Die Zeiten des Einkaufs als reiner Kostenoptimierer sind Vergangenheit. Die Prioritäten der Beschaffungsorganisationen haben sich in den vergangenen Jahren immens verändert und fokussieren zunehmend Nachhaltigkeitsrisiken und -leistungen von Lieferanten. Nicht zuletzt durch das zunehmende VUKA-Geschäftsumfeld (volatil, unsicher, komplex und ambivalent) und die wachsenden regulatorischen Anforderungen hält Nachhaltigkeit verstärkt Einzug in die Beschaffung und in die Lieferketten.
Nachhaltigkeit, ESG und Risikomanagement
Diese Entwicklung spiegelt sich in den Ergebnissen des aktuellen Sustainable Procurement Barometers 2024 von EcoVadis und Accenture wider: Die Top-3-Prioritäten der fast 600 befragten Einkäufer und Einkäuferinnen mit reiferen nachhaltigen Beschaffungsprogrammen sowie bei nicht führenden Programmen: die Erfüllung übergeordneter Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens, Compliance mit externen ESG-Vorschriften und die Risikominderung und Aufbau von Resilienz.
Nachhaltige Beschaffungsprogramme gehen weit über das reine Risikomanagement hinaus.
Dabei verzeichnet insbesondere die Erfüllung übergeordneter Nachhaltigkeitsziele im Vergleich zu 2021 ein leichtes Wachstum (plus 8 Prozent) und nimmt die erste Position unter den Prioritäten ein. Dies ist wahrscheinlich ein Hinweis auf einen breiteren Trend, bei dem Unternehmen, die sich öffentlich zu Netto-Null-Zielen und anderen Nachhaltigkeitszielen verpflichtet haben, die entscheidende Rolle erkennen, die ihre Lieferketten bei der Erreichung dieser Ziele spielen. Compliance (minus 9 Prozent) und Risikomanagement (minus 15 Prozent) hingegen verzeichnen im Jahr 2024 im Vergleich zu 2021 einen Rückgang unter allen Befragten.
Nicht zuletzt werden Maßnahmen zum Risikomanagement und -minderung verstärkt durch umweltbezogene und menschenrechtliche Sorgfaltspflichtengesetze weltweit in vielen Ländern vorgeschrieben. Hierbei bleibt zu beachten, dass auch mit einem stark diversifizierten Lieferantenportfolio Risiken bestehen bleiben, wenn nicht parallel ein robustes und enges Beziehungsmanagement zwischen Einkauf und Lieferanten aufgebaut wird.
Eine Bandbreite an Mehrwerten
Unternehmen mit einem höheren Maß an ESG-Integration verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Vorteile und des Werts, den sie aus ihren Bemühungen um eine nachhaltige Beschaffung ziehen. Risikominderung bleibt der vorrangige Vorteil, den die Unternehmen in unserer Studie durch ihre nachhaltigen Beschaffungsprogramme erzielen. 77 Prozent der Unternehmen mit reiferen Programmen und 57 Prozent der anderen Unternehmen gaben dies an. Darüber hinaus wurde die erhöhte Widerstandsfähigkeit der Wertschöpfungskette – ein Attribut, das in einem unbeständigen wirtschaftlichen Umfeld immer wichtiger wird – von rund 38 Prozent der Befragten als Hauptvorteil genannt.
Darüber hinaus können effektive nachhaltige Beschaffungsprogramme eine Vielzahl an weiteren Mehrwerten erzielen, darunter:
- Kosteneinsparungen: Durch effizientere Nutzung von Ressourcen und verbesserte Lieferantenbeziehungen können erhebliche Kostenreduktionen realisiert werden.
- Verbesserung der Beschaffungskennzahlen, wie beispielsweise verwaltete Ausgaben, Qualität, termingerechte Lieferung, realisierte Einsparungen und engere Lieferantenbeziehungen.
- Innovation und Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die eng mit ihren Lieferanten zusammenarbeiten, fördern Innovationen, die zu nachhaltigeren Produkten und Verfahren führen können, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
- Steigende Umsatzerlöse aufgrund verbesserter Reputation und/oder Kundenanforderungen.
- Besseres Unternehmensimage: Durch nachhaltige Beschaffungspraktiken verbessern Unternehmen ihr öffentliches Ansehen, was wiederum das Vertrauen von Kunden und Investoren stärken kann.
Diese Mehrwerte zeigen, dass nachhaltige Beschaffungsprogramme weit über das reine Risikomanagement hinausgehen und einen wesentlichen Beitrag zur strategischen Positionierung und zum langfristigen Erfolg eines Unternehmens leisten können. Die Vorteile werden noch deutlicher, wenn die Ergebnisse und Daten der nachhaltigen Beschaffung über die traditionellen Risiko- und Compliance-Stakeholder hinaus kommuniziert werden. Durch die Einbeziehung eines breiteren Publikums aus verschiedenen Unternehmensfunktionen – wie Finanzen, Vertrieb und Marketing, Produkt-/Dienstleistungsdesign und Personal-/Talentmanagement – erzielen Unternehmen erhebliche Vorteile.
Best Practices für eine nachhaltige Beschaffung
Das Barometer identifiziert verschiedene Best Practices, die Unternehmen zur Förderung der Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten implementieren. Dazu gehören:
- Engagement der Führungsebene: Die aktive Unterstützung durch das Top-Management ist entscheidend, um interne Stakeholder für nachhaltige Beschaffungsinitiativen zu gewinnen.
- Tiefgreifende Lieferantenintegration: Effektive Programme gehen über einfache Bewertungen hinaus und fördern echte Verbesserungen und Kapazitätsaufbau bei den Lieferanten.
- Integration von Nachhaltigkeitsdaten der Lieferanten: Die Nutzung dieser Daten über den gesamten Beschaffungsprozess hinweg ermöglicht es den Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen effektiv zu steuern und zu verbessern.
Internes Engagement und die Integration von Nachhaltigkeitsdaten und -praktiken in die Beschaffungsstrategien sind unerlässlich für ein wirksames Risikomanagement, Resilienzaufbau und die Einbindung der Lieferkette zur Erreichung von übergeordneten Nachhaltigkeitszielen. Unternehmen, die Best Practices implementieren, können nicht nur Risiken minimieren und Compliance mit gesetzlichen Vorgaben erzielen, sondern auch erhebliche Mehrwerte schaffen, die den Einkauf vom Kostenoptimierer zu einem Wertschöpfungs- und Zukunftsfaktor für den Unternehmenserfolg machen.
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