CPMC-Studie

Einkaufsstrategien und Trends beim China Sourcing

Laut einer Studie wollen mehr als 50% der deutschen Firmen weiter auf den Beschaffungsmarkt China setzen – mindestens bis 2030.

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Güterzug und Container mit dem Schriftzug Made in China.
China ist für 62% der Studienteilnehmer sowohl Beschaffungs- als auch Absatzmarkt.

Seit Beginn der 2020er Jahre ist das Thema globaler Einkauf im Allgemeinen und die Beschaffung aus China im Besonderen mehr und mehr in den Fokus gerückt. Lange Lieferwege und -zeiten, schwankende Kosten bzw. Verfügbarkeit von Containern, Umwege aufgrund von Sperrungen wie des Suezkanals oder kriegerische Auseinandersetzungen wie im Mittleren Osten stellten Einkaufs- und Risikomanagementstrategien auf den Prüfstand. Als dann auch noch aus dem politischen Umfeld die Forderung des De-Riskings von China aufkam, schien der „Exodus aus China“ und eine Neuausrichtung von Lieferketten nur noch eine Frage der Zeit.

Das Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) an der Frankfurt School of Finance & Management griff in seiner neuesten Lieferkettenstudie dieses Thema auf, mit dem Ziel, ein detailliertes Bild zum Thema Beschaffung aus China im Zeitraum von 2020 bis 2030 zu erhalten. An der Studie nahmen 137 Unternehmen von unterschiedlicher Größe aus dem produzierendem Gewerbe teil, branchenseitig dominierten die Automobilindustrie (26,3%), der Maschinenbau (21,9%) und die Elektroindustrie (19,7%).

Der Status Quo – Beschaffung aus China spielt eine große Rolle im Einkauf

Zur Erfassung des Status Quos konzentrierte sich die Studie auf zwei Fragen:

  1. Wieviel Prozent des gesamten Beschaffungsvolumens stammten in 2024 aus China?
  2. Wie hat sich dieses „China-Beschaffungsvolumen“ von 2020 bis 2024 entwickelt?
1. Beschaffung aus China wird bei mehr als 50% der Unternehmen weiter eine große Rolle spielen. Mehr als ein Viertel der Firmen will bis 2030 sogar mehr aus China beschaffen!
Anteil der Beschaffung aus China am Gesamteinkaufsvolumen (in €) in 2024.

Der Status Quo der „China-Beschaffung“ sah in 2024 bei den Studienteilnehmern wie folgt aus:

  • ·Knapp 40% der Unternehmen (54 von 137) beschaffen 20% oder mehr des gesamten Einkaufsvolumens in € aus China.
  • Deutlich mehr als ein Viertel (27,0%) bezog sogar 25% oder mehr des jährlichen Beschaffungsvolumens (in €) aus dem Land der Mitte.
  • Schließlich beziehen sogar knapp 17% (23 von 137) der Teilnehmer 35% oder mehr des jährlichen Beschaffungsvolumens (in €) aus China.

Insgesamt fiel auf, dass nicht nur Großunternehmen, sondern auch viele Mittelständler einen hohen Anteil der Beschaffung aus China hatten. Um diese Zahlen besser bewerten zu können, wurde nach der Entwicklung des Beschaffungsvolumens von 2020 bis 2024 gefragt. Hier zeigten sich folgende Entwicklungen:

  • Mehr als die Hälfte der Unternehmen (56,9%) gab an, dass man im Jahr 2024 ein ähnliches Volumen oder sogar mehr aus China bezog als im Jahr 2020.
  • Mehr als ein Viertel der teilnehmenden Unternehmen (27,0%) haben im Jahr 2024 sogar mehr aus China beschafft als im Jahr 2020.

Mit Blick auf diese Zahlen kann also nicht unbedingt von einem „breiten Exodus“ aus China gesprochen werden. „Warum sollen wir den Markt China verlassen?“, sagt Marcel Wießner, Leiter Einkauf bei Uhlmann & Zacher, einer Tochter von AssaAbloy. „Die Lieferantenperformance ist hoch, und die Beziehung zu unseren Lieferanten exzellent. Und intern planen wir so, dass auch längere Lieferzeiten kein Problem für uns sind“.

