geschäftsbereichsleiter iglidur Gleitlager bei Igus.
Die RWTH-Studie berechnet zudem erstmals die positiven Umweltauswirkungen von Gleitlagern aus Hochleistungskunststoffen von igus. Heineken Brasil beispielsweise spart dank des Austauschs von Metalllagern durch Polymerlager an 600 Lagerstellen jährlich CO2-Äquivalente in Höhe von 180 kg. „Würden alle Niederlassungen von Heineken auf Polymerlager umsteigen, könnte das Unternehmen CO2-Äquivalente in Höhe von 28.814 kg einsparen. Und das ist für eine so kleine Stellschraube ein beachtlicher Wert“, so Butenschön. Zum Vergleich: Wenn ein Fahrzeug einen Liter Benzin verbraucht, emittiert es etwa 2,37 kg CO2. Die Ersparnis würde demnach über 12.000 Litern Benzin entsprechen. „Immer mehr Hersteller von Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen spüren den Druck, die CO2-Bilanz ihrer Produkte ausweisen zu müssen. Entsprechend froh sind unsere Kunden, dass es nun eine wissenschaftlich belegte Einschätzung der Umweltvorteile des Selbstschmiereffekts unserer Gleitlager gibt.“
Mit der Durchführung der unabhängigen Studie beauftragt war die WBA Werkzeugbau Akademie, ein Forschungsunternehmen, das auf dem RWTH Aachen Campus als Teil eines der größten Forschungslabore Europas im Bereich Produktionstechnik mit dem Werkzeugmaschinenlabor WZL und dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnik (IPT) zusammenarbeitet. Die Ergebnisse basieren auf Experteninterviews mit neun Unternehmen aus den Bereichen Automationstechnik, Baumaschinen, Agrarindustrie, Lebensmittelindustrie sowie Verpackungs- und Abfüllindustrie.
Das Unterenhmen: Igus
Die Igus GmbH entwickelt und produziert motion plastics. Diese schmierfreien Hochleistungskunststoffe verbessern die Technik und senken Kosten überall dort, wo sich etwas bewegt. Bei Energiezuführungen, hochflexiblen Kabeln, Gleit- und Linearlagern sowie der Gewindetechnik aus Tribopolymeren führt Igus weltweit die Märkte an. Das Familienunternehmen mit Sitz in Köln ist in 31 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit rund 5.000 Mitarbeitende. 2023 erwirtschaftete igus einen Umsatz von 1.136 Milliarden Euro. Die Forschung in den größten Testlabors der Branche produziert laufend Innovationen und mehr Sicherheit für die Anwender. 243.000 Artikel sind ab Lager lieferbar und die Lebensdauer ist online berechenbar. In den letzten Jahren expandierte das Unternehmen auch durch interne Start-ups, zum Beispiel für Kugellager, Robotergetriebe, 3D-Druck, die Plattform RBTX für Low Cost Robotics und intelligente ‚smart plastics‘ für die Industrie 4.0. Zu den wichtigsten Umweltinvestitionen zählen die ‚chainge‘-Plattform für das Recycling von technischen Kunststoffen und die Beteiligung an einer Firma, die aus Plastikmüll wieder Öl gewinnt.
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