Trends bis 2030: China weiter Beschaffungsmarkt Nr. 1

Unsere Befragungsergebnisse verdeutlichen: China spielt nach Aussage der befragten Beschaffungsverantwortlichen weiter eine wichtige Rolle für den strategischen Einkauf und das Lieferkettenmanagement:

Umfang der China-Beschaffung von 2025 bis 2030.
Umfang der China-Beschaffung von 2025 bis 2030.

· Mehr als die Hälfte der antwortenden Unternehmen (53,2%) will bis 2030 zumindest ein ähnliches prozentuales Volumen aus China beschaffen wie heute!

· Mehr als ein Viertel der Unternehmen (26,2%) gibt an, in den nächsten fünf Jahren mehr aus China beziehen wollen, darunter fast 10% der Studienteilnehmer, die sogar deutlich mehr auf China setzen und die Beschaffungsvolumina spürbar auszubauen.

Resilienz und Risikomanagement: Einkauf ist gefordert

Wenn China als Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen schon heute und wohl auch bis 2030 eine signifikante Rolle spielt, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Resilienz der China-Lieferketten, allgemein und im Kontext des geopolitischen Umfelds. Bei der Resilienz von Lieferketten geht es v.a. darum, (noch) besser auf potenzielle Störungen vorbereitet zu sein und sich im Ernstfall schnell(er) von ungeplanten Störungen erholen zu können. In der CPMC-Studie wurden die Teilnehmer gebeten, die Resilienz von 2024 mit der des Jahres 2020 zu vergleichen und zu bewerten. Dabei kamen folgende Ergebnisse heraus:

  • Mehr als ein Drittel der Firmen (34,3%) gibt an, die Resilienz der Lieferkette habe sich im Vergleich der Jahre 2024 vs. 2020 verschlechtert,
  • 15 von 137 Firmen (10,9%) sagen sogar, dass sich die Resilienz sogar deutlich verschlechtert habe.
  • Weitere 28,5% (39 von 137 Firmen) sagen, dass sich keine nennenswerte Veränderung bei der Lieferkettenresilienz gezeigt hätte.

Zusammengefasst: Fast 60% der befragten Firmen sehen also keine Verbesserung der Lieferkettenresilienz. Da sich das Umfeld in den kommenden Jahren nicht groß ändern dürfte, werden sich Einkauf und Beschaffung stärker mit diesem Thema und möglichen Lösungsansätzen auseinandersetzen müssen.

Lokalisierung von Lieferketten: Eine große Chance für den Einkauf

China ist für 62% der Studienteilnehmer sowohl Beschaffungs- als auch Absatzmarkt. Wer allerdings in China verkaufen möchte, kommt sowohl kostenmäßig als auch regulatorisch nicht um eine Lokalisierung von Produkten und Lieferketten herum. „Das chinesische Finanzministerium hat im Dezember 2024 einen Entwurf vorgelegt, wonach „Made in China“-Produkte künftig einen Preisvorteil von 20% bei öffentlichen Ausschreibungen erhalten“, führt Jianhui Wu, Geschäftsführerin von Hiteco Limited, einem auf Lokalisierung von Zeichnungsteilen spezialisiertem Unternehmen aus. „Wer also den Mindestanteil an lokal produzierten Komponenten nicht erreicht, nimmt sich jede realistische Marktchance. Und auch kostenmäßig ist Lokalisierung die einzige Alternative.“

Die CPMC-Studie ergab hierzu ein zweigeteiltes Bild:

  • 30,6% der Firmen geben an, dass der Grad der Lokalisierung schon bei mehr als 70% liege und bei fast 10% sogar schon fast abgeschlossen sei.
  • Demgegenüber befindet sich mehr als ein Viertel der Unternehmen (27%) noch in einem frühen Stadium der Lokalisierung: 14,1 % haben erste Schritte unternommen (30–50 %), und 12,9 % befinden sich mit unter 30 % Lokalisierungsgrad noch am Anfang.

Hier liegt eine große Chance für den strategischen Einkauf, sich durch eine zügige Lokalisierung von Produkten und Lieferketten im Unternehmen als Wertschöpfungspartner zu positionieren und die Grundlage für ein Wachstum in China zu legen. Denn wie die Studie gezeigt hat, werden der chinesische Markt und die China-Lieferketten auch in den kommenden Jahren weiter eine große Rolle für deutsche Unternehmen spielen.

FAQ: Beschaffung in China

Warum lohnt sich die industrielle Beschaffung in China überhaupt?

China bietet ein riesiges Lieferantennetzwerk, wettbewerbsfähige Preise, hohe Fertigungstiefe und eine immer professioneller werdende Industrie – besonders in Bereichen wie Metallverarbeitung, Elektronik, Komponentenfertigung und Maschinenbau.

Welche Risiken bestehen bei der Beschaffung in China?

Typische Risiken sind Qualitätsschwankungen, Lieferverzögerungen, Kommunikationsbarrieren, geistiges Eigentum, politische Spannungen, Währungsrisiken und fehlende Transparenz in der Lieferkette.

Wie finde ich verlässliche Lieferanten in China?

Übliche Wege: Industriemessen (z. B. Canton Fair, CIIF), spezialisierte Sourcing-Agenturen, eigene Audit-Teams, Branchenempfehlungen oder qualifizierte Plattformen wie Alibaba Verified Suppliers. Wichtig sind mehrstufige Audits, Referenzprojekte und Qualitätsnachweise.

Welche kulturellen Besonderheiten muss ich beachten?

Guanxi (Beziehungsaufbau) ist entscheidend. Höflichkeit, Geduld, indirekte Kommunikation und respektvolle Verhandlungen erleichtern die Zusammenarbeit. Persönliche Treffen werden in China immer noch sehr hoch geschätzt.

Wie sichern Unternehmen die Produktqualität ab?

Mit klaren Spezifikationen, Prototypentests, AQL-Standards, regelmäßigen Inspektionen, Vor-Ort-Qualitätskontrollen, Werksaudits sowie einer konsequenten Lieferantenentwicklung. Viele Unternehmen nutzen lokale QA-Teams.

Welche Incoterms werden typischerweise genutzt?

Häufig: FOB, EXW und CIF. Für höhere Transparenz und Risikokontrolle nutzen europäische Maschinenbauer gerne FOB, weil sie damit den Transport selbst managen können.

Wie schützt man geistiges Eigentum (IP) in China?

Durch Patente, Markenregistrierung in China, NDAs, technische Schutzmaßnahmen (z. B. Entkopplung kritischer Komponenten), Multi-Supplier-Strategien sowie klare Vertragsgestaltung nach chinesischem Recht.

Welche Rolle spielt die Logistik?

Eine große: Transportkosten, Zollabwicklung, Containerverfügbarkeit, Hafenwahl (Shanghai, Shenzhen, Ningbo), Lieferzeit (meist 5–7 Wochen per See) und lokale Feiertage wie das Chinesische Neujahr müssen streng eingeplant werden.

Wie verändert sich der Beschaffungsmarkt in China aktuell?

China entwickelt sich vom reinen „Werkbank“-Land zur Hightech-Industrie. Es gibt immer mehr automatisierte Fertigungen, höhere Qualitätsstandards und stärkere staatliche Förderung für strategische Industrien wie Robotik und Energie.

Ist Nearshoring eine Alternative zu China?

Nearshoring gewinnt an Bedeutung – etwa in Osteuropa, der Türkei oder Indien. Dennoch bleibt China in vielen Bereichen unschlagbar in Skalierbarkeit, Kosten und technologischer Fertigungstiefe. Viele Unternehmen setzen daher auf Dual- oder Multi-Sourcing-Strategien.